Was zählt mehr? Talent oder Fleiß?

Roman Braun hat als Mentalcoach von Spitzensportlern und -politikern  viel  Zeit mit Talenten – und solchen, die es gern wären – verbracht.

KURIER: Talent oder Fleiß, was ist wichtiger für Erfolg?

Roman Braun:  Je fleißiger man mit dem Talent umgeht, desto erfolgreicher ist man. Zum Beispiel Steve Jobs: Er warf nach einem Semester  als  BWL-Student  am Reed College das Handtuch. Aber da er ein ganzes Studienjahr bezahlt hatte,  besuchte er Kurse in  Kalligrafie und hatte dort mit Computern zu tun. Hätte er nicht  fleißig nach seinem Talent gesucht, wäre er nie dort angekommen. Das  Rezept: Sei fleißig dabei, dein Talent zu entwickeln.

Was ist Talent?

Genetische Veranlagung, die von der Sozialisation unterstützt wird. Wäre  Mozart in eine andere Kultur geboren, hätte er wahrscheinlich keine Symphonien geschrieben.  

Wird Talent überbewertet?

Ja. Wir sind vom angeborenen  Supertalent fasziniert. Talente  entlasten uns, weil wir  sagen können: "Ich könnte das nicht, ich habe kein Talent dafür." Hat sich jemand etwas hart erarbeitet, heißt das für uns: "Streng dich mehr an". Das  ist  uns    unsympathischer.

Wird Talent in Österreich ausreichend gefördert?

Ja, aber nur spezifisch.

Kann man fehlendes Talent mit harter Arbeit kompensieren?

Wenn der  Talentierte  fleißig ist, dann findet er Wege und öffnet Türen,  die der Untalentierte nicht findet. Wenn der Talentierte faul ist,  kann man das  mit harter Arbeit  wettmachen. Die Südamerikaner waren im Fußball immer talentiert, die Deutschen   fleißig. Vor sechs Jahren wurden  die talentierten Spanier fleißig –  und  sind  unschlagbar.

Wie findet  man sein Talent?

Folge deinem Herzen. Beobachte etwa, was du machst, wenn du dich  von der Arbeit abhältst. Zweitens: Wer sein Talent finden möchte, braucht Muße. Im Hamsterrad unserer  Routinearbeiten geht es nicht.  Und drittens:  Es muss etwas sein, das dich wie ein kosmischer Staubsauger über deine Grenzen hinausführt.  Etwas, das dich in den Flow-Zustand versetzt,  wo wir spielend die Grenzen überschreiten. Wenn der Flow eingesetzt hat, hat man es gefunden.

Hans Bachinger ist Recruiter und fest der Überzeugung: "Ohne Talent schafft man es höchstens zum Mittelmaß."

KURIER: Talent oder Fleiß, was macht erfolgreich?  

Hans Bachinger: Beides ist notwendig. Talent alleine bringt niemanden an die Spitze.  

Was ist  Talent?

Eine Kombination aus genetischen Aspekten und dem Habitus. Das Umfeld  prägt den Habitus.

Wird Talent überbewertet?

Ich glaube nicht, dass Talent überbewertet wird. Es wird als etwas angesehen,  das man gerne haben möchte, wenn man es nicht hat. Wenn  ein Pianist besonders gut spielen oder Anna Netrebko besonders gut  singen kann,  sind  viele neidisch im Sinne von: "Das würde ich auch gern können."   

Wird Talent in Österreich ausreichend gefördert?

In einigen Bereichen passiert das sicher. Gerade im Sport werden Talente früh gefördert. In anderen Bereichen passiert  das wenig bis gar nicht.  Den Eltern kommt  eine maßgebliche Rolle zu, sie müssen ihre Schützlinge beobachten. Aber es sollte nicht so  sein, dass man den eigenen Wunsch ins Kind interpretiert.   In Österreich wird leider oft versucht, die Schwächen auszumerzen, aber nicht die Stärken zu stärken.

Kann man fehlendes Talent mit harter Arbeit kompensieren?

Kein Zweifel: Harte Arbeit ist notwendig. Aber ich bin überzeugt, dass man Talent  nicht  mit  harter Arbeit und Einsatz wettmachen kann. Wenn man kein Talent für die Tätigkeit  hat, können Sie sich durch Trainings verbessern, keine Frage. Aber Sie werden wahrscheinlich nie Spitzenklasse werden. Wenn ich Managementgurus sagen höre:  "In zwei Tagen kannst du dein Leben verändern", bin ich sehr skeptisch.  

Wie kann man sein Talent finden?

Im Erwachsenenalter muss man sich intensiv mit sich selbst beschäftigen und das Talent suchen. Es muss eine gewisse Vorliebe  für das was man tut, da sein. Wenn ich  gerne kommuniziere, könnte ich mich etwa im Verkauf wiederfinden.

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