Wirtschaft

Arbeitsinspektorate: Pflichtkontrollen oder Schikane?

vonKid MöchelAuf dem Dach eines Einfamilienhauses arbeiteten drei Dachdecker in sechs Metern Höhe, ein entsprechendes Fanggerüst als Sicherung fehlte jedoch; in einer Autowerkstätte gab es keine Heizung und die Mitarbeiter mussten im Winter dick eingemummt und bei Glatteis Fahrzeuge reparieren; beim Bau eines 150 Betten umfassenden Pflegeheims wurden nach Beanstandungen zwar Brandschutz-Schiebetüren eingebaut, aber dabei entdeckte man erst, dass die Wände alles andere als feuerfest sind.

Rund 300 Arbeitsinspektoren an 18 Dienststellen kontrollieren Tag für Tag penibel in Betrieben, Fabriken und auf Baustellen die Einhaltung von Gesetzen und Verordnungen – im Kern geht es um die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer.

Laut dem Neos-Abgeordneten und Gastronomen Sepp Schellhorn (fünf Betriebe, 110 Mitarbeiter) arten diese Kontrollen oft in Schikanen aus. Kein Wunder, sagt Schellhorn, hat doch das Sozialministerium per Erlass angeordnet, dass jeder Arbeitsinspektor 100 Kontrollen pro Jahr durchführen muss und darunter 38 Firmen sein müssen, bei denen bereits Mängel feststellt wurden.

176.000 Mängel am Bau

Daher wollte Schellhorn von Sozialministerin Beate Hartinger-Klein wissen, wie viele Kontrollen durchgeführt und wie viele Mängel festgestellt wurden. Dem KURIER liegt die Antwort für die Jahre 2009 bis 2016 des Ministeriums vor. Für das Jahr 2017 gibt es noch keine Zahlen.

Demnach haben im genannten Zeitraum rund 128.000 Kontrollen bei Baufirmen stattgefunden, dabei wurden fast 176.000 Mängel festgestellt. Im Handel ergaben rund 113.000 Überprüfungen mehr als 169.000 Beanstandungen. Fakt ist auch: Je kleiner die Firmen sind, desto öfter werden Kontrollen durchgeführt. „Sie haben die Klein- und Mittelbetriebe drangsaliert und ausgequetscht. Das macht mich wütend“, sagt Schellhorn. „Alleine bei den Kleinstunternehmen mit bis zu neun Mitarbeitern stiegen die Beanstandungen pro Kontrolle um mehr als 63 Prozent, bei Unternehmen mit bis zu 49 Mitarbeitern um fast 53 Prozent.“ Für ihn stellt sich die Frage, ob die Gesetze in den vergangenen sieben Jahren derart streng geworden sind, dass immer mehr Mängel gefunden werden? Oder haben sich die Unternehmen verschlechtert?

Große Firmen geschont?

„Ich vermute, dass das Arbeitsinspektorat dazu angehalten wird, immer mehr Mängel zu finden“, sagt Schellhorn. „Die Ergebnisse der Anfragebeantwortung sind ein Zeugnis dafür, warum immer mehr Kleinbetriebe zusperren. Zu den kleinen Betrieben gehen die Kontrolleure offenbar lieber hin, weil sie dort leichter etwas finden.“ Bei Großunternehmen (mehr als 250 Mitarbeitern) wurden insgesamt 17.600 Kontrollen durchgeführt und 20.000 Mängel gefunden.

Indes bestreitet das Sozialministerium, dass es für jeden Arbeitsinspektor ein Punkte- und Wertungssystem oder Arbeitsanreize wie Prämien gibt. Es gibt aber jährliche Zielvorgaben.

„Die Vorgaben des Zentral-Arbeitsinspektorats richten sich grundsätzlich an die Arbeitsinspektorate und nicht an die einzelnen Mitarbeiter“, kontert das Ministerium. „Die Höhe der Kontrollvorgaben errechnet sich aus der Zahl der Kontrollorgane, die im jeweiligen Arbeitsinspektorat beschäftigt sind.“

Beratung statt Strafe

Am Montag hat Sozialministerin Beate Hartinger-Klein ( FPÖ) für die Arbeitsinspektorate neue Zielwerte erlassen. Den alten Erlass hatte sie aufgehoben, weil dieser vorschrieb, dass 38 Prozent der durchgeführten Kontrollen „Kontrollen mit Beanstandungen mit festgestellte Mängeln  sein müssen. Der neue Erlass ermögliche mehr Entscheidungsspielraum statt strengen Vorgaben, teilte das Ministerbüro am Montag mit.

Anstatt Strafen zu verhängen soll nun ein Mehr an Beratung dazu führen, dass viele Mängel gar nicht erst entstehen. Konkret sei der Zielwert für die Anzahl der Kontrollen reduziert und der Zielwert für die Beratungen erhöht worden, sagte eine Pressesprecherin zur APA. Die Arbeitsinspektorate sollen demnach verstärkt als Anlaufstellen für Unternehmer positioniert werden.

„Es ist im Interesse aller, dass die Anzahl der Arbeitsunfälle minimiert wird“, erklärte Hartinger-Klein in der Aussendung. Die FPÖ-ÖVP-Regierung ersetzte zudem die Kontrolleffizienzquote mit einer neuen Budgetkennzahl namens „Verbesserung pro Intervention“. Diese Kennzahl soll künftig angeben, wie viele Verbesserungen ohne anschließende Strafanzeige vorgenommen wurden.