Wirtschaft

Pflegerinnen wandern ab: 24-Stunden-Betreuung droht Notstand

Das fast zur Gänze auf ausländische und weibliche Arbeitskräfte angewiesene System der 24-Stunden-Betreuung in Österreich droht zu kollabieren. Hauptgründe dafür sind die Arbeits- und Entlohnungsbedingungen sowie die fehlende Wertschätzung für die rund 70.000 selbstständigen Personenbetreuer/innen.

Laut einer Studie der Johannes Kepler Universität Linz in Zusammenarbeit mit RCC (Reichmann Research Consulting) kann sich nur knapp jede dritte der 2.000 befragten Pflegerinnen (90 Prozent weiblich) vorstellen, längerfristig in diesem Job in Österreich tätig zu sein. Knapp ein Viertel gab an, einen Berufswechsel zu überlegen oder ganz aus der beruflichen Tätigkeit auszusteigen. Sieben Prozent wollen zwar in der 24-Stunden-Pflege tätig sein, aber in einem anderen Land, wo es bessere Arbeitsbedingungen gibt.

Alle Inhalte anzeigen

5.000 Abgänge

Obwohl der Personalbedarf weiter steigt, haben laut der Fachgruppe Personenberatung und -betreuung in der Wirtschaftskammer Wien (WKW) in den vergangenen Jahren bereits 5.000 Betreuerinnen Österreich wieder verlassen.

Vor allem die Belastungen durch Steuern und Abgaben (oftmals Nachzahlungen) und die anhaltende Teuerung machen den Pflegerinnen zu schaffen. Gestiegen sind auch die Wohn- und Energiekosten im Heimatland sowie die Reisekosten dorthin. Ohne besserer Bezahlung werde sich die Abwanderung weiter verstärken, warnt Bibiana Kudziova, Sprecherin der Personenbetreuung in der WKW. 

Gefordert wird u.a. eine Anhebung der staatlichen Förderung von 800 auf 1.250 Euro monatlich. Dieser Betrag ist zuletzt erst am 1. September 2023 von 640 auf 800 Euro erhöht worden.

 Mehr lesen: Förderung für 24-Stunden-Betreuung wird neuerlich erhöht

"Bleib-da-Bonus"

Pensionistenverband und Gewerkschaft vidaflex fordern weiters auch kostenlose Supervision für Betreuerinnen wie Angehörige, mehr Transparenz bei den Verträgen mit den Agenturen, eine Befreiung vom Sozialversicherungsbeitrag bis zu einem monatlichen Gewinn von 1.000 Euro sowie vermeintlich "kleine" Dinge wie ein Aussetzen der Fotopflicht auf der E-Card sowie eine Umstellung auf eine digitale Abwicklung. Derzeit müssten nämlich 24-Stunden Betreuungskräfte dafür in die jeweilige Landeshauptstadt pilgern und de facto ihre Betreuungsperson allein lassen. Auch ein so genannter "Bleib-da-Bonus" könnte den Betreuerinnen gewährt werden. 

Mehr Deutsch-Kurse

Ein weiteres Problem stellen mangelhafte Deutschkenntnisse dar, so die Gewerkschaftsvertreter Natascha Feigl und Christoph Lipinski. Dafür müsse der Bund Verantwortung übernehmen, etwa durch finanzielle Unterstützungen. Mangelnde Sprachkenntnisse seien nicht nur für die zu betreuende Person gefährlich, wenn etwa eine Betreuerin im Fall des Falls etwa die Rettung rufen und Symptome beschrieben müsse, sondern auch für sie selbst, wenn sie Verträge unterschreiben sollen, die sie nicht lesen können.