Wirtschaft/Karriere

Es ist Zeit für Bewerbungen mit Charisma

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Sie wollen – so viel ist sicher – die Hochbegabten, die besten Köpfe, die Innovativen, die Lösungen finden. Doch wie dürfen die sich präsentieren? Nur in Schwarz-Weiß, übersichtlich, tabellarisch, mit Passfoto und online? Wo die Bewerbung beginnt, endet oft die viel zitierte Kreativität. Als sei das eine Krankheit, die man besser versteckt, bis man einander gut genug kennt.
Zeit für einen neuen Trend: Die Bewerbung nach Maß, die zeigt, wer die Persönlichkeit hinter dem Werdegang ist.

Vom Essay zur Tabelle

Welche Standards eine Bewerbung zu erfüllen hatte, wie sie aussehen musste, spiegelte den Zeitgeist und die technologischen Möglichkeiten der jeweiligen Epoche wieder. 1940 etwa, schrieben Bewerber ihren Lebenslauf gerne in erzählerischer Form, beginnend mit „Ich wurde geboren, als ...“. 1960 wurde die Essay-Bewerbung dann vom tabellarischen Lebenslauf abgelöst – alles handschriftlich, versteht sich. Bewerbungsexpertin Svenja Hofert sagt: „Es dominierten auch in den 60er- und 70er-Jahren noch einseitige handschriftliche Lebensläufe, doch die maschinengeschrieben wurden immer häufiger.“ In den 1990ern wurde nach amerikanischem Vorbild das Selbstmarketing wichtiger und Porträtfotos deshalb immer größer. Dann wurde das Internet massentauglich und Unternehmen entdeckten Mitte der 2000er-Jahre die schnelle Online-Bewerbung. Hier stehen wir jetzt: vor einer Online-Maske. Mit grauen Feldern, in die man Name, Geburtsort, Ausbildung und Fähigkeiten einträgt, sich ein Karriereprofil erstellen und Dokumente hochladen kann. Damit ist der administrative Aufwand gering gehalten, die Bewerber werden für die Personalverantwortlichen einfach vergleichbar.
Auch so mancher Bewerber ist froh, dass die Zeiten der Kuvert-Leckerei und des Formulierungszwangs vorbei sind. Es war eine Zeit mit aufwendig entworfenen Lebensläufen, denen man nicht ansehen sollte, wie viel Arbeit hineingesteckt wurde. Stundenlang wurden Sätze umgestellt und Wörter ausgebessert, bis es keine Reibereien mehr gab. Die Online-Maske zum Ausfüllen ist da viel bequemer.

Charisma ist Trumpf

Doch die Räder stehen nicht still. Bewerbungen verändern sich weiter. „Online ist erst der Anfang einer neuen Generation“, sagt Svenja Hofert. Schon 1998 schrieb die Deutsche ihr erstes Buch zum Thema Internet-Bewerbung, da hielt das Internet mit kreischenden Verbindungsversuchen gerade einmal Einzug in die österreichischen Wohnzimmer.
Heute fiebert Hofert Bewerbungs-eBooks, Dossiers, Infografiken, Videos, Twitter-Nachrichten und Blogbewerbungen entgegen. Ruhig ein bisschen inszenieren, so die Herangehensweise der neuen Generation – das gilt auch für Bewerbungen. „Nicht eindimensional, querdenken“, sagt Hofert. Etwa eine Infografik in den Lebenslauf einbauen oder den Werdegang oder die Motivation in ein Dossier packen. „Auf der Beziehungsebene kann man viel erreichen. Statt von 1999 bis 2003 war ich da und da, vom ersten Berührungspunkt mit Technik erzählen“, sagt Hofert und nennt das Stichwort „Storytelling“. „Man solle sich auffindbar machen und die Kreativität zeigen, die die Unternehmen fordern würden.
Ungezählte Möglichkeiten tun sich da auf. Doch die Umsetzung könnte scheitern, denn nicht jeder hat das Know-how, ein Video zu drehen, eine Infografik zu basteln, die auch tatsächlich beeindruckt. Nicht jeder kann seinen Werdegang in eine spannende Geschichte verpacken. Am Ende passen Farben nicht zusammen und die Geschichte provoziert den Leser zum Fremdschämen. Die Lösung: Hilfe suchen. Etwa auf http://vizualize.me, da werden Lebensläufe in Szene gesetzt.
Doch kreative Lösungen sind nicht zwingend, passen nicht unbedingt überall. Es kann nicht schaden, zuerst in die Perspektive des Lesers zu schlüpfen, zu überlegen, wer die Bewerbung liest und mit welcher Brille. „Im Zweifelsfall siegt die Zurückhaltung. Dann, wenn überhaupt, nur ein kreatives Element einbauen“, sagt Hofert.
Aber auch nur ein Element braucht viel Zeit in der Entwicklung – vielleicht fordern die neuen Bewerbungstrends sogar einen höheren Zeitaufwand als je zuvor. Nur so kann man zeigen, wer man ist, sich inszenieren. Es wäre schön, wenn sich Firmen dafür interessieren würden.