Kein Plastiksackerl mehr: Was kommt stattdessen?
Von Irmgard Kischko
KURIER: Plastiksackerlverbot ab 2020 in Österreich. Ist das mehr als ein symbolischer Akt?
Margarete Schramböck: Ich glaube, das Gegenteil ist der Fall. Wir sind damit Vorreiter. Und es ist ein gutes Zeichen für Österreichs Unternehmen. Denn das Verbot bedeutet auch: Sie können ihre Innovationen in diesem Bereich rascher auf den Markt bringen.
Die heimische Kunststoffindustrie ist da anderer Meinung ...
Schramböck: Wir müssen natürlich achten, dass deren Arbeitsplätze erhalten bleiben. Man darf die Kunststoffe nicht generell verteufeln.
Hat Plastik auch gute Seiten?
Peter Oswald: Mondi ist zwar ein großer Papierproduzent. Was aber viele nicht wissen, wir haben auch ein Kunststoffverpackungswerk in Korneuburg. Es könnten mit Sicherheit nicht alle Plastikverpackungen durch Papier ersetzt werden. So viel Rohstoff gibt es gar nicht.
Schramböck: Mir geht es vor allem darum, dass wir uns auf die Entwicklung intelligenterer und recyclingfähiger Kunststoffe konzentrieren. Das wird den Wirtschaftsstandort Österreich von anderen unterscheiden. Wichtig ist, dass wir die Kreislaufwirtschaft stärken.
Existiert diese bei Plastik überhaupt?
Schramböck: Ja, aber Europa muss da besser werden. Bei meinen Besuchen in China habe ich gesehen, dass die Nachfrage nach Recycling sehr groß ist. Denn: Es gibt zehn Flüsse auf der Welt, die 90 Prozent des Plastiks in die Weltmeere bringen. Acht dieser Flüsse sind in Asien, keiner in Europa. Wir können eine Brücke schlagen und unsere Recycling-Unternehmen dorthin bringen.
Haben wir in Österreich solche Plastik-Recycling-Spezialisten?
Schramböck: Wir haben in beiden Bereichen – Plastik und Papier – gute Unternehmen. Wir haben 25 Unternehmen in der Papierindustrie. Mondi hat kürzlich viele weltweite Konzernfunktionen nach Österreich gebracht.
Ist Papier die einzige Alternative zum Plastiksackerl?
Oswald: Nein. Mondi etwa produziert in Korneuburg zum Beispiel sogenannte Standbodenbeutel. Sie sind aus Plastik, beinhalten aber viel weniger Kunststoff als Plastikgefäße – etwa für Flüssigwaschmittel. Das reduziert den Kunststoff um 70 Prozent.
Wie viel Plastik wird durch das Verbot der Kunststoff-Tragetaschen vermieden?
Oswald: Ich kann das nur europaweit beantworten. Frankreich und Italien haben schon ein Verbot. Mit weiteren Verboten wird gerechnet, sodass 2025 um 26 Milliarden Einweg-Tragetaschen weniger im Jahr verbraucht werden als jetzt. Wir schätzen, dass fünf Milliarden von den 26 Milliarden durch Papier-Taschen ersetzt werden, der Rest durch Mehrweg-Tragetaschen.
Das heißt: Es werden gar nicht so viel mehr Papiersackerl in den Markt kommen...
Oswald: Nein, weil Papiertragetaschen mehrfach verwendet werden können.
Papiersackerl sind teurer als Plastik. Muss der Handel diese Mehrkosten schlucken?
Oswald: Der Markt hat sich total verändert seit der Aktion „plastic in the oceans“, die in England gestartet wurde. Wenn wir vor einem Jahr zu unseren Kunden gegangen sind und gesagt haben: Wir haben eine ökologische Lösung, sie kostet aber drei Prozent mehr, sagten sie: nein danke. Unsere Kunden – die großen Konsumprodukteerzeuger – sehen diese Kosten nun anders. Dazu muss man auch sagen, dass die Verpackungspreis-Erhöhungen nur einen kleinen Anteil des Endprodukt-Preises von typischerweise einem Prozent ausmachen.
Konsumenten aber greifen meist doch zum billigeren Produkt und ordern immer mehr online. Der Online-Handel aber ist vom Plastik-Verbot ausgenommen...
Schramböck: Das müssen wir uns anschauen. Aber das muss auf europäischer Ebene gelöst werden.
Konsumenten greifen auch zum Praktischen: Und da ist das Papiersackerl im Nachteil ...
Oswald: Wir haben ein neues Papier für Papiersackerl entwickelt, das 25 Kilogramm trägt und trotzdem 33 Prozent Altpapier enthält.
Schramböck: Da sind wir wieder beim Thema Recycling. Es muss auch beim Papier möglichst viel Recycling-Anteil dabei sein.
Wie steht es um biogene Plastiksackerl?
Oswald: Wir produzieren Biofolien aus Stärke. Man darf nur nicht der Illusion unterliegen, dass das die Lösung für alle ist. Dafür brauchen wir Mais- oder Kartoffelstärke. Da bräuchten wir vier, fünf Mal unseren Planeten, weil wir so viel Getreide anbauen müssten, um den Bedarf zu decken.
Der Mondi-Konzern
Peter Oswald (55) ist seit 2017 Chef des aus Südafrika stammenden global tätigen Papierkonzerns Mondi. Das Unternehmen setzt weltweit 7,1 Milliarden Euro um und verdiente im Jahr 2017 rund 1,5 Milliarden Euro. Mondi ist hierzulande durch die Übernahme der Frantschach-Gruppe und der Neusiedler Papierfabrik präsent. Das Verpackungs- und Papierunternehmen beschäftigt rund 26.000 Mitarbeiter in mehr als 30 Ländern.
Die Plastiksackerl
Europaweit werden im Jahr nach Einschätzung des Papier- und Verpackungskonzerns Mondi 46 Milliarden Plastik-Tragetaschen verwendet. Weil immer mehr Länder diese Plastiksackerl verbieten, geht das Unternehmen davon aus, dass bis zum Jahr 2025 um 26 Milliarden Plastiksackerl weniger im Jahr auf den Markt kommen als derzeit. Nur fünf Milliarden davon werden künftig durch das Papiersackerl ersetzt.