Mehr als 100 Prozent vom BIP: Rekordschulden in Großbritannien
Die britische Regierung hat sich nach Steuerausfällen und teuren Hilfsprogrammen infolge der Corona-Rezession eine Rekordsumme leihen müssen. Im ersten Halbjahr summierte sich die Kreditaufnahme auf 208,5 Milliarden Pfund (gut 228 Milliarden Euro), wie das nationale Statistikamt in London am Mittwoch mitteilte.
Dadurch stieg die Gesamtverschuldung der öffentlichen Hand über die Marke von zwei Billionen Pfund. Das entspricht 103,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, was der höchste Wert seit 1960 ist. Zum Vergleich: Österreichs Staatsverschuldung soll im kommenden Jahr auf rund 85 Prozent steigen.
"Es ist zwar klar, dass die Corona-Pandemie erhebliche Auswirkungen auf unsere öffentlichen Finanzen hatte", sagte Finanzminister Rishi Sunak. "Aber die Dinge wären noch viel schlimmer gewesen, wenn wir nicht so gehandelt hätten, wie wir es getan haben, um Millionen von Existenzen zu schützen." Sobald sich die Wirtschaft erhole, werde die Regierung die notwendigen Schritte unternehmen, um die Staatsfinanzen zu sanieren.
Das Bruttoinlandsprodukt war wegen der Pandemie im Frühjahr um rund ein Fünftel eingebrochen, was zu enormen Steuerausfällen führte. Zugleich versucht die Regierung, mit Mehrausgaben in Milliardenhöhe die wirtschaftlichen Folgen der Krise zu dämpfen.
Das Forschungsinstitut Office for Budget Responsibility geht davon aus, dass die Kreditaufnahme im Gesamtjahr einen Rekordwert von 372 Milliarden Pfund erreichen wird. Die Neuverschuldung würde 18,9 Prozent der Wirtschaftsleistung entsprechen und damit den höchsten Wert seit dem Zweiten Weltkrieg erreichen. Die Rating-Agentur Moody's hatte ihre Bonitätsnote für die britischen Staatsfinanzen angesichts der Krise vor wenigen Tages auf das Niveau von Belgien und Tschechien herabgestuft.
Großbritannien ist besonders hart von der Corona-Pandemie betroffen. Premierminister Boris Johnson kündigte zuletzt strengere Regeln für Manchester und Umgebung an. Ab Freitag würden im Ballungsraum der nordenglischen Stadt die schärfsten Maßnahmen im Kampf gegen die Pandemie gelten, sagte Johnson.
Der Norden Englands ist besonders stark von der zweiten Corona-Welle betroffen. Johnson lehnt einen landesweiten Lockdown ab und setzt stattdessen auf ein hartes Durchgreifen in Corona-Brennpunkten.