Wirtschaft/Karriere

Wie Corona der Wirtschaft die Planungssicherheit nimmt

Im kommenden Jahr dürfte die Wirtschaftsleistung wieder wachsen, die Arbeitslosigkeit zurückgehen, dürften die Nächtigungen im Tourismus wieder steigen. Positive Meldungen wie diese sind derzeit rar – und oft von kurzer Gültigkeit.

Denn seit Dienstag dieser Woche befindet sich Österreich wieder im Stillstand. Hotels, Restaurants und Geschäfte sind gesperrt – und damit ändert sich auch wieder der Ausblick auf 2021.

Für Unternehmen ist es ein Fahren auf (kurze) Sicht, ein Management ins Ungewisse. Prognosen, die vor einem Monat formuliert wurden, sind schnell überholt. „Die Unsicherheit hat auch die Wissenschaft erfasst“, sagt Martin Kocher, Chef-Ökonom am Institut für Höhere Studien (IHS).

Neue Methoden

Um der Schnelllebigkeit gerecht zu werden, sind auch die Zeitabstände zwischen den Wirtschaftsprognosen kürzer worden, zudem entwickelte das Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo) engmaschigere Methoden, um den Ist-Zustand der Wirtschaftsaktivitäten auch abbilden zu können.  16 kurz- und mittelfristige Prognosen habe das Institut bisher für 2020 erstellt – in normalen Jahren seien es sieben, sagt Wifo-Ökonom Stefan Schiman.

„Jetzt schauen wir uns auf wöchentlicher Basis an, wie sich die Arbeitsmarktzahlen zur Vorwoche verändern oder den Schadstoffausstoß in der Industrie, um Rückschlüsse auf die Produktion machen zu können. Früher haben wir lediglich Daten auf Monatsbasis verwendet." Schwieriger zu beschaffen seien Zahlen für die Gastronomie, den Tourismus oder den Handel.

Keine Hellseher

Doch auch Ökonomen können nicht in die Zukunft schauen. Ihre Berechnungen bilden nur den Status-quo der Wirtschaftsaktivitäten ab. „Unsere Prognosen über eine Marktsituation die zwei, drei Monate in der Zukunft liegt, beruhen unter anderem auf Unternehmensbefragungen. Wir aggregieren darin ihre subjektiven Einschätzungen.“

Selbst wenn Ökonomen damit daneben liegen, ihre Prognosen sind und bleiben unersetzlich. Sie bilden die Basis für unternehmerische Strategien und Visionen, sie sind eine Grundlage für die Personalplanung, für mögliche Investitionen in den nächsten Jahren und geben Aufschluss über künftige Marktentwicklungen.

Besser als der Zufall

Auch der Bevölkerung geben sie Orientierung. Wächst die Wirtschaft, macht sie sich weniger Sorgen um ihren Job und gibt mehr Geld aus. „Mit unserer Arbeit bieten wir einen Ankerpunkt“, fasst Kocher die Arbeit der Ökonomen zusammen.

„Wir können nicht in die Glaskugel schauen und in volatilen Zeiten ist unsere Aussagekraft geringer als sonst. Aber Unternehmen können keine Entscheidungen treffen, die auf Zufall basieren. Sie können nicht darum würfeln.“

Wieder auf der Bremse

Prognosen entsprechen dem Wunsch nach Planbarkeit und dieser ist gerade jetzt besonders groß. Trotzdem fährt Gerhard Wendl, Vorstand der JUFA Hotels Gruppe, wie viele aus seiner Branche derzeit auf Sicht.

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Der zweite Lockdown hat dem Tourismus einen Strich durch die Rechnung gemacht. Er habe mit einer „guten Erwartungshaltung dem Winter entgegengeblickt“, sagt Wendl, der für 60 Hotels in mehreren Ländern verantwortlich ist. Sie wurde mit dem zweiten Lockdown nun wieder getrübt.

Kurzfristige Planung

„Operativ handeln wir extrem kurzfristig. Wir machen Budgets für ein, zwei Monate und auch diese ändern sich ständig wegen der neuen Rahmenbedingungen.“ Früher habe er bis eineinhalb Jahre vorausgeplant, mit gröberen Perspektiven auf die nächsten zwei, drei Jahre. Nun entwickle man Strategien auf Basis von vagen Vermutungen.

Wie stark wird der Inlandstourismus bei einer Öffnung im Winter ausfallen? Wie viele Saisonkräfte werden gebraucht? Kann man mit Touristen aus den Nachbarländern rechnen? „So zu arbeiten ist eine Herausforderung, auch weil unser Kernteam aus bis zu 1000 Mitarbeitern da mitspielen muss“, so Wendl. Denn auch diese verlangen nach sicherer Planung.

Unübersichtliche Lage

Der Flickenteppich an wirtschaftspolitischen Maßnahmen, Förderungsmodellen und Hygienevorschriften mache die Lage zusätzlich unübersichtlich. Die Hotelgruppe hat neben Österreich auch Standorte in Deutschland, Liechtenstein und Ungarn. Derzeit seien alle Standorte außer ein Hotel in Wien geschlossen.

Für die Wintersaison plant Wendl zwar die Öffnung von 30 Hotels. Doch wie und ob der Wintertourismus anläuft, bleibt unklar. „Wir wissen noch nicht einmal, ob wir am 7. Dezember aufsperren dürfen“, so Wendl.

Luftfahrt am Boden

Auch Robert Machtlinger, CEO des oberösterreichischen Aerospace-Konzerns FACC hat einige turbulente Monate hinter sich – und wahrscheinlich noch vor sich. Der Corona-Schock sitzt tief, da zeitweise die gesamte Luftfahrtbranche am Boden war.

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Zu Beginn habe man das hohe Niveau in der Produktion noch gehalten, so Machtlinger, doch dann mussten die Werke heruntergefahren werden, der Absatz stockte, man war gezwungen sich auf das niedrige Marktniveau anzupassen. „Wir mussten eine Lieferkette mit 650 Lieferanten kontrolliert managen und neu takten, das war nicht sehr einfach.“

Um möglichst gut vorbereitet in die Krise zu steuern, habe man früh mit Worst-Case-Szenarien gearbeitet und diese transparent an die Belegschaft kommuniziert. „Damit haben wir Gerüchte vorweggenommen.“ Von rund 650 Mitarbeiter musste sich das Unternehmen im September trennen, auch beim Umsatz muss FACC mit 392 Millionen Euro ein Minus von 32,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr verkraften.

Langsame Erholung der Märkte

„Doch wir wussten, dass es keine V-förmige Rückkehr der Luftfahrt geben wird. Vielmehr zeichnet sich eine regionale Erholung ab.“ Mittlerweile sei man wieder bei 70 Prozent der Ausbringung, so Machtlinger. Auf Sicht würden sie nicht fahren. Im Gegenteil. Prognosen zufolge erholt sich die Luftfahrt weltweit, bis 2023 rechnet die Branche mit einer Erholung auf Vorkrisenniveau.

Der Blick der FACC sei besonders auf China und den Mittleren Osten gerichtet, diese Märkte nehmen rund 50 Prozent aller neugefertigten Flugzeuge ab. „Für 2021 haben wir uns bereits mit unseren Kunden abgestimmt, die Planung bleibt weiterhin stabil.“

Hohe Datennutzung absehbar

Für Marcus Grausam, CEO der A1 Telekom Austria hielt der zweite Lockdown weniger Überraschungen bereit. Dass sich das viele Surfen, Texten und Telefonieren positiv auf das Geschäft niederschlägt, war klar. Außerdem habe man viel aus dem ersten Lockdown gelernt.

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„Es war absehbar, dass sich die Datennutzung steigern wird und die Auslastung unter Tags aufgrund von Homeschooling und Homeoffice stärker sein wird“, so der CEO. Doch es gebe auch negative Effekte. Aufgrund der Reisebeschränkungen seien die Roamingeinnahmen eingebrochen, Großprojekte von Unternehmen wurden gestoppt oder aufgeschoben.

„Die größte Unsicherheit in unserer Branche ist: Was passiert, wenn staatliche Unterstützungen auslaufen? Wie viele Konkurse gibt es dann und wie viele Zahlungsausfälle wird es folglich geben?“

Neuer Führungsstil

Das Management ins Ungewisse verändere auch den Führungsstil im Unternehmen. Die Kommunikation sei intensiver, anstatt Wochensitzungen gebe es tägliche Stand-ups, Entscheidungen würden rascher gefällt und man denke in Szenarien, so Grausam. „Was unverändert bleibt, ist unsere Vision. Und wir haben eine Jahresstrategie, nur der Weg dorthin hat sich verändert.“