Wirtschaft

Protest vor der IAA: "E-Autos nehmen genauso Platz weg"

Ein schwarzer Block ist schon frühmorgens zu sehen. Nein, es sind keine Demonstranten: Polizisten in schwarzer Uniform haben sich vor dem Haupteingang zur Internationalen Automobilitätsmesse IAA aufgebaut. Kurz darauf sitzen die ersten Aktivisten des Bündnisses „Sand im Getriebe“ in weißen Overalls am Boden und halten Plakate in die Luft: „Autos sind überholt“ oder „Spielplätze statt Parkplätze“. Ihre Forderungen: autofreie Städte, kostenloser öffentlicher Nahverkehr und Ausbau von Fahrradwegen.

Gab es am ersten Besuchertag bei den Fahrraddemos und Fußgängerprotesten kaum Berührung zwischen Messebesuchern und Protestierenden, kommen sie am Sonntag nicht aneinander vorbei. Da wären jene, die am Weg zur IAA sind, und Autos als alternativlos sehen oder davon fasziniert sind. Und davor sitzend jene, die darin keine Zukunft sehen, sondern einen Stadtpanzer, der Platz verbraucht und für einen immensen Anteil an Co2-Emissionen verantwortlich ist.

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Viele der Demonstranten kommen aus Frankfurt, wie Carsten, der am Zentrum für Naturwissenschaften promoviert und überzeugt ist, dass die Verkehrswende kommen wird. Jetzt verteilt er Flyer und erklärt einem älteren Mann, warum sie hier protestieren. Die Reaktionen darauf sind unterschiedlich: Manche kommen aus der U-Bahn und sind erstmal verwirrt, Polizisten lotsen sie zu den freien Eingängen weiter; Andere bleiben stehen und machen Fotos oder hören sich die Aktivisten an, wie Frank aus Bremen. Er ist überzeugt, dass es mit dem Individualverkehr nicht mehr so weiter gehen kann. Er hat seit drei Jahren kein Auto mehr und benutzt Car-Sharing. Zur Messe will er trotzdem, „einfach mal ansehen“.

Lange Zeit bleibt es relativ ruhig, die Polizei wirkt entspannt. Nur als Aktivisten später vor weiteren Zugängen sitzen und skandieren, wird es emotional. Ein Messebesucher schreit ihnen zu: „I want to drive fast, I want to drive a SUV.“ Ein anderer findet, ihm würde der Besuch vermiest werden. Teils kommt es zu Rangeleien. Laut Polizei sei aber alles „im Großen und Ganzen friedlich verlaufen“. Ihre Blockaden erklären die Aktivisten damit, dass sie ein Zeichen „gegen das zerstörerische Verkehrssystem“ setzen wollen, für das die Automesse nach wie vor stehe. Menschen wolle man damit nicht treffen, heißt es.

Wie die Verkehrswende aussehen könnte

Wie die von ihnen geforderte Verkehrswende aussehen kann, darüber wird am Sonntag ebenfalls debattiert. „Scientists for Future“ haben auf einer Wiese gegenüber der Messe ein Mini-Podium aufgebaut, wo sich Wissenschaftler, Verkehrsexperten und Publikum austauschen. Heiner Monheim, emeritierter Professor an der Uni Trier, hält wenig davon, dass sich die Politik derzeit vor allem auf die Förderung strombetriebener Autos konzentriert. Das alleine bringe keine Wende und helfen den Fußgängern auch nicht. „E-Autos nehmen genauso Platz weg.“ Er schlägt mehrere Maßnahmen vor, etwa eine PKW-Maut: Autos sollen nach Fahrleistung, Gewicht, Größe und Emission bemautet werden; das Geld fließe dann in die Kassen der Kommunen, um etwa Fahrradstraßen und Flaniermeilen anzulegen, die eine attraktive Verbindung abseits der Hauptverkehrsstraßen wären. Zudem müsse es ein digitales Car-Sharing-Angebot geben und sichtbare Haltestellen, ähnlich wie Taxistände. Besonders wichtig hält er auch die Begrünung der Städte, um sie abzukühlen. 160 Millionen Stellplätze gäbe es in Deutschland, es brauche genauso viele Bäume, so der Verkehrswissenschafter.

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Um mehr Grün- und Freiflächen geht es auch Moritz, ein Familienvater, der seine Kinder mit dem Lastenrad fährt und die Blockadeaktion beobachtet. Er klagt über den Stau auf den Straßen und verparkte Gehwege, wenn er die Kinder zur Kita bringt. Wie es anders sein könnte, hat er am Samstag erlebt. Für die Demo waren Teile der Innenstadt gesperrt – „ein schönes Gefühl“. Politik müsse sich für mehr Platz in der Stadt einsetzen. Die Autoindustrie würde man sakrosankt behandeln und für Abwracken oder den Kauf von E-Autos Prämien auszahlen.

Am Ausstellungsgelände könnten die Autos nächstes Jahr tatsächlich weniger werden. Laut Handelsblatt würden die Hersteller das Messekonzept überdenken wollen. Dabei stünde auch ein Umzug zur Debatte.