Leben/Wohnen & Design/Wohnen

Das Destillat guten Stils

Tischler sollte er werden, doch wäre es damals nach Bernd Gruber selbst gegangen, dann wäre aus ihm wohl eher ein Journalist geworden. "Wobei mich da besonders das Sport-Ressort gereizt hätte. In die Fußstapfen meines Vaters zu treten war von mir nie ein Wunsch, zudem hielt sich mein Interesse am handwerklichen Beruf eher in Grenzen. Aber mich gegen meinen Vater durchzusetzen, dafür fehlte mir damals die Kraft, also habe ich, durchaus widerwillig natürlich, die Lehre absolviert", erklärt Bernd Gruber. Wenn er die Geschichte heute erzählt, dann kann er sich das Schmunzeln nicht ganz verkneifen, denn so sehr es ihm damals widerstrebte, so sehr brachte sein Leben ihn wieder damit zusammen – und wie sich zeigte, war das auch gut so: "Wenn man mir gesagt hätte, dass ich mit ebendieser Profession zufrieden, glücklich und erfolgreich sein werde, hätte ich es vermutlich nicht geglaubt."

In der hauseigenen Produktion entstehen maßgeschneiderte Entwürfe.

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Die Ergänzung des typischen Tischlereibetriebes um ein Atelier für Innenarchitektur erfolgte in mehreren Schritten. 1992, als er den 30 Jahre alten Betrieb seines Vaters in Stuhlfelden übernommen hat, ist ihm klar geworden, die Zukunft des Unternehmens braucht einen Richtungswechsel, neue Perspektiven. Nicht zuletzt auch, um sich von Bestehendem abzuheben, Neues zu wagen. Mit der Eröffnung eines kleinen Geschäfts in Kitzbühel schienen die Weichen gestellt – die Öffnung zum Handel und vor allem zum Planen, seiner großen Leidenschaft. Immer an seiner Seite, seine Frau Ruth, die dank ihres feinen Gespürs für Ästhetik, Stil und ausgeprägtem Designverständnis, in den darauffolgenden Jahren, gemeinsam mit ihm die unterschiedlichen Komponenten zu einer passenden Rezeptur für das Atelier zusammenfügte.

"Ein Tischler macht Möbel, ein Planer plant und ein Einrichtungsgeschäft verkauft Interieur – in der Verbindung dieser Schnittstellen liegt der inhaltliche Kern unseres Büros." Bernd Gruber


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Und wie ein ironischer Wink bewies sich dabei, das vom Firmenchef in jungen Jahren verhasste Handwerk, als stete Konstante. "Geliebt habe ich es nie, aber mit der Zeit hat es sich immer mehr herauskristallisiert, dass es das fehlende und vor allem entscheidende Puzzleteil ist. Mir ist dann auch sehr schnell klar geworden, dass ich dieses Potenzial zwar nutzen, aber in größeren und zeitgenössischeren Dimensionen umsetzen möchte", sagt Gruber.

Vor Kurzem wurde die Produktion in Stuhlfelden erweitert.

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Die Leitung der Tischlerei hat Alois Steger inne. Jedes vom Kreativbüro geplante Stück – vom Zuschnitt über das Schleifen, der Verleimung bis zur Lackierung und den Zusammenbau – wird hier produziert. Die Fertigungsstraße wurde im Team entwickelt: "Insgesamt hat es ein Jahr gedauert bis wir die richtigen Prozesse hinterlegen und definieren konnten. Werkstücke etwa stehen in der Raummitte, die Arbeitsstationen ordnen sich rundherum an. Im Zuge des Workshops haben wir eruiert, dass dies für den Ablauf einfach effizienter ist. Durch den Umbau konnten wir vor allem inhaltliche Qualitäten gewinnen."

Die vom Atelier gestalteten Chalets zeigen sich modern und alpin, aber nicht überladen.

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Der holistische Ansatz Räume und Strukturen als Einheit zu denken und daraus ganzheitliche Konzepte zu entwickeln, nahm mit den Jahren immer mehr Form an. Nicht zuletzt auch aufgrund des Inputs des Kreativdirektors Philipp Hoflehner. Vor knapp sechs Jahren verschlug es den Kreativen, nach einem Engagement in einem Schweizer Architekturbüro und im New Yorker Designbüro von Ligne Roset, nach Kitzbühel: "Damals hat einfach alles gepasst, der Zeitpunkt, das Unternehmen und ich war bereit dafür. Ich habe damals die Möglichkeit erhalten, den Bereich der Innenarchitektur aufzubauen, zu positionieren, da konnte ich nur schwer widerstehen", sagt Hoflehner. Mittlerweile ist er Partner.
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Zeit im Allgemeinen erhält beim Gestalten von Räumen eine andere Bedeutung, denn die Qualität liegt laut Ruth Gruber in der richtigen Aufarbeitung und im Zuhören: "Erste Vorstellungen, Ideen bringen den Stein zwar ins Rollen, aber danach geht es einmal mehr um das Fingerspitzengefühl, nämlich daraus die Essenz herauszufiltern, die dann eine maßgeschneiderte Antwort liefert."

"Ideen entstehen überall und jederzeit, alles kann mich auf ganz unterschiedliche Weise inspirieren. Allen voran braucht ein Konzept Zeit, man muss dem ganzen auch seinen eigenen Reifungsprozess zugestehen." Philipp Hoflehner


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Die Planungen aus dem Atelier setzen sich zu einem Drittel aus eigenen Ideen zusammen, je ein weiteres kommt vom Bauherren und regionalen Einflüssen. Letzterem wird ebenfalls ein hoher Stellenwert eingeräumt. Bernd Gruber: "Ignoriert man diesen, kann ein Projekt auch sehr schnell fehl am Platz sein." Aufgrund der Kitzbüheler Adresse würde man zwar im ersten Moment mehr Nostalgie in den Entwürfen vermuten, doch das Gegenteil trifft zu. Im Portfolio sind sie sichtbar, die regionalen Zitate, stellenweise subtil und manchmal auch absichtlich dominierend untergebracht. Wobei die Verweise an das Umliegende immer in einem modernen Kontext stehen.

Verschnörkeltes, Überladendes, Aufdringliches oder gar Kitschiges wird man nicht finden.

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Die Tradition bringt die Architektur selbst mit und wird mithilfe des hauseigenen Handwerks im Inneren fortgeführt. "Mir geht es um das körperhafte Gestalten, Dreidimensionalität bildet dabei immer den Fokus. Der Raum wird dadurch anders wahrgenommen, es kommt Bewegung rein, die der gesamten Struktur einen Mehrwert verleiht. Ähnlich einer Szenografie, werden die einzelnen Elemente aufeinander abgestimmt." Das Konzept wird zum Bühnenbild.
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So unterschiedlich die Inszenierung eines Stücks, so unterschiedlich sind auch die Umsetzungen selbst. Ein Chaletprojekt aus Kitz etwa brachte dem Team einen weiteren Auftrag in Los Angeles. Das Haus in West Hollywood bildet dazu einen Kontrapunkt. Inspiriert vom blauen Himmel der Metropole, zeigt sich das Innere schlicht, die Farbreferenz wurde zum Leitfaden. Einige Einrichtungsdetails eines Kunden aus Marbella zum Beispiel landeten auf seiner Jacht, das Wohngefühl seines Zuhauses wurde auf das Boot übertragen.
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Internationalität ist keine Frage der Herkunft. Beim Atelier von Bernd Gruber führt sie auch zum Ursprung zurück: dem Handwerk. Modern eingesetzt, entsteht eine Sprache, dessen Formulierung ästhetisch wie inhaltlich die Kraft besitzt zu überzeugen.