Wissen/Wissenschaft

Nichts schadet Vögeln so sehr wie die intensive Landwirtschaft

Heute schwirren um ein Viertel weniger Vögel über die Felder, durch Wälder und die Städte Europas als vor vier Jahrzehnten. Hauptschuld am Vogelschwund trägt die intensive Landwirtschaft, so ein Forscherteam mit österreichischer Beteiligung. Großflächig ausgebrachte Pflanzenschutz- und Düngemittel lassen ihre Nahrung, wie Insekten und Würmer schwinden. Der Klimawandel setzt außerdem auch in Österreich kältegewohnten Arten zu. Die Studie ist im Fachmagazin "PNAS" erschienen.

Ein Team um Vincent Devictor von der Universität Montpellier (Frankreich) untersuchte bei 170 Vogelarten, die an über 20.000 Orten in 28 europäischen Ländern, inklusive Österreich, beobachtet wurden, über einen Zeitraum von 37 Jahren (1980 bis 2016) die "Bevölkerungsentwicklung". Insgesamt wurden es demnach im europaweiten Schnitt um ein Viertel (25 Prozent) weniger, so die Forscher. Am schlimmsten ist der Rückgang bei den Bewohnern von Acker- und Weideland, er beträgt 57 Prozent. Stadtvögel wurden um 28 und Waldvögel um 18 Prozent dezimiert. Von in kalten Gebieten lebenden Vögeln gibt es um 40 und von in warmen Gegenden beheimateten Tieren um 17 Prozent weniger.

Österreich liegt im Trend

"Auch in Österreich liegen wir ziemlich im Trend", erklärte Benjamin Seaman von BirdLife Austria im Gespräch mit der APA. "Den Feld- und Wiesenvögeln geht es hierzulande besonders schlecht, und das deckt sich mit den Ergebnissen, die europaweit in dieser Studie rauskamen." Selbst die Zahl der Waldbewohner sinkt, obwohl die Forstflächen in Österreich zunehmen.

Dies erklärt sich der Forscher damit, dass viele von ihnen nicht nur in den Wäldern leben, sondern auch angrenzende Wiesen, Weiden und Felder besuchen. "Wir haben natürlich auch viele Waldflächen, denen es schlecht geht, wie zum Beispiel all den Fichten-Monokulturen in den Niederungen", sagte Seaman: "Das kann durchaus auch ein Grund sein, dass es den Waldvogelarten schlecht geht." Die Bestände von an Kälte gewohnten Vögeln schwinden hierzulande auch. Nur die Zahl bei wärmeliebenden Arten ist relativ konstant, wie sich in der Studie herausstellte.

Kein Futter mehr

Die Analysen der Forscher zeigten, dass die Intensivierung der Landwirtschaft von allen menschlich verursachten Faktoren den Vogelpopulationen am meisten zusetzt. Am stärksten treffe sie jene Arten, die sich von "wirbellosen Tieren" wie Insekten und Würmern ernähren. In geringerem Ausmaß lässt auch die zunehmende Verstädterung die Vogelpopulationen schrumpfen. Das gleiche gilt für Temperaturänderungen durch den Klimawandel, obwohl es hier auch Arten gibt, die davon profitieren.

Es handle sich hier "um eine sehr aussagekräftige Studie", so der nicht an der Studie beteiligte Forscher Jan Christian Habel von der Arbeitsgruppe Zoologische Evolutionsbiologie der Universität Salzburg gegenüber dem deutschen Science Media Center (SMC). Die Untersuchung der Kollegen offenbare auch "den starken Rückgang von Wirbellosen, wie Insekten, und den Gesamtzustand der Landschaft".

Die neue Arbeit erlaube es, über den langen Untersuchungszeitraum darzustellen, was die Haupt-Antreiber dieser Entwicklungen sind und wie vielen Verlieren relativ weniger Gewinner gegenüberstehen. So zeigt sich, "dass die Intensivierung der Landwirtschaft mit Pestizideinsatz und Stickstoffeinträgen die Lebensraumqualität reduziert, was sich direkt sowie indirekt - durch den starken und flächendeckenden Rückgang von Insekten als Nahrungsressource - auf die Vogelvielfalt auswirkt". Habel hofft, dass die Studie "den Leser wachrüttelt, und hoffentlich auch die Politik."