Wirtschaft/Karriere

Silberne Surfer

Ihr Alter möchte die Wienerin Elfriede Wild nicht verraten. Es spielt für sie keine Rolle. Stattdessen krempelt sie den Ärmel ihres Leiberls hoch und zeigt stolz ihren Bizeps. "Fitness-Studio und das iPhone halten mich fit." Seit einigen Tagen besucht sie das Seniorencolleg im zweiten Bezirk. Trainiert wird hier nicht der Bizeps, sondern der Grips – eMails schreiben ist für die Junggebliebene längst Routine. "Und wenn ich ein Problem hab’, dann schick ich der Karin eine SMS oder mache vom Laptop ein Foto mit dem iPhone", sagt Wild. Die Karin heißt mit Nachnamen Niederhofer und ist 54 Jahre alt. Seit 2006 bringt sie in der Praterstraße Senioren die Grundschritte für die Nutzung von Computer und Internet bei. "Seit einiger Zeit steigt auch das Interesse an Kursen für Tablets und Smartphones", sagt Niederhofer. Für viele ihrer Teilnehmer sind die Kurse auch sozialer Treffpunkt, der sich virtuell via Facebook fortsetzt.

Die Zahl an Senioren, die sich wie in der Praterstraße der Technologie öffnen, ist stark steigend. Immer mehr ältere Menschen, sogenannte "Silver Surfer" (siehe unten) tummeln sich im Internet. Die Schützlinge von Niederhofer sind motiviert und gewillt zu lernen. Geduldig erklärt sie jeden Schritt aufs Neue. "Man muss die Leute mit dem Schmäh packen, dann geht alles viel leichter." Die blonde Mittfünfzigerin dreht sich zu den sechs Kursteilnehmern im Raum. Heute steht Nachrichtenschreiben und -verschicken auf dem Programm: "Also, mit dem eMail ist es wie zur Post gehen. Wenn ihr dort hingeht, kommt ihr ja auch nicht wieder mit dem Brief in der Hand nach Hause. So Frau Simonek, Sie müssen jetzt auf Senden klicken."

Eva Simonek hat vor zwei Wochen das erste Mal das Internet benutzt. Darüber ist sie glücklich. "Jetzt kann ich alleine schauen, wann das Theater beginnt oder der Zug fährt. Früher hat das immer mein Mann gemacht."

Zukunft

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Die "Alten" sind nicht mehr länger alt. So steht es auch in der Ausschreibung der Robert Bosch Stiftung. Unter dem Motto "Alter hat Zukunft" vergibt die Stiftung am 29. November den ersten deutschen "Alterspreis" an innovative Projekte. Jury-Mitglied Henning Scherf, ist ehemaliger Bürgermeister von Bremen. Er bewohnt eine Alters-WG und plädiert: "Ältere sollen mobil gehalten werden, sie müssen raus aus Wohnung und Einsamkeit."

Raus aus der Wohnung und rein in den Computerkurs. Otto Radowisch hatte keine andere Wahl. Seine Familie schenkte ihm einen Laptop. "Ich habe nicht einmal gewusst, wie ich das Ding einschalten soll. Na und deshalb bin ich jetzt hier," sagt der Pensionist. Er ist mit 86 Jahren der älteste Kursteilnehmer. Langsam tatstet er sich an das Gerät heran. um Betrachtet man die demografische Entwicklung, werden in Zukunft immer mehr Projekte nötig sein. Nach Angaben der Statistik Austria steigt die durchschnittliche Lebenserwartung bis 2050 auf über 90 Jahre.

Still sitzt er auf seinem Platz, benutzt Maus und Touchpad gleichzeitig. Zur Sicherheit, wie er sagt. Telefonieren ist ihm zwar noch lieber, dennoch will er das Erlernte nützen: "Wenn ich mich mit dem Internet besser auskenne, will ich Routen suchen für meine Wandergruppe und mit dem Enkel eMail schreiben." Für Notfälle hält Frau Simonek noch ihre Kofferschreibmaschine parat: "Ich habe sie aufgehoben. Man kann ja nie wissen."

INFO: www.seniorencolleg.at oder unter 0660/8904030

Die Zielgruppe der Zukunft

Silver Surfer ist die Bezeichnung für Menschen ab 60 Jahren, die im Internet surfen. Der Name dieser Gruppe leitet sich von den grau-silbernen Haaren ab. Die bevorzugten Themen dieser Internetnutzer: Gesundheit und Reisen. In Österreich nutzen von den 50- bis 59-Jährigen 82 Prozent das Internet. Bei Menschen ab 70 Jahren liegt der Konsum nur bei 27 Prozent. Das zeigen aktuelle Umfrageergebnisse des Austrian Internet Monitor.

2030 wird fast ein Drittel der Bevölkerung über 60 Jahre alt sein. Die Wirtschaft hat die silberne Internetgeneration längst im Auge. Die im deutschsprachigen Raum als "Best Ager"(Menschen in ihrem bestem Alter) bezeichnete Zielgruppe ist für den Markt besonders attraktiv. Laut Verbraucheranalysen konsumieren sie gerne, sind mobil, vielseitig interessiert und aktiv. Und haben vor allem Geld.

Soziale Netzwerke haben das erkannt. Das größte 50-plus-Portal im deutschsprachigen Raum www.platinnetz.de wollte seinen Mitgliedern exklusive Produkt-Angebote schmackhaft machen. Das dürfte nicht gut angekommen sein: "Aus strategischen Gründen haben wir das eingestellt", sagt Sprecherin Nicole Wurst. Man wolle sich mehr auf die Nutzer selbst konzentrieren, Treffen organisieren und Foren ausbauen. Aktuell sind 170.000 Menschen auf Platinnetz registriert, davon 2000 aus Österreich. Jedes Mitglied hat ein Profil. Der Austausch erfolgt online, aber auch abseits des Chatrooms.