Jobsuche: Wenn das Alter zur Hürde wird
Von Diana Dauer
Top ausgebildet, einschlägige Berufserfahrung, tolle Zeugnisse – aber leider unvermittelbar. Menschen über 50 Jahre haben es auf dem Arbeitsmarkt schwerer als andere – auch schon vor Corona. Denn Altersdiskriminierung ist "vielleicht sogar noch vor der Geschlechterdiskriminierung, der größte Diskriminierungsfaktor auf dem Arbeitsmarkt“, sagt Elisa Aichinger, Deloitte Consulting Director im Bereich Human Capital.
Ein Indiz dafür ist die Vormerkdauer
Sie gibt Auskunft darüber, wie lange Arbeitslose beim Arbeitsmarktservice vorgemerkt sind, bis sie eine neue Anstellung finden. Während es vor Corona bei Unter-25-Jährigen um die 50 Tage dauerte, suchten 25- bis 50-Jährige bereits 140 Tage.
Noch schlechter sah es für über 50-Jährige aus. Sie suchten vor Corona im Schnitt bereits 160 Tage. Seit dem Ausbruch der Pandemie hat sich das dramatisch verschlechtert. Im September 2020 befanden sich über 50-Jährige im Schnitt 362 Tag in Arbeitslosigkeit, während es bei unter 25-Jährigen seit dem Höchststand im Juli und August sogar wieder leicht zurückgegangen ist. Sie sind im Schnitt 97 Tage vorgemerkt, berichtet Simon Theurl, Ökonom in der Abteilung Integration und Arbeitermarkt der Arbeiterkammer (AK).
"Wir haben ein verschobenes Bild. Im Privatleben steht ein 50-Jähriger mitten im Leben, im Berufsleben assoziiert man mit Alter nur Stigmata“, erklärt Aichinger.
Stigmata des Alters
Die Stigmata reichen von Kostenfaktoren bis hin zur vermeintlich fehlenden digitalen Affinität und Lernbereitschaft, berichten die Experten in KURIER-Gesprächen. Erfahrene Arbeitnehmer verursachen naturgemäß durch ihre lange Arbeitserfahrung im Unternehmen höhere Lohnkosten, als Anfänger. Unternehmen würden sich gerade in Krisenzeiten gesundschrumpfen wollen, erklärt Aichinger. Aber das ist nicht alles. "Das Homeoffice hat dem Stigma Ältere-seien-digital-nicht-fit das Gegenteil bewiesen“, sagt Aichinger.
Allerdings gebe es Berufe, die ein Mensch alters- und gesundheitsbedingt nicht mehr ausüben kann. "Ein Mensch, der bis er 50 Jahre alt ist, am Presslufthammer steht, kann nicht mehr so schwer heben, wenn das Kreuz einmal kaputt ist. Da fangen die Stereotypen an zu stimmen“, sagt Theurl.
Ältere hätten weniger Stellen zur Verfügung. "Es gibt in Österreich prinzipiell zu wenige Arbeitsplätze. Wenn alle freien Stellen besetzt würden, gäbe es immer noch rund 300.000 Arbeitslose. Hinzu kommt, dass es wenige Stellen gibt, die ein würdiges Altern ermöglichen“.
Die Alterstigmatisierung zeigt sich auch im zweiten Mechanismus, der zur Alterserwerbslosigkeit beiträgt und den Teufelskreis weiter anstößt:
Die verfestigte Langzeiterwerbslosigkeit
Je länger ein Mensch ohne Beschäftigung ist, desto schwieriger ist es, eine neue Stelle zu finden. Eine Studie des Kieler Ökonomen Patrick Nüß zeigt, dass nach sechs Monaten Arbeitslosigkeit die Wahrscheinlichkeit sinkt, von Betrieben überhaupt eine Rückmeldung auf seine Bewerbung zu erhalten. Die Arbeitslosigkeit verfestigt sich.
Im September 2020 gab es 55.105 Langzeitarbeitslose über 50 Jahren. Diese zwei Mechanismen bedingen sich gegenseitig. Gleichzeitig waren 110.350 Menschen über 50 Jahre arbeitslos. Nur 5.896 weitere waren in Schulungen.
Im Vergleich: Auf 35.612 Arbeitslose unter 25 Jahren, kamen 25.485 unter 25-jährige Schulungsteilnehmer. "Ältere Frauen und Männer kommen kaum mehr in den Genuss von Schulungen“, berichtet Johann Bacher, Institutsleiter für empirische Sozialforschung an der Johannes Kepler Universität Linz.
"Arbeitslosigkeit macht krank“, erklärt Soziologe Bacher. Das zeigte schon die Studie "die Arbeitslosen von Marienthal“ aus den 1930er Jahren von Marie Jahoda. Die Folgen der Langzeitarbeitslosigkeit sind psychische- und physische Krankheiten, sogenannte Narben.
Hinzu kommt, dass dadurch das Einkommen und die Pensionszeiten sinken, was wiederum zu Altersarmut führt. Das verstärkt das Risiko für physische und psychische Krankheiten zusätzlich. "Der Mensch verliert Hoffnung und Vertrauen in die Zukunft und die Gesellschaft “, erklärt Soziologe Bacher. "Das sind sich selbst verstärkende Mechanismen“.
Soziologen und Ökonomen diskutieren daher intensiv die Ideen einer Jobgarantie für ältere Arbeitslose. Das heißt, dass der Staat Jobs für ältere Erwerbstätige finanzieren würde und so "sowohl Langzeitarbeitslosigkeit vorbeugen, als auch Stellen schaffen und besetzen würde, in denen das humane Kapital Erfahrener hilfreich ist“, so Bacher.
Eine Rechnung der AK-Ökonomen Simon Theurl und Dennis Tamesberger ergibt, dass inklusive aller Rückflüsse an den Staat, 45.000 neu geschaffene Jobs mit Entlohnung in der Höhe von 1.900 Euro brutto im Monat rund 300 Mio. Euro oder 7.000 Euro pro Person pro Jahr kosten würden. Das kommt heraus, wenn man die Kosten für Arbeitslose von den Kosten für einen staatlich finanzierten Job abzieht.