Wirtschaft/Karriere

Studierende erhellen dunkle Kapitel der Universitäten

Als Gerhart Harrer am Weihnachtstag im Jahr 2011 verstarb, war man an der Universität Salzburg bedrückt. Die Juridische Fakultät hatte einen herausragenden Professor der Forensischen Psychiatrie verloren. Rektor Heinrich Schmidinger ließ eine Parte in den Zeitungen schalten, „in ewigem Gedächtnis“ sollte Harrer bleiben.

Die Reaktionen erboster Leser ließen nicht lange auf sich warten: Harrer war in jungen Jahren NSDAP-Mitglied gewesen. Ein guter Freund des Spiegelgrund-Euthanasiearztes Heinrich Gross. „Ich war beschämt“, schließt Heinrich Schmidinger, heute Präsident der Universitätenkonferenz, die Anekdote vor etwa hundert Menschen im Festsaal der TU Wien. Er hatte es nicht gewusst.

Das Nicht-Wissen, die Verbannung dessen, was nicht gewusst werden will, in die hintersten Ecken des Gedächtnisses – damit wollte die Österreichische Hochschülerschaft aufräumen. Im Sommer 2012 rief sie das Projekt „Hochschulen in der NS-Zeit“ ins Leben. Neun Universitäten nahmen teil. Neun Monate später, am vergangenen Montag, wurde an der TU Wien das Ergebnis präsentiert. Das Buch „Österreichische Hochschulen im 20. Jahrhundert“ beleuchtet die Unis im Austrofaschismus und im Nationalsozialismus. „Es gab an manchen Unis nur vereinzelt Projekte, die die Geschichte aufarbeiteten, andererseits interessieren sich viele Studierende für das Thema“, erklärte Janine Wulz von der ÖH den Beweggrund für das Projekt. Dreizehn Lehrende und mehr als 50 Studierende nahmen teil – Forschungsseminare, Wahlfächer, wurden eingerichtet, die Studierenden gruben in den Archiven.

„Ich war erstaunt, dass so ein ambitioniertes Projekt in so kurzer Zeit gelingen kann“, sagt Herbert Posch, Historiker am Institut für Zeitgeschichte an der Uni Wien. „Das universitätsübergreifende Lehren ist eher selten, daher war es umso spannender.“ Posch begleitete Studierende im Forschungsseminar „Universität Wien im Nationalsozialismus“. Einst war Rektor Eduard Pernkopf in SS-Uniform zur Vorlesung angetreten.

Die besten Seminararbeiten wurden nun publiziert. Darunter ein Beitrag von Ina Friedmann, die sich mit den politischen Einflüssen auf die Universitätskinderklinik beschäftigte. Wie viel Zeit Friedmann investiert hat, kann sie nicht mehr sagen. „Es hat sich gut ergeben. Ich schreibe auch meine Dissertation zu dem Thema.“ Das Buch (facultas) ist ab sofort erhältlich.