Pleite: Bei Zielpunkt wackeln 2500 Jobs
Von Kid Möchel
Die angeschlagene österreichische Lebensmittel-Kette Zielpunkt, die zur oberösterreichischen Pfeiffer-Gruppe gehört, ist geschäftlich gekentert. Das Unternehmen, das bundesweit 2500 Mitarbeiter in 229 Filialen beschäftigt, wird einen Konkursantrag bei Gericht einbringen. Das bestätigte Zielpunkt-Sprecherin Martina Macho dem KURIER. Das Unternehmen, das im Vorjahr rund 493 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftete, soll nicht weiter betrieben werden. „Bei einem Konkursverfahren wird das Unternehmen nicht fortgeführt“, sagt Macho zu KURIER. Vor drei Jahren hat die Trauner Pfeiffer-Gruppe die Mehrheit an Zielpunkt mit einem Berg an Altlasten übernommen. Seit Frühjahr 2014 ist Pfeiffer Alleineigentümer der Diskont-Kette.
„Wir haben seit 2012 nichts unversucht gelassen, die angeschlagene Kette zu retten “, erklärt Firmenchef Georg Pfeiffer. „Trotz des extrem hohen personellen und finanziellen Engagements sind wir nun an die Grenzen der Machbarkeit gelangt.“ Nachsatz: „Es ist für uns sehr schmerzhaft, uns von Zielpunkt trennen zu müssen.“ Die oberösterreichische Kaufmannsfamilie Pfeiffer hat laut eigenen Angaben in den vergangenen Jahren insgesamt rund 50 Millionen Euro in die marode Zielpunkt-Kette gepumpt.
Als Pleite-Ursachen werden „massive Umsatzrückgänge“ angeführt, die „nicht durch Kostensenkungsmaßnahmen kompensiert“ werden konnten. Zugleich verlief die Suche nach einem neuen Investor ohne Erfolg.
Kein Investor
Zielpunkt hätte nun eine Kapitalspritze in Höhe von 60 Millionen Euro benötigt, um den Fortbetrieb sichern zu können. Da musste selbst die Pfeiffer-Gruppe passen. „Für die Pfeiffer-Gruppe war der erhöhte Kapitalbedarf weder darstellbar noch verantwortbar“, heißt es in der Stellungnahme weiter. Dadurch wären auch die anderen, gesunden Firmen der Pfeiffer-Gruppe, darunter die Unimarkt-Kette mit ihren 127 Standorten, massiv gefährdet worden. Von den 229 Zielpunkt-Filialen ist mehr als die Hälfte in Wien angesiedelt. Georg Pfeiffer geht davon aus, dass eine Vielzahl der Zielpunkt-Filialen von Mitbewerbern und übernommen werden – damit auch die Mitarbeiter. Einige Standorte in Niederösterreich und der Steiermark könnten auch zu Unimärkten werden.
November-Gehalt verspätet
Die 2500 Beschäftigten müssen vorerst auf ihr November-Gehalt – und damit auch auf das Weihnachtsgeld – warten. Dieses wird nämlich nicht mehr von Zielpunkt ausbezahlt, sondern vom Insolvenzentgeltfonds. Die Gewerkschaft zeigte sich über das Vorgehen des Zielpunkt-Eigentümers „entsetzt“. Belegschaft und Betriebsrat seien am Mittwochnachmittag vor vollendete Tatsachen gesetzt worden. In den nächsten Tagen wird es Betriebsversammlungen geben. Die Bundeswettbewerbsbehörde sorgt sich um den Wettbewerb im hierzulande hoch konzentrierten Lebensmittel-Einzelhandel. Es sei „zu befürchten, dass die Preise steigen“, sagte BWB-Chef Georg Thanner Mittwochabend in der "ZiB 2". Man werde die Preissituation „weiter im Auge behalten“.
"Verdammt starke Konkurrenz und eine Menge sehr, sehr schwacher Standorte": So umreißt Handelsexpertin Hania Bomba vom Beratungsunternehmen Regioplan im Gespräch mit dem KURIER die Zielpunkt-Probleme. Spar und Rewe verfolgten eine aggressive Expansion, die Diskonter Hofer und Lidl arbeiteten permanent an ihrem Image und am "Upgrading" in Richtung Vollsortiment. Da sei für Zielpunkt kaum Platz geblieben – was der Marktanteil im niedrigen einstelligen Prozentbereich beweist. Bomba glaubt nicht, dass viele Filialen unter anderem Logo fortgeführt werden: "Die meisten Standorte sind für Konkurrenten nicht zu gebrauchen." Bitter werden könnte die Pleite nicht nur für die Mitarbeiter, sondern auch für einige Unternehmen aus der Lebensmittelindustrie: "Für manche Belieferer ist es schon relevant, ob sie 229 Filialen beliefern oder nicht. Einige werden das definitiv spüren." In Wien ist Zielpunkt mit 138 Filialen der zweitgrößte Lebensmittelhändler hinter Billa.
Problemvolle Historie
Die wechselvolle Zielpunkt-Geschichte geht zurück bis 1967, als Walter Löwe in Wien-Liesing "Löwa" gründete. Schon fünf Jahre später verkaufte Löwe seine Märkte an die deutsche Handelsfamilie Haub, Inhaber der Tengelmann-Gruppe. In Österreich ist diese mit dem Textildiskonter Kik und der Baumarktkette Obi vertreten. Haub baute Löwa unter der Marke Zielpunkt aus. 2003 wurde aus Zielpunkt die Diskont-Marke Plus, fünf Jahre später hießen die Läden wieder Zielpunkt. Die Kunden goutierten die Wechsel nicht. Seit 2005 stagnierten die Umsätze, und mit den Erträgen ging es steil bergab. Das Unternehmen schrieb erstmals Millionenverluste und kam seither nie mehr in die schwarzen Zahlen zurück. Tengelmann zog 2010 die Reißleine und verkaufte an den Finanzinvestor BluO, der den gelernten Maschinenbauer Jan Satek als Sanierer einsetzte. 2012 übernahm Satek die Läden in einem Management-Buy-out. Wenige Monate später stieg die Pfeiffer Handelsgruppe ein und übernahm im März 2014 zur Gänze. -HSP/AST