Wie Panini das Pickerl-Business optimiert
Von Anita Staudacher
Sackerl kaufen, aufreißen, Album aufschlagen, Nummer suchen, einkleben, durchatmen: Die Pickerl-Jagd hat wieder begonnen.
Seit 22. März ist in Österreich das neue, von den Sammelfreaks jeden Alters bereits heiß ersehnte Album für die Fußball-EM 2016 in Frankreich erhältlich. Die Sticker gibt’s im Einzelsackerl oder Sammelpackungen bei mehr als 10.000 Verkaufsstellen.
Immer mehr Felder
Von Großereignis zu Großereignis wird das Pickerl-Business noch mehr ausgereizt. Mehr Felder, mehr Umsatz: Waren es vor einigen Jahren noch zwischen 300 und 400 Sticker, die ins EM-Album geklebt werden mussten, so sind es heuer schon 680. Der Preis für ein 5-er-Sackerl beträgt stolze 70 Cent. Zum Vergleich: Bei der EURO 2008 waren es erst 60 Cent.
Eine ganz bewusste Verknappung mancher Pickerl zwecks Umsatzoptimierung wird heftig dementiert. Die Italiener versichern, dass von jedem Spieler exakt gleich viele Teile gedruckt werden. Eine eigene Misch- und "Einsack"-Maschine sorgt dafür, dass kein Pickerl doppelt in einem Sackerl steckt. "Fifimatic", so heißt die Erfindung von Umberto Panini aus dem Jahre 1964, ist nach wie vor das Herzstück der Fabrik. 25 dieser Maschinen stehen heute noch im Werk in Modena. Rund 70 Mitarbeiter arbeiten dort im Dreischichtbetrieb, sechs Tage die Woche. Insgesamt beschäftigt die Panini-Gruppe mehr als 1000 Mitarbeiter in zwölf Tochterunternehmen. Mit einem Umsatz von 751 Mio. Euro (2014) ist das Unternehmen weltgrößter Verleger von Sammelprodukten.
150 Milliarden Sticker
Alternativen zum offiziellen Panini-Album gibt es inzwischen einige. Eines mit sozialem Anspruch ist das Schweizer "tschutti heftli". Alle Abbildungen der Kicker werden hier von Grafikern und Künstlern individuell gestaltet. Der Erlös kommt sozialen Projekten zugute. Die bfi-Wien-Tochter JobTransFair bringt das tschutti heftli heuer erstmals auch in den österreichischen Handel.
Täglich acht Millionen bunte Abziehbilder stellt Panini derzeit her – und verkauft sie zum Stückpreis von 14 Cent. Bei 100 Länder, in denen die billig erzeugten Pickerl zu kaufen sind, ein schönes Salär. Der psychologisch höchst interessante Sammel-Gruppendruck macht’s möglich.
Wen wundert’s also, dass Handelsketten und Boulevardblätter sich den Stickerwahn längst zu Nutze machen. Als Nachahmungstäter sackeln sie allerlei Getier ein, um schon die Kleinsten bei ihrer Sammelwut und ihre Eltern bei der Geldbörse zu packen.
Kaum zu glauben, dass die Politik diese Urinstinkte noch nicht für ihre Zwecke genutzt hat. Zum Beispiel, um die müde Bevölkerung wieder für die Europäische Union (EU) zu begeistern.
Vorschlag an die Brüsseler Bürokraten: Macht doch ein buntes EU-Sammelalbum mit den Spitzenpolitikern, Pop-Stars, Sehenswürdigkeiten aller 28 EU-Länder. Für Nostalgiker könnte es als Sonderedition auch die früheren Währungen der Euro-Länder geben.
Mindestens 1000 Hochglanz-Bilder, jeweils fünf im blauen, mit EU-Logo verzierten Sackerl um zwei Euro. Der zu erwartende Milliarden-Erlös könnte den Juncker-Investitionsplan endlich Leben einhauchen. Und die Tauschbörsen würden über alle EU-Grenzen hinweg die Menschen endlich zusammenbringen: Tausche sieben Werner Faymanns gegen eine Angela Merkel könnte es dann heißen. Oder: Wer hat noch die Tower-Bridge, bevor der Brexit kommt? - Anita Staudacher