Geschlachtet, verpackt, verbrannt: Unsere Lebensmittelverschwendung
Von Diana Dauer
Es sind Bilder, die selbst hartgesottene Realisten schockieren. Berge von eingeschweißtem Frischfleisch stürzen übereinander. Füllen die Halle einer Müllverbrennungsanlage in Österreich. Sie stammen aus einem heimlich aufgenommenen Video, das Greenpeace zugespielt wurde und das dem KURIER vorliegt.
Umsonst gestorben
Fleisch, das mit hohem Ressourcenaufwand produziert wird, in die scheinbar nie leerwerdenden Supermarktregale geschlichtet und letztendlich verbrannt wird. Wehe denen, deren Frischfleischquelle im Kühlregal versiegt. Haben Supermärkte Fleischprodukte nur so lange der Vorrat reicht, wandern Kunden und Kundinnen zu anderen Supermärkten.
Der Kunde ist es gewohnt immer und zu jederzeit noch den frischen Braten zu bekommen – auch kurz vor Ladenschluss. Doch was nicht verkauft wird, wird entsorgt. Etliche Zuchttiere sind dann umsonst gestorben.
Immer Vorrat
Das Resultat des Überflusses sind unfassbare Mengen an vermeidbarer Lebensmittelverschwendung (siehe Grafik rechts). Das betrifft in Österreich aber nicht nur Fleisch, auch Milchprodukte, Backwaren, Obst und Gemüse landen in rauen Mengen im Abfall.
„Die Supermärkte aber sind nur ein Glied in der Kette“, erklärt Greenpeace Agrarexperte Sebastian Theissig-Matei gegenüber dem KURIER. Entlang der Wertschöpfungskette gibt es einige Stationen, an denen Lebensmittelabfälle entstehen.
Wo das Essen liegen bleibt
Das beginnt bereits auf dem Feld, auf dem Form- und Größensonderlinge liegen bleiben, geht in der Produktion über dem Handel und Großhandel weiter. Große Mengen vermeidbarer Lebensmittelabfall fallen in der Gastronomie an und besonders viel im eigenen Heim. Die privaten Haushalte entsorgen den größten Anteil an Lebensmitteln. „Das zugespielte Video zeigt hier nur einen Aspekt des Problems“, erklärt Theissig-Matei von Greenpeace.
Über eine Milliarde
Weltweit landen 1,3 Milliarden Tonnen Lebensmittel im Müll. Mit einem Viertel dieser Lebensmittel könnte man, so Greenpeace, den globalen Hunger stillen. Österreich liegt bei der Lebensmittelverschwendung mit etwa einer Million Tonnen im Jahr über dem EU-Durchschnitt.
Hier füllt sich etwa pro Sekunde eine Mülltonne mit vermeidbaren Lebensmittelabfällen. Im Schnitt werden hierzulande zwischen 250 und 800 Euro pro Haushalt und Jahr für weggeworfene Lebensmittel ausgegeben. Ein vermeidbares Übel.
Dass Massen im Hausmüll landen, „liegt auch an einem Missverständnis des Mindesthaltbarkeitsdatums. In der EU werden zehn Prozent der Lebensmittel entsorgt, weil man diese Information fehlinterpretiert“, erklärt Georg Strasser, Country Manager von Toogoodtogo. Das Unternehmen aus Dänemark hat es sich zur Aufgabe gemacht, Mahlzeiten vor dem Abfalleimer zu retten, indem sie Überbleibsel aus Gastronomie und Supermärkten an Endkunden vermitteln, bevor sie in der Tonne landen. Mit dieser Geschäftsidee steht Toogoodtogo aber nicht alleine da. Immer mehr Unternehmen und Konsumenten sind sich der Dramatik der Verschwendung bewusst und steuern mit ihrem Konsum und Geschäftsmodellen dagegen.
Unternehmen wittern Möglichkeiten und sehen Notwendigkeit
„Wir bieten eine wirtschaftliche Lösung für ein Umweltproblem“, sagt Georg Strasser gegenüber dem KURIER, der Toogoodtogo in Österreich leitet.
In Österreich arbeitet die Plattform mittlerweile mit 3.700 Kaffeehäusern, Restaurants, Supermärkten und Hotels zusammen. Und die Plattform wächst mit steigendem Bewusstsein in der Gesellschaft. Strasser berichtet, dass in Österreich bisher 2,2 Millionen Mahlzeiten gerettet wurden – pro Paket erhält Toogoodtogo etwa 1,19 Euro Provision. Sie erwarten bis Ende diesen Jahres weitere 3,5 Millionen Mahlzeiten zu retten und bis zu 1,6 Millionen Abnehmer – also ein Plus von rund 600.000 Kunden.
Bereits beim Landwirt setzt das österreichische Unternehmen „Unverschwendet“ an. Sie produzieren Marmeladen, Sirup und Chutneys aus überschüssigem Obst und Gemüse von Bauern. Und das Angebot ist riesig. „Nur aus dem Umkreis von Wien wurden uns bereits zehn Millionen Kilo Obst und Gemüse angeboten, das den Landwirten übrig bleibt“, sagt die Gründerin und Geschäftsführerin Caroline Diesenreiter.
Die Nachfrage nach geretteten Lebensmitteln ist bei beiden Firmen groß. Immer mehr Initiativen und Unternehmen entdecken ihren Weg, um wirtschaftliche Lösungen für dieses Problem zu finden. Konkurrenzgefühle spüren weder Strasser von Toogoodtogo noch Diesenreiter von Unverschwendet. „Es gibt so viele Abfälle, dass noch lange keine Konkurrenz entsteht“, sagt Caroline Diesenreiter.