Wirtschaft/Karriere

Philipp Ikrath: "Vergesst den Gen-Y-Quatsch"

Die Generation Y will flexibel sein, arbeiten, wann und wo sie will, sie fordert Freizeit und Spaß statt Status. Jugendforscher Philipp Ikrath sagt: Medien und Firmen gehen diesem Ansatz auf dem Leim, denn: "Die Generation Y gibt es gar nicht."

KURIER: Der Jugendtrend-Monitor Ihrer Konkurrenz zeigt: Die Jugend ist sehr angepasst und brav. Philipp Ikrath: Ja, das kommt überall raus, das dürfte wohl als gesichert gelten.

Die Rebellen waren doch immer eine Minderheit.

Stimmt. Wenn man die angebliche Politikverdrossenheit der heutigen Jugend mit der 68er-Generation vergleicht, muss man sagen: Was heute als 68er bezeichnet wird, betraf damals ein bis zwei Prozent der Jugendlichen. Der Unterschied ist: Heute gibt es keine Gruppe, die so rebellisch ist wie es die Hippies oder Punks waren.

Sie haben ein Buch zur "Generation Ego" geschrieben. Was meinen Sie damit?

Die Jugendlichen sind sehr individualistisch, auf sich selbst bezogen: Was nichts mit ihnen zu tun hat, blenden sie aus. Sie wachsen in einer sehr individualistischen Gesellschaft auf.

Selbstverwirklichung spielt eine große Rolle?

Ja, was früher die Religion war, ist heute die Selbstverwirklichung, eigentlich Selbstoptimierung. Man will besser werden in dem was man tut. Drei Monate in Indien unter der Kokospalme Sitar zu spielen, kommt im Selbstverwirklichungsgedanken der Menschen meist nicht vor.

Stichwort Karriere: Der Yuccie hat den karrieregeilen Yuppie abgelöst, liest man.

Den Yuppie-Typus – er will Geld, ein Dienstauto, eine große Uhr – trifft man unter den Jugendlichen kaum mehr an. Den Yuccie mag es geben: er gründet Start-ups, vereint Selbstverwirklichung und exklusiven Lifestyle und kauft Grüne-Erde-Matratzen um tausende Euro.

Wer oder was ist "die Generation Y" nun?

Das ist eine sehr kleine Gruppe: sehr gut ausgebildet, aus urbanen Zentren, kulturaffin, flexibel, mobil, verwirklicht sich im Job, betreibt Blogs, nimmt in Anspruch, die Stimme der Jugendlichen zu sein. Davon ist sie aber weit entfernt.

Inwieweit ticken die anderen Jugendlichen, etwa Lehrlinge, anders?

Flexibilität und Mobilität ist für 90 Prozent der Lehrlinge eine fürchterliche Vorstellung. Sie wollen einen sicheren Arbeitsplatz in Wohnnähe, wo man halbwegs vernünftig verdient und sich keinen Hax’n ausreißen muss. Der Job ist ein Vehikel, um Geld für die Freizeit zu beschaffen.

Die Ys fordern bei Bewerbungsgesprächen zu viel, sagen Personalisten.

Diese jungen Leute treten im Vorstellungsgespräch wahnsinnig selbstbewusst auf. In unserer Ökonomie gilt mehr, die eigene Leistung gut zu verkaufen, als tatsächlich etwas zu leisten. Die Selbstinszenierung als Marke zählt – das sehen die Jungen schon in den Castingshows.

Andererseits regen sich Firmen auf, dass Lehrlinge nicht grüßen. Hier fehlt die Selbstinszenierung.

Dass ein Lehrling aus bildungschwachem Elternhaus diesen Habitus der Elite nicht annehmen kann, ist kein Wunder. Daher ist der Begriff Generation Y ja so problematisch: der Lehrling wird am selben Maßstab gemessen wie der typische Y.

Was muss man anders machen?

Die Leute sollen den Generation-Y-Quatsch nicht glauben. Durch dieses Idealbild geraten viele unter Druck: Wer eine Lehre macht, ist ein Trottel, mit Matura ist man nichts. Man braucht schon ein Studium, ein Auslandsjahr, einen eigenen Blog.

Unternehmen wollen sich künftig aber auf diese Generation Y einstellen.

Sie sitzen dem Irrtum auf, dass alle arbeiten wollen wie die Ys. Das stimmt für Kreativagenturen, aber nicht für Handwerker. Das ist entweder naiv oder der Versuch, die Leute einem neuen Arbeitsmarktregime unterwerfen, mit flexiblen Jobs und Selbstverantwortung. Doch es gibt genug Jugendliche, die keine bunten Bälle im Büro wollen – sondern froh sind über einen Gummibaum.