Patientenanwalt: "Weniger Kollateralschäden als bei erstem Lockdown"
Von Ernst Mauritz
Eine positive Nachricht hatte Patientenanwalt Gerald Bachinger am Rande einer Pressekonferenz der Ordensspitalgruppe "Vinzenz Gruppe" am Mittwoch: "Zum Unterschied vom ersten Lockdown dürften die Kollateralschäden diesmal geringer sein." - dass also Patienten mit anderen Erkrankungen aufgrund der angespannten Coronasituation Nachteile erleiden würden. Dafür, dass dies diesmal weniger ein Thema sei, sehe er zwei Gründe: "Beim ersten Lockdown waren wir - ohne Verschulden von irgendjemandem - in einer Situation, in der das Gesundheitssystem insgesamt sehr rasch heruntergefahren wurde." Die Vorbereitungen auf die Zweite Welle hingegen waren so, "dass sich überall herumgesprochen hatte, dass die Spitalsträger daran denken, die Grundversorgung aufrecht zu halten - und zwar auf möglichst sehr hohem Ausmaß. Und dass verhindert werden soll, dass es Situationen gibt, in denen Patienten unversorgt bleiben."
Zweitens sei die proaktive Kommunikation der Spitäler mit den Patienten viel besser gewesen: "Im ersten Lockdown mussten viele Patienten den Informationen nachlaufen und es hat keine Kanäle gegeben, wo man Informationen bekommen hat. Im zweiten Lockdown habe ich viele Rückmeldungen von Angehörigen und Patienten bekommen, dass die Abteilungen proaktiv mit ihnen Kontakt aufgenommen haben, mit ihnen besprochen haben, wie können wir da weitermachen." Es wurde auch eine bessere individuelle Evaluierung ihrer Situation durchgeführt: Damit war auch das Verständnis der Bevölkerung viel besser als beim ersten Lockdown."
Verschiebungen von Eingriffen habe es zwar auch diesmal gegeben, aber es seien weniger gewesen und diese waren auch besser vorbereitet. "Ich habe wirklich den Eindruck, dass die individuelle Evaluierung der Krankheitssituation und des Lebensumfeldes der Patienten, die vor einer Operation standen, viel besser funktioniert hat als im ersten Lockdown."
Der Geschäftsführer der Vinzenz Gruppe, Michael Heinisch, verwies auf Daten aus dem Ordensklinikum Linz, ein großes onkologisches Zentralkrankenhaus: "Bei den Brustkrebs-Eingriffen ist die Zahl im Vergleich zum Vorjahr sogar gestiegen." Er könne die Aussagen des Patientenanwalts nur bestätigen.
Hohes Vertrauen in das Gesundheitssystem
In einer IFES-Umfrage, die von der Vinzenz Gruppe in Auftrag gegeben wurde, berichteten 9 Prozent der Befragten, dass Behandlungen oder Operationen verschoben werden mussten, bei 15 Prozent kam es bisher während der Pandemie zu Änderungen in der Behandlung.
Insgesamt zeigte sich in der Befragung ein sehr hohes Vertrauen in das Gesundheitssystem und die Leistungen der Spitäler. "Neun von zehn Befragten haben ein hohes Vertrauen, zwei von drei sogar ein sehr hohes Vertrauen", sagte IFES-Geschäftsführer Reinhard Raml. Hohe Aufgeschlossenheit bestehe auch gegenüber dem Thema Digitalisierung.
So zeigte die Umfrage in mehreren Detailfragen eine hohe Bereitschaft, digitale Angebote wie Online-Aufklärungsgespräche in Anspruch zu nehmen. 76 Prozent der befragten Männer und 64 Prozent der Frauen sehen überwiegend Vorteile der Digitalisierung im Gesundheitsbereich - etwa bei Erstkontakten aber auch der Begleitung chronischer Krankheiten. Bei der Diagnose und Festlegung der Behandlung steht allerdings der Wunsch nach einem persönlichen Kontakt im Vordergrund.
Und dabei wollen immerhin 64 Prozent der Befragten selbstbestimmt und mündig mitreden können. Bachinger: "Diese Gruppe der Eigenverantwortlichen hat sich in den vergangenen 20 Jahren verdreifacht. Das ist ein Erdrutsch, eine große Veränderung in der Einstellung der Bevölkerung."