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Wie der Wolf zum Hund wurde

Als Peter Savolainens Helfer vor einigen Jahren ausrückten, benahmen sie sich wie Tatort-Ermittler in irgendeiner CSI-Serie: Ihr wichtigstes Werkzeug war das Watte-Stäbchen. Mit dem fuhren sie überall auf der Welt in Hunde-Mundhöhlen. Savolainen und seine Kollegen wollten – indem sie das Erbgut der Hunde analysierten – herausfinden, wo der Mensch den Hund domestiziert hat. China, Südostasien, Sibirien, Europa, Afrika . . .

Wie viele Hunde er getestet hat? „Keine Ahnung! So viele, dass ich sie nicht zählen konnte“, sagte der schwedische Mikrobiologe damals. Eines glaubte er aber sicher zu wissen: „Hunde wurden zu allererst und fast ausschließlich in Südostasien gezüchtet.“

Asien oder Europa? Asien und Europa? Forscher diskutieren schon lange über Ort und Umstände der Domestizierung des Hundes. Argument und Weltregionen wogten in den vergangenen zehn Jahren hin und her: Wissenschaftern der britischen Universität Oxford wollten herausgefunden haben, dass der Hund an zwei Orten unabhängig von einander domestiziert wurde – eben in Europa und Ostasien. Vor einem Jahr verkündeten Forscher der Universitäten Mainz und Bamberg dann: Vorfahren aus nur einer Weltregion haben den Wolf gezähmt. Wo genau in Asien und Europa der Übergang vom Wolf zum Hund stattgefunden hat, konnten die Forscher allerdings auch nicht sagen. Den Zeitrahmen geben sie mit vor 20.000 bis 40.000 Jahren an.

Was diese bisher letzte große Studie spannend macht: Die Forscher sequenzierten das komplette Genom von prähistorischen Hunden. Darin liege der große Unterschied zu älteren Studien. So wurde die DNA mehrerer Hunde aus der Jungsteinzeit unter die Lupe genommen – darunter ein Hund, der vor 7.000 Jahren in Rheinland-Pfalz gelebt hatte. Auch 4.700 Jahre alte Überreste eines Tieres aus Oberfranken und 5.000 Jahre alte eines irischen Hundes flossen ein. Dabei zeigten sich große Übereinstimmungen der prähistorischen Hunde mit heute lebenden Tieren. „Wir schließen auf eine kontinuierliche Hundepopulation von der Jungsteinzeit bis zu heutigen Rassehunden“, sagte die Mainzer Forscherin Amelie Scheu. Zwar sähen Chihuahuas oder Deutsche Doggen ganz anders aus als ihre Vorfahren vor Tausenden von Jahren. „Aber genetisch sind sie überraschend ähnlich.“

Komplex

Um mehr über Ort und Zeit der Domestizierung des Hundes sagen zu können, müssen aber noch viel mehr prähistorische Hunde-Genome aus Eurasien sequenziert werden. Also: „Die Domestizierung des Hundes ist komplexer, als wir dachten“, resümierte John Novembre von der Universität Chicago, als er vor fünf Jahren mit einem Irrtum aufräumte. Kernbotschaft: Hunde haben sich nicht aus Wölfen entwickelt, die beiden hatten einen gemeinsamen Vorfahren. „Es könnte sein, dass es andere Wolf-Linien gab, von denen diese Hunde abstammten, die später aber ausstarben.“

Schwedische Forscher konnte außerdem belegen, dass wilde Wölfe und wedelnde Haushunde genetisch nicht fast ident sind, wie man lange glaubte: 36 Regionen im Erbgut haben sich beim Hund gegenüber Wölfen verändert. Die meisten davon sind verantwortlich für Verdauung und Verhalten.

Womit wir endgültig beim Szenario wären, das die Tiere zu Menschenfreunden machte: Hungrige Wölfe wurden durch die Misthaufen der Menschen angezogen. Die Siedler begannen dann, die Tiere zum Jagen zu nutzen und sie gezielt so zu züchten, dass sich bestimmte Eigenschaften verstärkten und andere, wie etwa die Aggressivität, zurückgingen.

Vor 11.000 bis 12.000 Jahren war, soviel ist sicher, das längst Usus: Aus dieser Zeit stammen Gräber von Menschen, die gemeinsam mit ihren Vierbeinern bestattet wurden.