So viele Plastikflaschen gelangen pro Minute ins Mittelmeer
Pro Minute landen im Durchschnitt 33.800 Plastikflaschen im Mittelmeer - in erster Linie deshalb, weil die Anrainerstaaten daran scheitern, ihren Kunststoffmüll umweltgerecht zu entsorgen. Diese Menge summiert sich auf mehr als eine halbe Million Tonnen Plastik, die jährlich ins Binnenmeer geschwemmt wird, gab die Umweltschutzorganisation WWF am Wochenende zu bedenken.
Wie ein neuer WWF-Bericht zeigt, sammeln sich am Mittelmeer täglich fünf Kilogramm Kunststoffmüll pro Küstenkilometer an. Beliebte Reiseziele der Österreicher zählen zu den meistverschmutzten Gegenden: Barcelona, Tel-Aviv, Valencia, Venedig, das Po-Delta, die Bucht von Marseille und die türkische Region Kilikien. "Der Tourismus erhöht den Druck aufs Mittelmeer. Die kommunale Abfallentsorgung kann mit dem saisonal steigenden Müllaufkommen nicht mithalten. Während der Urlaubszeit mit bis zu 200 Millionen Reisenden steigt die Abfallbelastung der Küstenregionen um bis zu 40 Prozent", so Axel Hein, Meeresbiologe des WWF Österreich.
"Die Natur zahlt den höchsten Preis für die Verschmutzung des Mittelmeeres. Doch auch für die Wirtschaft wird die Plastikflut teuer", warnte Hein. Meeresmüll verursache jährlich Kosten von 641 Millionen Euro für Tourismus, Fischerei und maritime Wirtschaft. Gleichzeitig würden Wirtschaftszweige wie der Seehandel und die Fischerei zur Misere beitragen: 20 Prozent des Kunststoffmülls sind verlorene Ladung oder Fischereigerät.
Hauptursache für die Mittelmeer-Verschmutzung ist ein grundsätzlicher Systemmangel, beruhend auf Versäumnissen bei Produzenten und Behörden. Mehr als die Hälfte des im Mittelmeerraum produzierten Kunststoffs landet innerhalb von einem Jahr in der Mülltonne. Der Großteil endet auf Deponien oder in Verbrennungsanlagen, nur ein Bruchteil wird wieder genutzt oder recycelt. Offene Mülldeponien sind vielerorts verbreitet, wodurch Müll über die Flüsse ins Meer geschwemmt wird.
Von 24 Millionen Tonnen der jährlich in den Mittelmeerländern anfallenden Plastikabfälle werden 6,6 Millionen Tonnen unkontrolliert beseitigt - also entweder gar nicht erst eingesammelt oder auf illegalen Deponien oder in der offenen Landschaft entsorgt. Die drei Anrainerstaaten Ägypten, Türkei und Italien sind verantwortlich für zwei Drittel der Kunststoffabfälle, die in die Umwelt gelangen.
Zudem führte der chinesische Importstopp für Plastikmüll zu Verschiebungen im globalen Handel mit Kunststoffabfällen. Seit 2018 gehört die Türkei zu den zehn größten Plastikmüll-Importländern der Welt und nimmt steigende Müllmengen aus Großbritannien, Belgien und Deutschland auf. "Ein Großteil der Recyclingkapazität in der Türkei wird für importierten Plastikmüll eingesetzt", berichtete Hein. Diese Abfälle sind besser sortiert als der lokal anfallende Müll, der nicht wiederverwertet wird oder im schlimmsten Fall unkontrolliert in die Umwelt gelangt: "Statt die Recyclinganlagen schwach entwickelter Länder mit westeuropäischem Müll zu verstopfen, sollten wir diese dabei unterstützen, bessere Sammel-, Sortier- und Mehrwegsysteme zu etablieren."
Der WWF appellierte an Österreich und die Europäische Union, sich auf allen Ebenen für ein ambitioniertes internationales UN-Abkommen gegen den Eintrag von Plastikmüll ins Meer einzusetzen. Dieses soll strenge Ziele gegen Plastikmüll enthalten und zu nationalen Aktionsplänen verpflichten.