Wissen/Gesundheit

Neues Schweine-Coronavirus: Potenzieller "Hochrisiko-Erreger"

Sie entwickeln sich bei Tieren und springen durch Mutationen auf den Menschen über: Zoonosen, wie Infektionskrankheiten, die gleichermaßen bei Tieren und Menschen vorkommen, genannt werden, lösten in der Vergangenheit viele Grippe-Pandemien aus. Auch die Covid-19-Pandemie wurde nach derzeitigem Wissensstand durch einen zoonotischen Krankheitserreger verursacht.

Wissenschaftler der University of North Carolina at Chapel Hill berichten nun im Fachblatt Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), dass es neben Sars-CoV-2 möglicherweise ein weiteres Coronavirus gibt, welches ebenfalls eine Gefahr für die Weltbevölkerung darstellen könnte.

Das Swine Acute Diarrhea Syndrome Coronavirus (Sads-CoV) infizierte bislang in China primär Schweine. Genetische Analysen deuten darauf hin, dass dessen Ursprung ähnlich wie Sars-CoV-2 in Fledermäusen liegen könnte. Zwischen 2016 und 2017 befiel der Erreger Hausschweine in Zuchtanlagen: Rund 25.000 Tiere starben um den Jahreswechsel 2016/2017. Für Ferkel stellt eine Infektion eine besonders große Bedrohung dar: Fast 90 Prozent sterben im Krankheitsfall.

Ausbrüche bei Schweinen wurden bisher ausschließlich aus China berichtet.

Kann Menschen befallen

Das Wissenschaftsteam der University of North Carolina konnte nachweisen, dass Sads-CoV auch menschliche Zellen (und auch jene von Affen und Katzen) befallen kann. Bei Tests unter Laborbedingungen mit Zellkulturen offenbarte sich, dass sich das Virus im menschlichen Lungen- und Verdauungstrakt vermehren kann. Bei weiteren Versuchen mit immunschwachen oder immunkompetente Mäusen kam es allerdings nicht zu einer nennenswerten Virusvermehrung oder gar Krankheit.

Folgestudien sollen untersuchen, wie das Schweine-Coronavirus die Zellen genau attackiert.

"Potenzielles Hochrisiko-Coronavirus"

Studienleiterin Caitlin Edwards betont, dass "die Studienergebnisse zeigen, dass das Wirtspektrum von Sads-CoV sehr breit ist und auch den Menschen umfasst". Die Wissenschafter erklären, dass "sich Sads-CoV damit als potenzielles Hochrisiko-Coronavirus manifestiert, das die globale Gesundheit und Wirtschaft beeinträchtigen könnte".

Bisher wurden weder in China noch anderswo Fälle dokumentiert, in denen Sads-CoV von Schweinen auf den Menschen übergesprungen sind.

Tierschützer kritisieren seit vielen Jahren die Haltungsbedingungen in Zucht- und Mastbetrieben. In den engen und häufig unhygienischen Bedingungen könnten demnach neue Krankheitserreger schnell tausende Tiere infizieren und durch die große Zahl an potentiellen Wirten auch schneller mutieren.

Auch neues Schweinegrippe-Virus entdeckt

Im Juni dieses Jahres warnten chinesische Forscher bereits vor einem neuen Influenzavirus-Stamm mit der Bezeichnung G4. Dieser Stamm hat Ähnlichkeiten mit dem Schweinegrippevirus von 2009/2010. Für die Studie – sie erschien im Fachmagazin PNAS – wurden Nasenabstriche von fast 30.000 Schweinen aus Schlachthäusern in zehn Provinzen analysiert.

Diese Abstriche wurden zwischen 2011 und 2018 entnommen. Dabei fanden die Wissenschaftler 179 Influenzavirusvarianten, bei einem Großteil davon handelte es sich um den Stamm G4.

"Die Häufigkeit dieses G4-Virus hat seit 2016 in diesen Schweinen stark zugenommen und es ist der dominierende Typ, der in den Schweinen zirkuliert", schreiben die Forscher. Und: "Diese G4-Viren haben alle essenziellen Kennzeichen, die sie zu einem Kandidaten für ein pandemisches (sich weltweit ausbreitendes, Anm.) Virus machen."

Allerdings sind diese 30.000 Tiere nur ein ganz kleiner Ausschnitt der Realität: Insgesamt gibt es 500 Millionen Schweine in China.