Liebe und Sex: Was der Mensch von den Tieren lernen kann
Von Gabriele Kuhn
Ganz schön blöd: Der fesche Pinguinmann hat sich zu seinem jährlichen Rendezvous beim „gemeinsamen“ Nest mit seiner Pinguindame etwas verspätet. An sich kein Problem, die Tiere sind einander meist lebenslang treu. Diesmal ist was anders. Das Weibchen hat sich einen Hausfreund zugelegt. Und der fühlt sich im fremden Nest schon so richtig wohl. Plötzlich watschelt der „echte“ Mann daher.
Was in Folge passierte, hielt ein Kamerateam von „ National Geographic“ fest, das Video ging viral. Der gehörnte Pinguin beginnt um seine Frau zu kämpfen – coram publico. Die Pinguin-Kolonie schaut zu. Aufgeben geht da gar nicht. Ein brutaler Kampf beginnt – von wegen „Happy Feet“. Die zwei gehen mit Schnabel und Flügeln aufeinander los. Knallhart. Die Rauferei endet unentschieden, die Mannsbilder stehen einander blutüberströmt gegenüber, schreien nach dem Weibchen. Sie muss entscheiden: Wer soll dein Herzblatt sein? Madame Pinguin nimmt den Neuen – und zieht mit ihm ab.
Drama, Baby, die Zweite: Damit lässt sich der Ex nicht abspeisen, er folgt dem Liebespaar, der Kampf beginnt erneut. Wieder fließt Blut. Der Gehörnte ist nicht nur solo, sondern auch schwer verletzt. Aber ein schwaches Tier ist leichte Beute in der Antarktis. Ein letztes Aufbäumen, ein weiterer Schrei nach dem Weibchen. Pech, Vogel. Es zeigt ihm nur die eiskalte Schulter und watschelt mit dem Neuen ins zweite Glück.
Und was wurde aus dem verlassenen Pinguinmann? Keiner weiß es. Falls er überlebt hat, scheint es wahrscheinlich, dass er unter 250.000 Mit-Pinguinen doch noch irgendwo ein „Match“ gefunden hat.
Was der Mensch von diesen Pinguinen lernen kann? Man sollte sich der Liebe niemals zu sicher sein, auch wenn alle Treue schwören. Aber auch rechtzeitig aufhören zu kämpfen, wenn es nichts mehr gibt, wofür es sich zu kämpfen lohnt.
Armer Mäuserich
Monogamie ist im Tierreich eine Rarität. Prärie-Wühlmäuse finden die Ein-Ehe allerdings kuschelig – nicht nur: Sie trösten und berühren einander auch Aber was, wenn der Partner plötzlich futsch ist? Das hat der Neurobiologe Oliver Bosch ausprobiert – er trennte die Paare. Vor allem die Mäuseriche mutierten zu seelischen Wracks und verfielen in eine tiefe Wühlmausdepression – ausgelöst durch Botenstoffe im Gehirn, die sich auf die Emotions- und Stressverarbeitung auswirken. Um das nicht zu fühlen, bleiben die Mäuse lieber zusammen.
Was der Mensch von den Wühlmäusen lernen kann? Liebeskummer lohnt sich nicht, my Darling. Er ist einfach nur ein raffinierter Trick der Natur, um das Überleben einer Spezies zu garantieren.
Bonobos: Sex statt Streit
So lustig haben es die Zwergschimpansen: Zirka alle 90 Minuten ist irgendwas mit Sex – oral, anal, in allen möglichen Stellungen. Wurscht, mit welchem Partner – auch gerne Weibchen mit Weibchen oder eben im Rahmen einer lustigen Herrenrunde.
Mithilfe freier Liebe und hippieartigen Zuständen regeln die Bonobos ihr Sozialleben – man treibt’s lieber, statt zu streiten. Das Prinzip „sexuelle Versöhnung“ führt dazu, dass die Affen meist total gechillt und friedlich wirken. Der viele Sex führt zu Spannungsabbau und fördert das Zusammengehörigkeitsgefühl.
Einen besonderen Stellenwert hat die sexuelle Begegnung zwischen Weibchen. Die Damen reiben ihre Vulva aneinander und fühlen sich offensichtlich wohl dabei. Es wird gegrunzt und gequietscht. Forscher sind überzeugt davon, dass auf diese Weise Frauennetzwerke entstehen. Angenehmer Nebeneffekt: Weibchen sind oft ranghöher als Männchen. „Der Bonobo ist sinnlich, empfindlich, sexuell, ein Friedensstifter – aber er kann natürlich auch eine böse Seite haben“, schrieb der bekannte Forscher Frans de Waal. Eh. Nicht umsonst lautet der Titel seines Buchs „Der Affe in uns“.
Was der Mensch von den Bonobos lernen kann? Vielleicht sollten wir mehr den Hippie in uns suchen und leben. Klar kann eine Spezies, die sich das Prinzip Monogamie verordnet, Konflikte nicht mit Orgien lösen. Aber ein bisserl mehr berühren – körperlich wie seelisch, ein bisserl mehr Liebe statt Hiebe, ein bisserl mehr Sinnlichkeit statt Strenge und ein bisserl mehr Miteinander – das könnte echt nicht schaden.
Elefanten: Weibliche Kraft
Starke Frauen sind in Elefantenfamilien alles – diese werden von Matriarchinnen geführt. Beeindruckend ist der Zusammenhalt und gelebtes Miteinander: Durch Rufe im Infraschallbereich bleiben sie mit Freunden und Familienmitgliedern stets in Kontakt. Kinderlose Jungelefantinnen fungieren als Pflegemütter. Ältere Elefantenkühe helfen mit und geben ihr „Wissen“ weiter. Elefantenfrauen halten zusammen, alte Elefantenkühe werden geschätzt, weil sie für das Überleben der Herde wichtig sind.
Was der Mensch von Elefantenfrauen lernen kann? Zum Beispiel, was gelebte Frauensolidarität bedeutet. Respekt vor dem Alter. Und dass es nicht immer eines Mannes bedarf, um zufrieden zu sein.
Schnecken-Sex
Weinbergschnecken sind Zwitter – man weiß also nicht so genau, wer wen begattet. Fix ist jedenfalls, dass sich die Weichtiere beim Vorspiel extrem viel Zeit lassen. Schneckensex ist intensiver Slow-Sex.
Was der Mensch von der Schnecke lernen kann? Mehr Mut zum Rollentausch – am besten nicht nur im Bett. Und die Kunst eines fantastischen Vorspiels.
Wenn Penisse singen und riechen können
Vorhang auf! Das männliche Geschlechtsteil in seiner tierischen Vielfalt. Schon recht erstaunlich.
„Penisse können einen öfter mal überraschen. Das weiß ich aus Erzählungen von Freundinnen, aber auch in der Tierwelt sollten die Weibchen auf der Hut sein“, heißt es im Buch „Tierischer Sex“ von Dagmar van der Neut. Daher wird Sie erstaunen, wie harmlos der Geschlechtsteil des männlichen Krokodils daherkommt: Er ist nämlich nicht, wie Sie denken. Keine Schuppen, keine Panzer – die Echsen sind diesbezüglich auch nur „Menschen“. Ihr Penis ist „ziemlich schlaff und ein verletzbares Ding“, schreibt van der Neut.
Korkenzieherding
Anders hingegen der Moschusenten-Erpel, der bei Erregung das ausfährt, was in erotischen Romanen sehr gerne und sehr anschaulich als „Liebespfahl“ umschrieben wird. Das ist des Erpels Ding tatsächlich: Sein Penis ist ein so genannter Korkenzieherpenis, der mit einer Geschwindigkeit von 120 Stundenkilometer ungefähr wie eine Matratzensprungfeder hervorschnellt. Und wie finden das die Moschusenten-Damen? Nun, die Natur hat sich was gedacht – sie verfügen über eine im Körper versteckte Vagina. Klingt kompliziert. Aber wie heißt es so schön: Wer suchet, der findet.
Und dann wäre da noch die Sache mit dem doppelten Penis, auch „Hemipenis“ genannt. Schlangen oder manche Echsen haben so einen – mitunter sogar mit Stacheln ausgestattet. Zur Begattung nach dem „Doppelsteckerprinzip“ kommt es allerdings nicht – beim Anschmiegen an Madame Schlange wird nur ein Teil eingeführt, der vom Weibchen abgewandte Part muss derweil pausieren.
Laut, sehr laut
Dass es sogar Penisse gibt, die riechen können, beweist der Delfin. Der klassische Fall von „schwanzgesteuert“ – es ist nämlich der Geruch der Vagina, der dem Tümmler via Penis, die Fährte vorgibt. Und ab geht’s. Nicht minder interessant: der singende Penis der männlichen Ruderwanze. Er wirft natürlich sofort folgende Frage auf: Was singt er denn? Eigentlich nix. Die Geräusche entstehen, indem der Wanzerich sein Glied (es ist etwa so dünn wie ein Menschenhaar) über seinen Bauch reibt. So wird ein Schall von 99,2 Dezibel produziert. „Biologen zufolge ist der ,singende Penis’ das lauteste Tier der Welt, in Relation zu seiner Größe“, heißt es in dem Buch.
Zum Abschluss der Ende eines Mythos: der Gorillapenis, den viele als Giganten fantasieren. Doch er ist – erigiert – nur drei Zentimeter lang.