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Ein gutes Leben ohne Arme und Beine

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Mit der Nasenspitze bedient er sein Smartphone. Mit der rechten Kunsthand legt er das Telefon ans Ohr, steuert damit auch den Hightech-Rollstuhl, die Kaffeemaschine und die Automatik seines ursprünglich für Contergan-Opfer entwickelten Autos.

Dabei beeindruckt nicht nur die Selbstverständlichkeit, mit der sich der Psychologe Georg Fraberger ohne Arme und Beine durchs Leben bewegt, sondern auch die Klarheit seiner Gedanken. Einen Teil davon hat er in seinem neuen Buch Ein ziemlich gutes Leben festgehalten.

Was denn an seinem Leben gut sein soll, fragte ihn ein Barbesitzer, nachdem er Frabergers erstes Buch Ohne Leib, mit Seele gelesen hat. "Das Glück ist nicht immer lustig", antwortete der Psychologe. Natürlich tut es ihm im Herzen weh, wenn er seine Kinder vor dem Fußgängerübergang anbrüllen muss, "weil ich sie nicht zurückhalten kann". Doch die Kinder werden lernen, mit seiner Behinderung umzugehen. Und sie werden bemerken, dass ihr Vater ein erfülltes Leben führen kann, "weil ich der sein kann, der ich bin".

Der Schmerz ist weg

Viel zu seiner Zufriedenheit beigetragen haben seine Eltern. Rückblick in das Jahr 1973: In der Geburtenstation eines Wiener Krankenhauses hat man seinen Vater gefragt, ob man das behinderte Kind "weggeben" soll. Doch sein Vater, ein Schneider, hat energisch den Kopf geschüttelt. "Nein, nein, nein. Unseren Buben nehmen wir!" Fraberger spricht mit großem Respekt von seinen Eltern.

Im Kindergarten habe er bemerkt, dass sein Körper anders ist als die der anderen Kinder. "Ich musste dann lernen, mich mit den anderen zu freuen – zum Beispiel dann, wenn sie schön getanzt haben." Ein Fotokurs, den er mit 13 besucht hat, habe ihm "bei diesem mühsamen Lernprozess geholfen". Was folgte, war eine Erleichterung: "Seitdem ich mich mit anderen freuen kann, ist der Schmerz weg."

Auch seine beiden jüngeren, nicht-behinderten Brüder sieht er als großes Glück an: "Weil ich bemerkt habe, dass auch sogenannte normale Menschen mit den selben Freuden, Wünschen und Sorgen aufwachsen wie ich."

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Will der Mann ohne Hände ausdrücken, was ihn innerlich bewegt, bewegt er den linken Armstummel zur Bekräftigung seiner Worte. Das ist auch so, wenn er über seine geliebte Frau spricht: "Sie ist mein Du. Sie erkennt mich. Sie mag mich, wie ich bin."

Erfüllte Sexualität

Im neuen Buch widmet sich der Psychologe, der im Wiener Allgemeinen Krankenhaus arbeitet und dort täglich Krebspatienten Mut zuspricht, auch dem schwierigen Kapitel Sexualität. "Sie ist ein direkter Zugang zum Herzen. Wichtiger als das Körperliche ist das Mitgefühl, das man für den anderen Menschen aufbringen muss."

Auf die Frage, wie wichtig Sexualität ist, erklärt der Psychologe: "Sie hat einen sehr hohen Stellenwert."

Die Arbeit ruft. Unglaublich, wie er seine Patienten beeindruckt. Die Begründung dafür liefert er unbewusst selbst: "Ich bin einfach ein fröhliches Wesen."

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Georg Fraberger kam 1973 in Wien ohne Gliedmaßen zur Welt. Nach seinem Psychologie-Studium an der Uni Wien hat er ein Jahr als Assistent in einer neurologischen Abteilung in Somerset (England) gearbeitet. Seit 2002 ist er klinischer Psychologe an der Wiener Uniklinik für Orthopädie.

Sein neues Buch

Nach seinem Erstling "Ohne Leib, mit Seele" präsentiert der Psychologe jetzt sein zweites Buch. Darin geht er auf den Luxus des Denkens ein, den er sich als Psychologe während seiner Arbeitszeit leisten kann. Georg Fraberger: Ein ziemlich gutes Leben, Ecowin-Verlag, 176 Seiten, 22,95 €.