Demenzforschung: Neue Ansätze mit großen Datenbanken und Genetik
Obwohl weltweit Millionen Menschen an Demenz leiden, ist wenig über die Ursachen bekannt. Um die Risikofaktoren für diese häufige neurologische Erkrankung besser identifizieren zu können, wird die Wissenschaft in Zukunft auch verstärkt auf „ Big Data“ und Genforschung setzen, erklären Experten beim Kongress der European Academy of Neurology in Lissabon.
Bewegung
Großes Interesse gilt in der Demenzforschung der Frage, ob und wie körperliche Aktivität der Demenzerkrankung vorbeugen kann. „Wir wissen heute, dass ein guter körperlicher Zustand auch für ein gesundes Gehirn sorgt. Beobachtungsstudien lassen zudem vermuten, dass Menschen, die sich viel bewegen, auch einen besseren kognitiven Status haben“, sagt Prof. Ana Isabel Verdelho.
Risikofaktoren für Demenz
Die größten Risikofaktoren für Demenz sind bereits gut bekannt: „Risikofaktor Nummer eins ist das Alter – je älter man ist, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit dement zu werden“, erklärt die Neurologin. Ein zweiter Risikofaktor hängt mit dem Bildungsgrad zusammen: „Sind Menschen ihr Leben lang geistig aktiv, so startet bei ihnen die Demenz-Erkrankung später. Vielleicht liegt das auch daran, dass sich bei einem ständig ,trainierten‘ Gehirn Defizite erst später zeigen.“ Weiters sind vaskuläre Faktoren wie Bluthochdruck, Diabetes, Adipositas und Cholesterin entscheidend. „Das wirkt sich insbesondere dann aus, wenn diese negativen Faktoren schon in frühen Jahren gegeben sind. Wir haben das Problem, dass sich die meisten Menschen nicht schon in ihren 30er- oder 40er-Jahren untersuchen lassen, um festzustellen, ob sie Bluthochdruck haben. Wir sollten daher auch aus Gründen der Demenzprävention früher mit den Vorsorgeuntersuchungen beginnen“, sagt Verdelho. Bekannt ist auch, dass Ernährung eine wichtige Rolle spielt. „Wie in vielen anderen Gesundheitsbereichen auch, erwies sich die Mittelmeerdiät – also eine Ernährung mit viel Fisch, Gemüse und Olivenöl – als förderlich für die Demenzprävention.“
Big Data verbessert Demenzforschung
Ein Problem der Demenzforschung ist, dass die Symptome der Erkrankung lange unsichtbar bleiben, bis sie die Person merkbar beeinträchtigen. „Es ist daher schwierig, Patienten für randomisierte Studien zur Demenzvorbeugung zu finden“, so Verdelho. Dazu kommt, dass aus Studien gewonnen Daten nur Schlüsse auf die ausgesuchten Patientengruppen und nicht auf die allgemeine Bevölkerung zulassen. Fortschritte erhofft sich die Forschung daher vom sogenannten „Big Data-Ansatz“, bei dem immer größere Datenmengen in immer kürzerer Zeit erfasst, verknüpft und analysiert werden. Die Möglichkeiten von „ Big Data“ sind vielversprechend: „Damit könnten wir unsere Modelle vom Verlauf der Demenz verbessern, die Risikofaktoren und die Ursachen der Krankheit besser verstehen und früher diagnostizieren. Außerdem lässt sich die Verteilung von Ressourcen optimieren und maßgeschneiderte Behandlungen für Patienten mit speziellen Krankheitsverläufen zur Verfügung stellen“, sagt Verdelho.
Auf den Spuren von Demenz-Genen
Ein weiterer relativ neuer Ansatz in der Demenzforschung ist die Genetik bzw. Gen-Diagnose. „Davon werden wir in der Zukunft sehr profitieren. Noch hat aber auch dieser Ansatz keine wirksame Therapie zur Heilung der Demenz oder Verlangsamung ihres Fortschreitens hervorgebracht“, berichtet die Demenzexpertin. Bekannt ist, dass die Varianten von drei Genen – UNC5c, ENC1 und TMEM106B – die Widerstandsfähigkeiten gegenüber pathologischen Veränderungen erhöhen, wie sie bei Alzheimer, Schlaganfall und anderen Neoropathologien entstehen. TMEM106B ist außerdem als protektives Gen bei der Entwicklung frontotemporaler Demenzen bekannt. Bei der Alzheimer Erkrankung, die 50 bis 75 Prozent der Demenz-Fälle ausmacht, wurden schon vor 30 Jahren die Gene (APP, PSEN1, PSEN2) entdeckt, die mit der Ätiologie dieser Erkrankung verbunden sind. „Bei diesen ‚Alzheimer-Genen‘ gibt es allerdings auch Mutationen, deren Pathogenität unbekannt ist. Und es gibt noch keinen Test, wie wir die Gen-Variante, die Alzheimer entstehen lässt, von den neutrale Varianten unterscheiden können“, sagt Verdelho und fasst zusammen: „Die Widerstandsfähigkeit des Gehirns gegenüber pathologischen Veränderungen könnte entscheidend von den genetischen Grundlagen abhängen. Aus weiteren Erkenntnissen über den protektiven Mechanismus dieser Gene könnten wir neue Therapien gegen Demenz entwickeln.“