Mies. Magazin: Mit Charme am Schirm
Von Mario Kopf
Die Kamera schwebt über das Einfamilienhaus, bewegt sich durch die Zimmer, der Bauherr erzählt stolz von seiner Meisterleistung. Nein, diese Art von Architektursendung wollen Arian Lehner, Dominik Kastner, Paula Brücke und Bernhard Mayer wirklich nicht machen. "Wir sind keine Profis, sondern Studenten. Wir möchten in die Büros gehen, herausfinden, wie die Praxis aussieht und relativ naiv fragen, was uns interessiert", erklärt Brücke das Konzept.
Ins Leben gerufen wurde das Mies. Magazin 2011 von Arian Lehner, der seine drei Studienkollegen von der Technischen Universität Wien angeheuert hat. Heuer wird bereits die fünfte Staffel gedreht und auf dem nichtkommerziellen Privatsender Okto ausgestrahlt, die Vorführungen im Schikaneder Kino sind bis auf den letzten Platz gefüllt.
Jungfräulich gestartet
"Gemeinsam setzen wir uns hin und recherchieren Architekten und Beiträge, die thematisch zusammenpassen", sagt Mayer. Dann wird gedreht, geschnitten und ausgestrahlt. "Wir haben jungfräulich gestartet, uns das Handwerk selbst beigebracht und mit den Jahren dazugelernt", sagt Kastner. "So schwierig ist es eh nicht", fügt Brücke hinzu, "in Wirklichkeit macht jeder alles." Was dabei herauskommt, ist ein erfrischendes Format, das Wert auf seinen unkonventionellen Zugang legt. In kurzweiligen 27 Minuten informiert die Rubrik "RE-PORT" über verschiedene Projekte oder themennahe Bereiche, "DIE UNI" erforscht das Arbeitsumfeld der Studenten und "PORT-RE" besucht Architekten in ihren Büros. Bei Letzterem steht der persönliche Zugang im Fokus: Mit welchen unterschiedlichen Ideen werden Räume gestaltet?
Daraus ist ein Fundus entstanden, den die aktuellen Studienanfänger der TU Wien sogar als Lehrmaterial zur Verfügung gestellt bekommen. "Sie wachsen in ihrem Studium quasi mit dem Mies. Magazin auf", erzählt Brücke stolz. Gewachsen sind auch die jungen Filmproduzenten selbst: "Man bekommt viel Input von interessanten Leuten, da kann man Lehren daraus ziehen", sagt Mayer.
Am meisten beeindruckt hat ihn das Interview mit Gustav Peichl ("Eine Persönlichkeit. Und der Witzigste."), auch Peter Märkli und Harry Glück werden genannt. "Am Anfang haben wir uns große Sorgen gemacht. Auf der Uni werden Architekten als unantastbare Götter gepriesen. Man hat einen riesigen Respekt. Wir haben den Großteil als super lässige Menschen kennengelernt und das kommt in der Sendung auch so rüber", meint Kastner.
Anekdoten und Ideen
Als Namenspatron hat man sich mit Ludwig Mies van der Rohe ohnedies ein Kaliber ausgesucht, wenngleich der Name auch eine selbstironische Anspielung auf die Qualität der Sendung ist: "Wir machen kein Hochglanz-TV, dafür ehrlich und authentisch." Ein verloren gegangener Akku, eine fehlerhafte Speicherkarte, unscharfes Bild – im Lauf der Zeit haben sich die Anekdoten gemehrt.
Die Ideen gehen den Studenten jedenfalls nicht so schnell aus – dafür sorgen auch vier neue kreative Kollegen, die frischen Wind ins Team bringen. Und ein internationales Netzwerk: Bei einem Auslandssemester von Sendungserfinder Lehner entstand der britische Ableger Mies. UK. Mittlerweile hat das Format weltweit Wurzeln geschlagen, es folgten Mexiko, Frankreich, Niederlande, Slowakei und Deutschland. Bei der Architekturbiennale kommt es zu regelmäßigen Treffen der acht Teams, die gemeinsam unter der Dachmarke Mies. TV firmieren. Einzelne Beiträge werden auch übersetzt und in Österreich gebracht. "Die französischen Interviews sind super, die Leute pfeifen sich nichts. Anderswo ist man vorsichtiger", sagt Brücke.
Ebenso bewährt hat sich das Mies. Festival am Abschluss jeder Staffel, bis dato immer in der Seestadt Aspern. "Vor vier Jahren gab es Sandhügel, im nächsten Jahr standen Kräne, dann bereits Häuser. Wir wuchsen und die Stadt wuchs mit", meint Kastner. Es bleibt zu hoffen, dass der Zenit noch lange nicht erreicht ist.
Interviews, Einblicke und Emotionen aus Venedig: "Mies."-Macher aus allen Ländern haben zu der neuesten Folge beigetragen, die am 30. Juni im Schikaneder in Wien präsentiert wird. Einlass 19 Uhr, der Eintritt ist frei.
Schikaneder, Margaretenstraße 22-24, 1040 Wien www.schikaneder.at