Wirtschaft/Karriere

„Quereinsteiger haben große Chancen“

Industrieland Österreich will die Produktion mithilfe digitaler Technologien in den kommenden Jahren deutlich ausbauen, zeigt eine aktuelle EY-Studie. 60 Prozent der heimischen mittelständischen Industrieunternehmen tun dies bereits – zumindest teilweise. Laut WIFO müssen Produktionen dadurch nicht länger ins Ausland verlagert werden. Doch die Fachkräfte fehlen. Insgesamt 162.000 laut WKO. Deutlicher Mangel besteht vor allem in den Bereichen Industrie, Technik und IT – im Speziellen im Maschinenbau, in Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnologie, wertet das AMS aus. Doch auch in Familienunternehmen ist der Fachkräftemangel ein größeres Problem als die Konkurrenz oder gar die Digitalisierung.

Umdenken bei Rekrutierung

Eine Umfrage von Joshua Consulting und Bankhaus Spängler hat ergeben: 59 Prozent der Unternehmen empfinden die Knappheit an Spezialisten als eine der größten Herausforderungen überhaupt – speziell mittelgroße Betriebe. Doch wie Abhilfe schaffen? Laut Alfred Harl, Obmann des WKO-Fachverbands für Unternehmensberatung, Buchhaltung und Informationstechnologie (UBIT), haben Quereinsteiger „sehr große Chancen, weil Codierer und Softwareentwickler zahlreich gebraucht werden.“ Interesse und eine gewisse Affinität, dazu zählt ihm zufolge beispielsweise schon das Nutzen von Apps, seien Grundvoraussetzung – Quellberuf und Alter hingegen unbedeutend.

"Vorkenntnisse gleich null"

Diese Kriterien brachte Siegfried Stampf, 32 vor rund fünf Jahren mit. „Mein Bruder hatte mir in seiner Firma einen Studentenjob – ich habe Lehramt studiert – im Support beschafft. Das war mein erster Berührungspunkt mit SAP“, erzählt er. Nach dreieinhalb Jahren arbeitete er einige Zeit als Betreuungslehrer, bis er eine Stellenausschreibung des AKH sah. Gesucht wurde Personal, das Ärzte in das neue klinische Informationssystem einschult. Seiner vorherigen SAP-Erfahrung verdankte Stampf die herausfordernde Anstellung. „Das Schwierige war, sich selbst in das System und die medizinischen und klinischen Prozesse einzulernen. Meine Vorkenntnisse waren gleich null. Wir haben zwar eine Einschulung erhalten, aber nur marginal. Am Anfang war alles irrsinnig komplex – ich fühlte mich verloren“. Durch learning by doing und mithilfe seiner Kollegen fand er sich mit der Zeit aber gut ein. Nachdem das Projekt beendet war, schloss er sein Lehramt-Studium ab und blieb bei der Pädagogik, auch wenn ihm der Wechsel überaus schwerfiel. Eine Karriere als Quereinsteiger in der Technik sieht er zwar als Ausnahme, aber dennoch möglich.

"Alles ist lernbar"

Damit stimmt auch Julia Foißner, 34 überein – die einzige Frau in ihrer Abteilung bei der Kapsch BusinessCom AG in Linz. Besonders wichtig sei, vor allem für Frauen, Mut. „Frauen dürfen keine Angst vor Technik und IT haben, denn alles ist lernbar“, sagt sie. Auch sie ist in die Technikbranche quereingestiegen. Vor ihrer jetzigen Position als Junior Service Delivery Manager war sie Sprechstundenhilfe. „Meine Vorkenntnisse bestanden nur aus den Basics aus Schule und Fachhochschule. Ich werde aber bei Kapsch eingelernt“, so Foißner. Die technischen Fachbegriffe waren zu Beginn ein Hemmnis. „Mit der Zeit kommt man aber rein. Die Kollegen helfen mir und geben mir Zeit, mir das Fachwissen anzueignen. Das motiviert“, sagt sie. Für sie ist eine Karriere als Quereinsteiger realistisch: „Es besteht Fachkräftemangel im IT-Bereich. Unternehmen müssen auch Unerfahrenen eine Chance geben.“