Wirtschaft

Wie Panini das Pickerl-Business optimiert

Sackerl kaufen, aufreißen, Album aufschlagen, Nummer suchen, einkleben, durchatmen: Die Pickerl-Jagd hat wieder begonnen.

Seit 22. März ist in Österreich das neue, von den Sammelfreaks jeden Alters bereits heiß ersehnte Album für die Fußball-EM 2016 in Frankreich erhältlich. Die Sticker gibt’s im Einzelsackerl oder Sammelpackungen bei mehr als 10.000 Verkaufsstellen.

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Die Druckmaschinen beim italienischen Hersteller Panini in Modena laufen auf Hochtouren. "Wir peilen eine Produktion von sieben bis acht Millionen Packerl am Tag an, zumindest noch im Monat März", sagt Produktionsleiter Giuseppe Tagliavini. Österreich habe laut Panini eine Sonderstellung, in keinem anderen Land sei die "Pro-Kopf-Sammelquote" höher als in Österreich. Eine konkrete Zahl, wie viele Abziehbildchen denn in den nächsten Wochen verkauft werden, gibt es nicht. "Österreich ist aber einer der wichtigsten europäischen Märkte für uns", heißt es auf Nachfrage, "wir haben daher heuer eine eigene Sonderedition für das Land gedruckt." 20 heimische Kicker, angeführt von Bayern-Star David Alaba, schafften den Sprung ins offizielle EM-Album.

Immer mehr Felder

Von Großereignis zu Großereignis wird das Pickerl-Business noch mehr ausgereizt. Mehr Felder, mehr Umsatz: Waren es vor einigen Jahren noch zwischen 300 und 400 Sticker, die ins EM-Album geklebt werden mussten, so sind es heuer schon 680. Der Preis für ein 5-er-Sackerl beträgt stolze 70 Cent. Zum Vergleich: Bei der EURO 2008 waren es erst 60 Cent.

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Wenn jemand ohne zu tauschen das EM-Album füllen will, muss er laut "Panini-Weltformel" des deutschen Informatikers Andreas Binzenhöfer im Schnitt ca. 440 Euro dafür ausgeben. Die Formel stammt allerdings aus dem WM-Jahr 2006, als das Album "nur" 596 Felder hatte und die Pickerl weniger kosteten. Auf heutige Verhältnisse umgelegt wären dies schon 840 (!) Euro. Wer genau 680 Pickerl kauft und erfolgreich tauscht, kann den Preis auf 95 Euro pro Album drücken. Panini ist es freilich lieber, wenn die fehlenden Bilder im Album brav nachbestellt werden – ein wichtiger Mehrumsatz.

Eine ganz bewusste Verknappung mancher Pickerl zwecks Umsatzoptimierung wird heftig dementiert. Die Italiener versichern, dass von jedem Spieler exakt gleich viele Teile gedruckt werden. Eine eigene Misch- und "Einsack"-Maschine sorgt dafür, dass kein Pickerl doppelt in einem Sackerl steckt. "Fifimatic", so heißt die Erfindung von Umberto Panini aus dem Jahre 1964, ist nach wie vor das Herzstück der Fabrik. 25 dieser Maschinen stehen heute noch im Werk in Modena. Rund 70 Mitarbeiter arbeiten dort im Dreischichtbetrieb, sechs Tage die Woche. Insgesamt beschäftigt die Panini-Gruppe mehr als 1000 Mitarbeiter in zwölf Tochterunternehmen. Mit einem Umsatz von 751 Mio. Euro (2014) ist das Unternehmen weltgrößter Verleger von Sammelprodukten.

150 Milliarden Sticker

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Das erste Sticker-Album erschien übrigens 1961 mit Bildern des italienischen Fußballteams, 1974 gab’s die erste WM-Edition mit deutschen Texten. In den vergangenen 20 Jahren wurden insgesamt 150 Milliarden Sticker produziert und in 100 Länder der Welt verkauft.

Alternativen zum offiziellen Panini-Album gibt es inzwischen einige. Eines mit sozialem Anspruch ist das Schweizer "tschutti heftli". Alle Abbildungen der Kicker werden hier von Grafikern und Künstlern individuell gestaltet. Der Erlös kommt sozialen Projekten zugute. Die bfi-Wien-Tochter JobTransFair bringt das tschutti heftli heuer erstmals auch in den österreichischen Handel.

Täglich acht Millionen bunte Abziehbilder stellt Panini derzeit her – und verkauft sie zum Stückpreis von 14 Cent. Bei 100 Länder, in denen die billig erzeugten Pickerl zu kaufen sind, ein schönes Salär. Der psychologisch höchst interessante Sammel-Gruppendruck macht’s möglich.

Wen wundert’s also, dass Handelsketten und Boulevardblätter sich den Stickerwahn längst zu Nutze machen. Als Nachahmungstäter sackeln sie allerlei Getier ein, um schon die Kleinsten bei ihrer Sammelwut und ihre Eltern bei der Geldbörse zu packen.

Kaum zu glauben, dass die Politik diese Urinstinkte noch nicht für ihre Zwecke genutzt hat. Zum Beispiel, um die müde Bevölkerung wieder für die Europäische Union (EU) zu begeistern.
Vorschlag an die Brüsseler Bürokraten: Macht doch ein buntes EU-Sammelalbum mit den Spitzenpolitikern, Pop-Stars, Sehenswürdigkeiten aller 28 EU-Länder. Für Nostalgiker könnte es als Sonderedition auch die früheren Währungen der Euro-Länder geben.

Mindestens 1000 Hochglanz-Bilder, jeweils fünf im blauen, mit EU-Logo verzierten Sackerl um zwei Euro. Der zu erwartende Milliarden-Erlös könnte den Juncker-Investitionsplan endlich Leben einhauchen. Und die Tauschbörsen würden über alle EU-Grenzen hinweg die Menschen endlich zusammenbringen: Tausche sieben Werner Faymanns gegen eine Angela Merkel könnte es dann heißen. Oder: Wer hat noch die Tower-Bridge, bevor der Brexit kommt? - Anita Staudacher