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Barbara Stelzl-Marx: "Möglichkeiten sollte man am Schopf packen"

Barbara Stelzl-Marx, Historikerin, Uniprofessorin und Leiterin des Ludwig Boltzmann Instituts für Kriegsfolgenforschung, beherrscht das Kunststück perfekt: Freundlichkeit in der Stimme zu haben und dennoch unglaublich kompetent zu wirken. Sodass man von Anfang an spürt: Diese Frau hat ihr Fach im Griff.

Was sie tut? Wissenschaft auf höchstem Niveau betreiben. Was sie noch tut: Von ihrer komplexen  Forschung – zum Thema Weltkriege, Kalter Krieg, Kinder des Krieges und Migration – zu erzählen, ohne dass man nach zwei Minuten verwirrt ist. Auch dafür wurde sie nun als Wissenschafterin des Jahres ausgezeichnet.

Dabei startete ihre Karriere ungewöhnlich – denn hätte sie 1993 am Flughafen von Wolgograd nicht zufällig den Grazer Historiker Stefan Karner getroffen, hätte sie vielleicht eine völlig andere Laufbahn eingeschlagen. Im KURIER Chat-Interview sprach sie über Zufälle und Zutaten ihrer Karriere.

KURIER: Sie sind Wissenschafterin des Jahres, Gratulation! Wie fühlt man sich da: Gekrönt?

Barbara Stelzl-Marx: Gekrönt? Nein, eher geehrt. Ich freue mich sehr über diese hohe Auszeichnung.

Ihre Karriere startete durch einen Zufall – weil sie den richtigen Menschen im richtigen Moment angequatscht haben. Stimmt das?

Ja genau. Das war in Wolgograd 1993, wo ich am Flughafen einen Professor von der Grazer Uni getroffen habe und dann einen Sommerjob in den Moskauer Archiven bekommen habe. Aus dem Sommerjob wurde ein Lebensjob.

So etwas kann man eigentlich nicht planen?

Nein, überhaupt nicht. Aber ich habe gleich gemerkt: Das ist etwas, was mich interessiert und ich gerne machen würde. Deshalb habe ich mich auch richtig ins Zeug gelegt.

Sie haben ja Anglistik und Russisch studiert. Nicht gerade als Fächer bekannt, mit denen man groß Karriere macht. Was sagte Ihre Mutter dazu?

Sie sagte: Das Wichtigste ist, dass es dir Freude macht und dich interessiert. Sie hat aber auch Jus vorgeschlagen ... Später habe ich dann noch Geschichte studiert. Wichtig ist, dass man offen ist und bereit, sich zu engagieren. Das heißt: Auch einmal mehr tun, als man eigentlich tun müsste. Und: Möglichkeiten sollte man unbedingt am Schopf packen.

Müssen Kinder auf Ihre Eltern hören, wenn es um das Thema Studienwahl oder Karriere geht?

Schwierig. Sie sollten in sich hineinhören. Auf das, was sie selbst möchten. Aber das ist natürlich nicht einfach in dem Alter. Helfen kann es, mit den unterschiedlichsten Leuten zu reden, die einen gut kennen und einem wohlgesonnen sind. Wobei gilt: Unterschiedliche Meinungen sind gut, entscheiden muss man aber selbst.

Haben sie als Studentin je gedacht, dass Ihre Uni-Karriere Sie dorthin führt, wo Sie jetzt sind?

Mit 18 habe ich eigentlich noch keine unmittelbare Berufsvorstellung gehabt. Neu an der Uni musste ich erst alles kennenlernen. Zwei, drei Jahre später hat sich das dann erst entwickelt.

Wissenschafterin, was ist das überhaupt für ein Beruf? Was machen Sie konkret?

Ich erforsche Themen, die bisher unbekannt waren. In meinem Fall bedeutet das, dass ich ins Archiv gehe und die unterschiedlichsten Quellen zusammentrage.

Ein bisschen wie Detektivarbeit?

Ja, weil ich dabei bin, Neuem auf die Spur zu kommen. Wichtig ist auch das Vermitteln.

Also ein bisschen Lehrer sein?

Lehrender. Das heißt, ich versuche, mein Wissen an Studierende weiterzugeben.

Stimmt es, dass Uniprofessorinnen richtig gut verdienen und richtig viel Urlaub haben?

Richtig viel Urlaub? Nein, gleich viel wie alle anderen. Richtig gut verdienen? Auch nicht wirklich. Die Arbeit macht Freude, das ist das Wesentliche.

Wie kriegt man eine Top-Karriere wie Ihre hin?

Viele Faktoren spielen da mit: Gute Rahmenbedingungen, Unterstützung durch Mentoren und dann braucht man eine Portion Glück. Ich habe wirklich ganz renommierte Stipendien bekommen, das hilft. Ein Rezept für die Uni-Karriere gibt es keines, wichtige Zutaten aber sind Freude, Interesse, großes Engagement und etwas Mut.

Sind Sie mutig?

Ich glaube schon. Diese vielen und langen Auslandsaufenthalte etwa in Russland, haben sicher auch Mut gebraucht. Das war ein Aufbruch ins Ungewisse.

Man hört, dass sich junge Forscher oft von Projekt zu Projekt hangeln – für Menschen, die eine solide Laufbahn suchen, ist das eher nichts?

Das ist vielfach so und war es auch bei mir. Auch jetzt am Institut müssen wir immer schauen, dass wir neue Projekte bekommen.

Ist das belastend?

Es ist ein Ansporn, super Leistung zu bringen.

Ihr Rat für Studierende, die forschen wollen?

Wenn man die Möglichkeit bekommt, wo reinzuschnuppern, sollte man es tun. Auch wenn wenn es einen Sprung ins kalte Wasser bedeutet und das Gehalt anfangs vielleicht mager ist.

Drei Nachwuchsforscherinnen über ihre Karriere

Anna-Sophia Bauer (27) studierte an der Uni Wien, erhielt ein Leistungsstipendium und ist heute wissenschaftliche Mitarbeiterin  im Kompetenzzentrum für Sustainable and Future Oriented Packaging Solutions der FH Campus Wien.

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„Die Fragestellungen, die ich bearbeite, drehen sich um die Qualität und Sicherheit von Lebensmitteln in Zusammenhang mit deren Verpackung.  Es wäre übertrieben zu behaupten, ich hätte immer davon geträumt, Forscherin zu werden. Erst mit dem Studium habe ich diese Option ernsthaft in Erwägung gezogen. Nach meiner Masterarbeit wollte ich unbedingt wissenschaftlich weiterarbeiten.

Das „Wie“ war mir zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht klar. Ich hatte Glück mit meinem Betreuer – als die nächste Stelle in seinem Team im Fachbereich Verpackungs- und Ressourcenmanagement  vakant war, habe ich mich beworben. Es lag etwa ein halbes Jahr zwischen dem Wunsch und der tatsächlichen Umsetzung. Für mich selbst hat es sich bewährt, nach Optionen wie auch Wegen zu fragen und den Wünschen dann mit Eigeninitiative nachzugehen.“

Christa Cuchiero (36) bekam 2019, damals an der WU Wien, den START-Preis, den renommiertesten Wissenschaftspreis für Nachwuchsforscherinnen.

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„Ich erforsche gerade die Rolle des Zufalls bei Machine Learning. Eines der Ziele ist es, mit Hilfe von bahnbrechenden Entwicklungen aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz Risiken am Finanzmarkt möglichst realitätsnah einschätzen zu können. Ich träumte nicht seit  jeher davon, Forscherin zu werden. Aber mein Interesse für Naturwissenschaften, insbesondere Mathematik, hat früh begonnen.

Schon in der Volksschule war mir rechnen lieber als Aufsätze schreiben. Als Forscherin ist Neugierde und der Wunsch, die Dinge in ihrer Tiefe zu verstehen, eine treibende Kraft.  Eine permanente Stelle, insbesondere Professur, in einer attraktiven Stadt zu bekommen, ist nicht einfach. Der Hauptfaktor, damit es klappt, ist sicherlich langjährige konzentrierte und konsequente Arbeit.“

Vanja Subotić (31) leitet eine Forschungsgruppe am Institut für Wärmetechnik der TU Graz. 2019 erhielt sie den Josef-Krainer
Förderungspreis. 

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„Mein Schwerpunkt liegt auf Brennstoffzellentechnologie. Ich möchte wissen, wie die Zellen genau funktionieren und wie man ihren Betrieb optimieren kann. Schon in der Grundschule war ich von Mathematik und Physik begeistert. Im Laufe der Zeit ist meine Begeisterung  nur größer geworden und es war für mich selbstverständlich, dass ich Forscherin werden möchte.

Es macht mir sehr viel Spaß, man lernt ständig Neues. Und wenn man Ergebnisse erzielt, hat man die Möglichkeit, sie Forschern aus der ganzen Welt in Form eines Papers, in einem Journal oder als Vortrag  auf Konferenzen zu zeigen. Internationale Wissenschafter kennenzulernen, Ideen auszutauschen und  Kooperationen  machen die ganze Sache noch spannender. Aber: Forschung ist harte Arbeit  und man muss viel Zeit investieren.“