Ökonom Friedrich Schneider: „Der Pfusch erhöht den Wohlstand“
Der Pfusch und die Nachbarschaftshilfe feiern in Österreich nach wie vor fröhlich Urständ. Heuer werden mit Schattenwirtschaft rund 24 Milliarden Euro Wertschöpfung erzielt. Das ist ein leichter Rückgang um fünf Prozent. Zwar verliert der Staat durch Pfusch bis zu 3,5 Milliarden Euro Steuereinnahmen pro Jahr, doch 40 Prozent der Pfuschertätigkeiten würden zum offiziell versteuerten Preis eigentlich am Markt gar nicht nachgefragt werden. Das ergibt eine Studie des renommierten Linzer Wirtschaftsprofessors Friedrich Schneider.
„Der Pfusch erhöht eigentlich den Wohlstand“, sagt Schneider zum KURIER. „Es würde viele Häuser und Eigenheime ohne Pfusch in Österreich gar nicht geben, weil es sich die Leute sonst gar nicht leisten könnten.“ Viele Durchschnittsverdiener müssen mehrere Stunden arbeiten, um eine versteuerte Handwerkerstunde bezahlen zu können.
„Das macht die Leute narrisch“, sagt der Ökonom zum KURIER. „Die sagen sich, wenn überall der Staat mitschneidet, warum soll ich nicht auch einmal meine Überstunden am Wochenende und in der Freizeit nicht schwarz machen.“ Nachsatz: „Die sind ansonsten ganz korrekte Steuerzahler und haben einen versteuerten Job.“
Von der Schwarzarbeit profitieren laut Schneider alle – nicht nur der Pfuscher und sein Auftraggeber. Ganze Branchen wie der Bau, das Handwerk und der Baumaterialhandel werden dadurch befeuert. Auf Bau und Handwerk entfallen fast zehn Milliarden Euro Wertschöpfung aus dem Pfusch. Rund zwei Drittel des verdienten Geldes fließt wieder in die offiziellen Wirtschaftskreislauf zurück.
Die Putzfrau
„Die Bedienerin, die schwarz sauber macht, möchte gar nicht angemeldet werden. Sie möchte mit dem verdienten Geld morgen einkaufen gehen“, sagt Schneider. Außerdem würde sich kaum jemand eine Putzfrau zu offiziellen Preisen leisten.
Indes würde die Abschaffung der kalten Progression den Pfusch um rund 500 Millionen Euro pro Jahr senken. Kalte Progression heißt, dass Lohnerhöhungen durch die schleichende Steuermehrbelastung aufgezehrt werden, weil diese nicht an die Inflation angepasst wird.
„Über die kalte Progression wird die Steuersenkung selbstfinanziert. Das ist wahnsinnig praktisch, und man kann gleich wieder eine Steuerreform machen“, ätzt Schneider. „Und wir sind so deppert und merken das nicht.“ Von drei Prozent Lohnerhöhung gehen laut Schneider mehr als die Hälfte gleich an den Finanzminister.