Moderates Aufwärtspotential an der Wiener Börse
Trotz Krieg, hoher Inflation und hohem Zinsniveau sind die Ökonomen der Erste Group für die Entwicklung des heimischen Marktes im heurigen Jahr wieder leicht optimistisch. Für den Leitindex ATX sehen sie nach einem schwachen Jahr 2022 wieder Aufwärtspotenzial. Die günstigen Aktien-Bewertungen gepaart mit erhöhten Gewinnprognosen sollten wieder für Auftrieb beim Leitindex sorgen. Ab der zweiten Jahreshälfte rechnen die Ökonomen auch wirtschaftlich wieder mit Verbesserungen.
"Der Krieg belastet ein ohnehin konjunkturelles schwieriges Umfeld", sagte Erste-Group-Ökonom Friedrich Mostböck am Donnerstag. Eng mit dem Krieg verbunden seien die hohe Inflation und die Zinserhöhungen der internationalen Notenbanken. Diese Kombination habe das Wirtschaftswachstum bereits 2022 deutlich gebremst und dürfe auch 2023 weiter wirken. Für 2023 prognostiziert die Erste Group ein Wirtschaftswachstum von 0,6 Prozent für Österreich, für 2024 sind es 1,2 Prozent. Für die gesamte Eurozone rechnet die Erste Group heuer mit einem Wachstum von rund 0,5 Prozent.
Experten positiv gestimmt
Dennoch sind die Ökonomen vor allem für die zweite Jahreshälfte 2023 positiv gestimmt und erwarten wieder ein moderates Anziehen der Konjunktur. "Wir glauben, dass die Energiepreise weiter im Sinken begriffen sein werden", führte Mostböck als einen Grund dafür an. Bei der Inflation und bei den Leitzinsen sieht er zudem ab Mitte des Jahres den Höhepunkt erreicht. Für das erste Halbjahr werden allerdings noch drei Zinsschritte seitens der Europäischen Zentralbank (EZB) erwartet.
Auch am heimischen Finanzmarkt sollte heuer eine Verbesserung spürbar werden. Laut Mostböck ist es "schwer vorstellbar, dass auf ein solch negatives Jahr (wie 2022, Anm.) ein zweites folgt". Der Grund liege darin, dass die Börsen die derzeit herrschenden negativen ökonomischen Faktoren bereits weitgehend eingepreist hätten. Heuer sollten die Märkte hingegen die erwarteten positiven Entwicklungen vorwegnehmen und einpreisen, erwartet der Ökonom. Für den Kurs des Wiener ATX sieht die Erste Group heuer ein Aufwärtspotenzial auf bis zu 3.700 Punkte, das entspreche zum derzeitigen Zeitpunkt einem Plus von rund 12 bis 13 Prozent.
Viele ATX-Werte seien derzeit sehr günstig bewertet, begründet Erste-Group-Ökonom Christoph Schultes die ATX-Prognose. Hinzu käme, dass Gewinnschätzungen zuletzt wieder nach oben revidiert worden seien. An das Gewinnniveau von 2022 dürften die Unternehmen zwar nicht wieder herankommen, dennoch stehe der ATX damit besser da als internationale Indizes wie der Stoxx-600, wo die Gewinnerwartungen bereits wieder abflachen würden.
Auch die Entwicklung in der Region Zentral- und Osteuropa (CEE) bleibe für den ATX ein wesentlicher Einflussfaktor. Der CEE-Anteil im ATX liege derzeit bei 68 Prozent. In der Region entstehe nach wie vor Wachstum, auch wenn dieses von Inflation und Ukraine-Krieg gedämpft werde, so Mostböck. Für das kommende Jahr sieht die Erste Group für die CEE-Länder, in denen sie vertreten ist (Kroatien, Slowenien, Slowakei, Tschechien, Ungarn, Polen, Serbien und Rumänien) im Schnitt ein Wachstum von 0,7 Prozent, für 2024 werden sogar wieder 3,3 Prozent Wachstum erwartet.