Sieg und Niederlage, im EM-Spiel und Job
Public Viewing, public talking. Wir wollen ein Gespräch auf der Summerstage führen, zum EM-Match Österreich gegen Ungarn. Die Diskutanten sind Fußball-Fans, jedenfalls zur EM: Extremsportler Wolfgang Fasching, Triathletin Heidi Kindermann, Start-up-Chefin Katharina Klausberger und Pioneers-Gründer Andreas Tschas.
Es ist laut. Mit so viel Stimmung – zumindest zu Beginn des Spiels – haben wir nicht gerechnet. Ein Gespräch? Ergibt sich nur in Ansätzen. Die Blicke sind unablässig auf die Monitore gerichtet. Wir wollen über Sieg und Niederlage reden. Und haben nicht erwartet, dass die Siegereinstellung der Fans in die Niederlage-Stimmung kippt. 90 Minuten Hoch und Tief – Anpfiff.
KURIER: Eure Tipps für das Spiel?
Andreas Tschas: 1:0.
Heidi Kindermann: 2:1.
Katharina Klausberger: 2:0.
Wolfgang Fasching: 2:0.
Alle sehen Österreich als Sieger.
Die Österreicher sind ein gutes Team geworden. Wie wichtig ist der Teamgedanke bei einem Start-up?
Katharina Klausberger: Es ist das Wichtigste. Jeder schaut, dass er die Extra-Meile geht, sich gleichzeitig um das Gesamte kümmert.
Andreas Tschas: Gute Investoren investieren vor allem in gute Teams. Ich habe da viel gelernt. Mein Fehler anfangs: wir waren eher eine Familie und kein Team. Das ist nicht gut. Weil Familie ist unendliche Liebe. Als Geschäftsführer muss man aber Trainer sein und die Konsequenzen ziehen, wenn jemand nicht gut spielt.
1. Spielminute: Jaaaa! Jubel! Alaba steuert den Ball aufs Tor – und schießt an die Stange. Es hätte das schnellste Tor der EM-Geschichte sein können.Wolfgang Fasching windet sich. Es sind seelische Schmerzen. Andreas: Mah. Das wär’s g’wesen. Das gibt’s ja nicht.
Wie weit kommen wir bei dieser EM?
Andreas: Viertelfinale. Aber können wir das nach dem Spiel bereden? Die Spieler sind nervös, ich merk das voll.
Könnt ihr euch vorstellen, wie es den Fußballern jetzt geht?
Wolfgang: Ich denke, die haben eine große Anspannung zu Beginn, bis das Spiel rund wird. Die schwierigste Phase ist, da reinzukommen. Weil jetzt ist das echt, jetzt gibt es keine Ausrede, jetzt zählt alles.
Wann seid ihr besonders nervös?
Wolfgang: Vor dem Wettkampf und vielleicht in der ersten Phase. Aber irgendwann löst sich das. Hoffentlich.
Heidi Kindermann: Angespannt zum Startschuss, dann ist es vorbei. Vorher bin ich sehr nervös. Da höre ich Musik, keiner darf mich anreden. Mit dem Startschuss ist die Nervosität weg. Das Spiel läuft dahin. Es wird nicht rund. Die Österreicher vergeben Torchancen. Wir sind verwirrt.
Andreas: Gibt’s noch eine Frage?
KURIER: Nein, uns fällt grad keine ein.
Wolfgang: Wenn jetzt die Ungarn ein Tor schießen, dann wird’s eh ruhiger, dann können wir in Ruhe reden...
Alle wollen genau das NICHT... 17. Minute: Zlatko Junuzovic knöchelt im Zweikampf mit Zoltan Gera um, liegt verletzt da. Die Zeitlupe wird eingeblendet. Uuuuu. Ahhhh.
Wolfgang: So ein Foul will keiner sehen, das tut richtig weh.
Wie geht ihr mit Verletzungen um?
Wolfgang: So lange man seine Leistung geben kann, tut man es. Es ist klar, dass Junuzovic ans Limit geht, dafür hat er trainiert. Ich habe mir beim Race across America 200 Kilometer vor dem Ziel das Schlüsselbein gebrochen. So kurz vor dem Ziel hält man durch. Das geht aber nur, wenn man von den Ärzten grünes Licht bekommt. An Grenzen kann man gehen, drüber nicht, das ist ungesund.
Katharina, was macht ihr mit Leuten, die den Teamspirit stören?
Katharina: Austauschen. Das ist schon öfter vorgekommen. Der Teamspirit, der Wille, gemeinsam Richtung Ziel zu rennen, ist sehr wichtig. Wir achten darauf, die richtigen Bewerber auszuwählen und schauen, dass man einander gut kennenlernt. Nicht jeder passt zu uns.
Heidi, bist du im Wettkampf allein?
Heidi: Ja, bin ich und will ich sein. Ich habe einen Tunnelblick, sehe keine Zuschauer. Mein Trainer ist beim Wettkampf nicht dabei, auch keine Familie und Freunde.
Andreas: Also, so ehrlich muss man sein: das ist keine tolle Partie. Wir haben noch nicht viel gesehen, nur einen Schuss von Alaba und nervöses Mittelfeldgeplänkel. Ihr werdet sehen: der Prohaska bestätigt mich in der Pause.Viel Wahrheit in Minute 25.
Was entscheidet im Leben über Sieg und Niederlage?
Andreas: Es sind viele Variablen. Das Training, mentale Stärke. Siehe Thomas Muster oder Hermann Maier, die haben mit mentaler Stärke alles erreicht. Dazu noch die Abgebrühtheit.
Heidi: Im Sport ist immer auch Glück dabei, der Rest ist Training und sehr harte Arbeit. Der Kopf hat großen Anteil – sicher 50 Prozent. Ich stelle mir vor jedem Wettkampf das Stadion vor, den Ort, wie das Wasser dort schmeckt, wie es dort riecht. Das visualisiere ich. Niederlagen im Leben? Die kenne ich nicht. Das sind Rückschläge, die ich wegstecke. Und die ich positiv nützen kann.
Wolfgang: Fleiß, Talent, Können, Rückschläge verkraften und Glück gehören dazu. Auch die Tagesverfassung spielt eine Rolle.
Katharina: Das sind viele kleine Details: nie aufzugeben, bis an die Grenzen zu gehen, immer etwas mehr zu schaffen als die anderen und neu zu denken.Und wenn eine Niederlage passiert?
Katharina: Sich abputzen, aufstehen und weitermachen. Ein Start-up ist wie eine Achterbahn, es geht rauf und runter, und das mehrmals pro Woche. Das Match plätschert dahin... Es passiert nicht viel.
Was, wenn man probiert und probiert und es wird trotzdem nix?
Andreas: Dann muss man auch loslassen können. Einen Schritt zurück machen und das größere Bild sehen.Heidi: Im Wettkampf darf man nicht aufgeben. Und im Leben? Wenn ich probiere und probiere und es klappt nicht, dann ist das vielleicht einfach nicht meine Bestimmung. Halbzeit. Wir essen. Die Stimmung: betrübt.
Was war dein größter Sieg, deine größte Niederlage?
Andreas: Der größte Sieg war das erste Pioneers Festival. Wir waren alle so stolz. Die größte Niederlage: Dass ich die Matura nicht geschafft habe. Also erst im zweiten Anlauf. Ich hatte tatsächlich 13 Vierer im Maturazeugnis.
So viele Fächer gibt es ja gar nicht?!
Andreas: Es gibt 14 Fächer. Nur in Turnen hatte ich einen Einser. Ich habe die Matura trotzdem irgendwie geschafft und auch ein Studium abgeschlossen – das war aber ein ähnliches Prozedere. Die Mama hat keine Freude gehabt. Aber ich hab das nicht so schlimm gesehen. Ich bin einfach nicht abgeholt worden, in der Schule.
Katharina: Sieg, Niederlage: Ich denke darüber nie nach. Ein großer Sieg war, dass wir als Team etwas mit Bedeutung geschaffen haben. Der Exit von Shpock (siehe unten) war es nicht. Rückschläge gibt es ständig, das sehe ich als normal an. Man bekommt Übung im Finden von Lösungen.
Wolfgang: Ich tu mir da so schwer, das einzuteilen. Dass man da und dort ein zweites Mal probieren muss, das ist doch keine große Sache. Ich bin bei der Besteigung der Seven Summits am einfachsten Berg gescheitert, dem Kilimandscharo. Davor war ich schon am Mount Everest.
Die Tragödie in der 62. Minute. Tor der Ungarn. Enttäuschung. Jammer. Fassungslosigkeit. Was ist da los?
Wolfgang: Was soll ich jetzt noch sagen?! Also: Ich bin am einfachsten Berg gescheitert, weil ich zu viel zu schnell wollte. Ich war gestresst, leicht kränklich. Da zeigt dir die Natur die Grenzen. Auf 4500 Meter war Schluss. Aber ich tu mir mit dem Wort Niederlage so schwer, weil es das braucht, um wieder auf den Boden der Realität zurückzukommen. Um zu erkennen, dass es keine Abkürzungen gibt, um erfolgreich zu sein.
66. Minute: Hinteregger trifft ins Tor. Aufschrei, Jubel, Jawoll! Endlich. Und dann: Gelb-Rot für Dragovic. Tor aberkannt. Fassungslosigkeit.
Wolfgang: Es ist besonders bitter, wenn ein Tor durch ein Foul doch nicht zählt. Die Spieler müssen jetzt gleich wieder nach vorn denken. Das ist die mentale Schwierigkeit: Rückschläge abzuhaken und sich nicht entmutigen zu lassen.
70. Minute: die Ungarn drehen auf. Alle starren nervös in den Monitor. Volle Konzentration.
Wolfgang: Mein größter Erfolg? Dass ich als 18-Jähriger das Race across America gesehen habe und zehn Jahre später teilnahm. Ein langer Zeitraum, wo man hofft, träumt, arbeitet.
Heidi: Ich habe dieses Denken Sieg-Niederlage nicht mehr. In unserer Zeit muss in Beruf und Sport alles höher, schneller, weiter sein. Ich bin vom bedingungslosen Leistungsgedanken weggekommen. Für Geltung und Geld sich und alles rundherum aufzugeben – das sollte man nicht tun.
87. Minute: Das 2. Tor der Ungarn. Die Stimmung ist im Keller. So war das ganz und gar nicht geplant. Ratlosigkeit auf der Summerstage. Betrübte Gesichter. Nachspielzeit.
Andreas: Na gut. Alle unsere Tipps sind falsch. Das Spiel ist aus.
0:2. Tristesse.
Euer Resümee?
Andreas: Scheiße. Die Hoffnung stirbt zum Schluss.
Heidi: Das ist Sport.
Katharina: Schade. Aber es gibt ja weitere Spiele.
Wolfgang: Traurig. Jetzt gibt’s nur den Blick nach vorne.
Der Oberösterreicher (geboren 1967) nahm acht Mal am Race Across America, dem längsten und härtesten Radrennen Amerikas, teil, stand acht Mal am Podium und gewann drei Mal. 2001 erklomm Fasching als 13. Österreicher den Gipfel des Mount Everest. Mit der Besteigung der Carstensz- Pyramide in West-Papua vollendete Wolfgang Fasching das Projekt Seven Summits. Der Extremradsportler, Vortragende zum Thema mentale Stärke und Mentalcoach ist mehrfacher Buchautor, u. a. „Die Kraft der Gedanken“, „Du schaffst, was du willst“.
Die Triathletin Heidi Kindermann ist Ausdauersportlerin und Trainerin Die Wienerin mit norwegischen Wurzeln, Jahrgang 1987, ist passionierte Ausdauersportlerin. Eigentlich ist sie gelernte Köchin, und das schon in dritter Generation. Nach der Matura orientierte sie sich um, machte einen Master in „Training und Sport“ an der FH Wiener Neustadt. Seit 2009 ist sie Triathletin und bestritt auch ihren ersten Ironman (3,86 km Schwimmen, 180,2 km Radfahren, 42,195 km Laufen). Neben ihrer eigenen Sportkarriere ist Heidi Kindermann Trainerin – individuell und für kleine Gruppen – mit beeindruckenden Motivationskünsten.
Der Kärntner hat eine Mission: junge Menschen darin zu unterrichten, sie zu inspirieren, ihr eigenes Start-up zu gründen. Dafür hat er das Pioneers-Festival gegründet, das er als CEO auch führt. Es findet jährlich in der Wiener Hofburg und mittlerweile auch im
Ausland statt. Bei den Veranstaltungen treffen junge Menschen mit Ideen, Investoren und Vortragende zusammen, um sich zu vernetzen. Schon 2007 gründete Tschas selbst (die Consulting-Firma icons), 2008 und 2009 war er Assistent eines Parlamentariers. Er studierte Wirtschaft an der WU Wien.
Katharina Klausberger schaffte mit der Shpock-App den Exit2010 gründete Katharina Klausberger gemeinsam mit anderen die Flohmarkt-App Shpock. Im September 2015 schaffte sie den Exit: der norwegische Mehrheitseigentümer Schibsted Classifieds Media übernahm die mit 200 Millionen Euro bewertete App.
Klausberger studierte nach der HTL an der University of Warwick und an der WU Wien BWL und schloss danach ihr Doktorat ab. Sie war etwa als Consumer Marketing bei T-Mobile Austria und als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Entrepreneurship an der WU tätig.