Der Pionier der Lungentransplantation beendet seine Karriere
Ein weltweit bekannter Wiener Spitzenchirurg geht. 33 Jahre nach der ersten durchgeführten Lungentransplantation (1989) beendet der Thoraxchirurg und Schöpfer eines der weltweit größten Zentren für LTX-Eingriffe am AKH/MedUni Wien, Walter Klepetko, mit einem Symposium und einer Feier am kommende Freitag seine Karriere. Die Eingriffe sicherten Tausenden schwerst Lungenkranken - zuletzt auch Covid-19-Patientinnen und Patienten - ein Überleben.
"Die chirurgische Technik ist heute bei den Lungentransplantationen sehr, sehr ausgereizt. Die Verbesserungsmöglichkeiten sind vor allem vom medizinischen Fortschritt zur besseren langfristigen Beherrschung der Abstoßungsreaktion bzw. zum Erreichen einer immunologischen Toleranz des Organempfängers gegenüber dem Spenderorgan abhängig", sagte der 1955 geborene Klepetko gegenüber der APA. Klepetko war lange Jahre Chef der Klinischen Abteilung für Thoraxchirurgie, ab 2019 bis zu einer Neuorganisation auch Vorstand der gesamten Chirurgischen Universitätsklinik der MedUni Wien/AKH.
Unter Leitung des gebürtigen Wieners - ein Schüler des Herzchirurgen Ernst Wolner - wurde von ihm und seinem Team an der MedUni Wien eines der weltweit renommiertesten thoraxchirurgischen Zentren aufgebaut. Während sich Klepetko in den vergangenen Jahren vor allem der Tumorchirurgie widmete, bleibt sein Wirken mit der Lungentransplantation (LTX) verbunden. In Wien wurden seit 1989 rund 2.500 solcher Eingriffe durchgeführt. Parallel dazu etablierten Klepetko und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das größte Ausbildungszentrum Europas (Vienna LungTX-Academy) für solche Operationen, gleichrangig mit einem Kooperationszentrum in Toronto in Kanada.
Die ersten derartigen Eingriffe erfolgten in den USA bereits in den 1960er-Jahren. Bis zur Einführung des für praktisch alle Organtransplantationen revolutionierenden Medikaments Cyclosporin zur Beherrschung der Abstoßungsreaktion starben de facto alle Patientinnen und Patienten binnen kurzer Zeit. "Wir erreichen heute bei Lungentransplantationen eine Ein-Jahres-Überlebensrate von 93 Prozent, für fünf Jahre beträgt sie 75 Prozent", berichtete der Wiener Chirurg.
Die Frühgeschichte, so der Spezialist: "Interessanterweise gab es in Wien schon in den 1970er-Jahren erste Versuche im Tierversuch. Das wurde aber wieder aufgegeben. Professor Wolner meinte 1986, man sollte die Lungentransplantation wieder angehen. Ich habe mich als 'Jungspund' zu engagieren begonnen. 1989 (8./9. November; Anm.) war es dann soweit. Wir haben die erste Lungentransplantation durchgeführt. Die Problematik war damals vor allem, für diese Eingriffe die geeigneten Patienten zu finden. Dann hatten wir den ersten 'idealen' Patienten. Die einseitige (ein Lungenflügel; Anm.) Lungentransplantation dauerte damals noch neun Stunden. Dieser Patient überlebte dann viereinhalb Jahre."
Schwerste Lungenerkrankungen
Während in der Frühzeit der LTX-Eingriffe zumeist beide Lungenflügel und das Herz gleichzeitig transplantiert wurden, ging man später dazu über, zumeist einen Lungenflügel zu transplantieren. Es gibt auch Teil-Transplantationen von Lungengewebe. 1993 erfolgte in Nordamerika erstmals eine Lungentransplantation nach Lebendspende von Lungengewebe.
Für solche Eingriffe kommen nur Menschen mit schwersten Lungenerkrankungen infrage. "40 Prozent sind Patienten mit einem Lungenemphysem (Lungenblähung vor allem wegen COPD; Anm.). 30 Prozent machen Patienten mit einer idiopathischen Lungenfibrose (fortschreitende Vernarbung der Lunge, Anm.) aus. 15 Prozent sind Menschen mit zystischer Fibrose (Mukosviszidose; Anm.). Der Anteil sinkt, weil sich die medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten verbessert haben. Wir haben aber auch mehr als 35 Patienten mit Lungenversagen aufgrund von Covid-19 transplantiert", sagte Klepetko.
Auch die internationalen Transplantationsstatistiken belegen eindeutig die Spitzenstellung des Wiener Zentrums: 2021 - mitten in der Covid-19-Pandemie - wurden in Wien 114 LTX-Eingriffe durchgeführt, in Österreich sonst nur noch neun in Innsbruck. In einem 22 Staaten umfassenden Vergleich liegt Österreich mit 11,2 Lungentransplantationen pro einer Million Einwohner weit an der Spitze. In Kanada (Toronto) waren es 8,6 Eingriffe pro Million Einwohner (zweite Stelle), in Deutschland nur 4,1 solcher Operationen pro einer Million Einwohner. "Die Wartefrist für einen solchen Eingriff beträgt in Österreich derzeit drei bis sechs Monate. Die dringendsten Fälle werden priorisiert", sagte der Chirurg. Die hohen Fallzahlen in Wien führten zu einer großen Zahl hoch bewerteter wissenschaftlicher Publikationen. 2017 bestieg Klepetko übrigens mit zehn seiner Patienten sogar den Kilimandscharo.
2018 erhielt Ex-Formel 1-Star Niki Lauda am Wiener AKH einen Lungenflügel transplantiert. "Ich selbst habe seit Jahren keine Lungentransplantation mehr durchgeführt und auch Niki Lauda nicht operiert", erzählte Klepetko jetzt. Hoch komplexe Eingriffe sind in der modernen Chirurgie immer Teamarbeit, längst nicht mehr Einzel-Operateurs-Heroentum. 2021 übernahm Konrad Hötzenecker die Leitung der Klinik von Klepetko.
Neben den Lungentransplantationen hat der nunmehr Emeritierende vor allem mit Studien zur Kehlkopf- und Trachealchirurgie sowie in der Chirurgie des Lungenkarzinoms reüssiert. Die LTX-Entwicklung aber war einfach ein bestimmender Faktor, sie wurde von Wien aus maßgeblich beeinflusst. Klepetko: "Wir haben beispielsweise sehr früh die Eingriffe unter Verwendung von ECMO durchzuführen begonnen. Das ist schonender für das Spenderorgan und hält die Patienten stabiler." Erst vor kurzem sind die neuen internationalen Leitlinien für Lungentransplantationen mit Co-Autorenschaft von Klepetko veröffentlicht worden, in denen für solche Eingriffe die Verwendung der extrakorporalen Blut-Oxygenierung statt ehemals die Verwendung von Herz-Lungen-Maschinen als Standard festgelegt worden ist.
Klepetko und sein Team hatten - abseits der an sich schon Top-Belastungen durch die ihre Arbeit selbst - auch sonst nicht immer ruhige Zeiten. 2019 wurden in der Süddeutschen Zeitung Vorwürfe aus anonymer Quelle wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten rund um Patientenpriorisierung bzw. Zuteilung von Spenderorganen erhoben. Mittlerweile haben mehrfache Untersuchungen, so auch durch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) in Wien, alle Vorwürfe entkräftet. Der Rektor der MedUni Wien sprach im Frühjahr 2022 im Nachrichtenmagazin "profil" dazu von einem "Komplott, das lange vorbereitet war".