Öffentliche Hand ist schuld an Inflation
Von Christine Klafl
Im Vorjahr stiegen die Verbraucherpreise in Österreich nur um 0,8 Prozent. Das war – mit Ausnahme des Wirtschaftskrisenjahres 2009 – die geringste Teuerung seit 1999. Für Konsumenten ein Grund zum Freuen, könnte man meinen. Aber: Im Euroraum hatte mit Malta nur ein einziges Land eine höhere Inflationsrate. Im Durchschnitt der Eurozone blieben die Preise im Vorjahr unverändert, in Deutschland legten sie gerade einmal um 0,1 Prozent zu.
Das Vorjahr war alles andere als ein Ausreißer. Schon seit dem Jahr 2010 steigt in Österreich das Preisniveau schneller als beim großen Nachbarn. Österreich kam auf einen durchschnittlichen Inflationswert von 2,1 Prozent pro Jahr, Deutschland nur auf 1,4 Prozent. Was steckt hinter dieser Differenz? Stefan Bruckbauer, Chefökonom der Bank Austria, hat die Unterschiede analysiert und die "Haupttäter" identifiziert.
Administrierte Preise Wassergebühren, Müllabfuhr, Kanal, Reisepass, Rezept, Maut, Briefporto oder Tickets für den öffentlichen Verkehr – die Liste an Gebühren und Tarifen, die die öffentliche Hand festlegt, ist lang. Und teuer: Im Zeitraum von 2010 bis 2015 trugen die administrierten Preise jährlich 0,3 Prozentpunkte zur Inflation bei (siehe Grafik). Dazu kommen weitere 0,1 Prozentpunkte in Form von indirekten Steuern. Im speziellen Fall ist hier die Erhöhung der Mineralölsteuer Anfang 2011 zu nennen.
In Deutschland fielen die administrierten Preise fast nicht ins Gewicht, indirekte Steuern gar nicht.
"Die administrierten Preise und indirekten Steuern sind fast für die Hälfte der Inflationsdifferenz zwischen Österreich und Deutschland verantwortlich", fasst Bruckbauer zusammen. Die Begründung: Deutschland ging mit einem Nulldefizit in die Finanz- und Wirtschaftskrise und musste keine Haushaltssanierung betreiben. Österreich hatte dagegen ein strukturelles Defizit. "Wir haben aber nicht die Ausgaben gesenkt, sondern die Einnahmen erhöht", sagt Bruckbauer.
Mieten Um durchschnittlich 3,9 Prozent jährlich stiegen die Mieten in Österreich seit 2010, in Deutschland nur um 1,3 Prozent. Die Politik habe es verabsäumt, mehr für den öffentlichen Wohnbau zu tun, meint Bruckbauer. Bei einem größeren Angebot an Wohnraum würden die Preise nicht so stark steigen. Wie hoch der Druck in diesem Bereich ist, zeigt eine andere Zahl: In Österreich ist die Bevölkerung seit dem Jahr 2008 um 3,5 Prozent angewachsen, in Deutschland dagegen um ein Prozent geschrumpft. Die Eurostat-Schätzung für die nächsten zehn Jahre (große Flüchtlingsbewegungen nicht berücksichtigt): Österreichs Bevölkerung wird um weitere acht Prozent zunehmen, jene in Deutschland noch einmal um ein Prozent kleiner werden.
Dienstleister Der personalintensive Dienstleistungssektor trägt seit 2010 überproportional stark zur Teuerung bei. In Deutschland ist der Einfluss nur halb so stark. Die heimischen Dienstleister verdienen sich dabei keine goldene Nase, sondern leiden darunter, "dass die Belastung des Faktor Arbeit in Österreich überdurchschnittlich hoch ist", lautet Bruckbauers Analyse. Österreich brauche weniger Regulierungen, aber mehr und einfachere Unternehmensgründungen. Vor allem im Gastgewerbe und in der Hotellerie gelte: Weniger Regulierung würde den Kostenauftrieb reduzieren – und damit die Letztverbraucherpreise und die Inflation dämpfen. Die Zahlen der jüngeren Vergangenheit dazu: In Österreichs Gastronomie gab es allein durch die stärkere Abgabenbelastung des Faktors Arbeit jährlich eine um 0,2 Prozentpunkte höhere Teuerung als in Deutschland.
Telefonieren & Co. Im Bereich Nachrichtenübermittlung fallen vor allem die Telefontarife auf. Die sind in Österreich zwar noch immer nicht sündteuer, sind seit 2010 aber um durchschnittlich 2,1 Prozent pro Jahr gestiegen. Unter anderem, weil es weniger Anbieter gab, durch den Kauf teurer Frequenzen und durch den Netzausbau. In Deutschland fielen die Tarife im selben Zeitraum um 1,7 Prozent pro Jahr. Im Bereich Gesundheitspflege wiederum hatte Österreich Teuerungen von 2,2 Prozent vorzuweisen, Deutschland dagegen nur von 0,5 Prozent. Hauptverantwortlich dafür war die Abschaffung der Praxisgebühr.
Die gute Nachricht für heimische Konsumenten: Durch die Steuerreform bleibt mehr Netto vom Brutto übrig. Das heißt: Auch die Realeinkommen (abzüglich der Inflation) werden entlastet. Die Aussichten sind allerdings nicht rosig, denn die Inflation wird viel von diesem Vorteil wieder wegknabbern. Heuer wird die Teuerung in Österreich laut Prognose der Bank Austria voraussichtlich 1,4 Prozent ausmachen und damit erneut höher sein als in Deutschland, wo es eine Teuerung von nur 0,6 Prozent geben wird.
Die Statistik Austria berechnet den Verbraucherpreisindex VPI anhand eines Warenkorbes, der rund 800 Waren und Dienstleistungen enthält. Der Warenkorb soll ein durchschnittliches Verbraucherverhalten simulieren. An diesem Index orientieren sich etliche Verträge, z. b. für Mieten, Leibrenten und vieles andere.
HVPIIm Unterschied zum VPI werden beim Harmonisierten Verbraucherpreisindex auch die Ausgaben ausländischer Touristen in Österreich berücksichtigt. Restaurants und Hotels sind in diesem Index stärker gewichtet als im VPI. Der HVPI wird für Vergleiche mit der Preisentwicklung in anderen Ländern herangezogen. In dem obigen Artikel wurden der HVPI und Teilindices herangezogen.
KörbeDaneben berechnet die Statistik die Preisentwicklung etwa eines Tages- oder Wocheneinkaufs, von öffentlichen Gebühren oder die Belastung von Autofahrern.