Berndorf: Kleine Stadt mit glänzender Geschichte
Von Ornella Wächter
Berndorf liegt wie gemalt zwischen Wäldern und grünen Hügeln im niederösterreichischen Triestingtal: Es gibt einen großzügigen Park, Straßenzüge mit alten Villen, durch den Ort schlängelt sich ein Fluss – eine Bilderbuchstadt.
Das idyllische Stadtbild ist aber auch der Grund, warum der Bürgermeister Hermann Kozlik manchmal seufzt, wenn er über die Stadtentwicklung von Berndorf spricht: „Natürlich muss man vorausblicken und Wohnraum schaffen. In den nächsten fünf Jahren sind etwa 1.000 neue Wohnungen geplant“, erklärt der Bürgermeister, seit 18 Jahren im Amt, seine Vision für den Ort.
„Aber wir müssen auch unserem geschichtlichen Auftrag nachkommen und alle denkmalgeschützten Gebäude und Kirchen erhalten – das ist teuer.“ Mit der Kommunalsteuer die Berndorf von den Industrie-Unternehmen im Umkreis erhalte, seien die Kosten bald nicht mehr zu decken, so Kozlik. Sein Plan: die 10.000-Einwohnermarke zu übertreten, um so höhere Zuteilungen für die Gemeinde zu bekommen. Aktueller Stand: 9.300.
Wir haben kaum Geld für den Ausbau unserer Infrastruktur, da der Erhalt von denkmalgeschützten Gebäuden sehr teuer ist.
Der Tourismus wirf nicht viel für Berndorf ab, die Sehenswürdigkeiten lassen sich gemütlich an einem Tag abklappern. Der Bürgermeister spricht offen: „Es finden sich nur zwei Hotels, kaum Gasthäuser und die Ladendichte in der kleinen Einkaufsstraße werde immer dünner.“
Trotzdem vermag es Berndorf bei Ortsunkundigen, Eindruck zu hinterlassen. An jeder Straßenecke finden sich Spuren der Ära Krupp, eine Industriellen-Familie Mitte des 19. Jahrhunderts, die aus dem 350 Seelen-Dorf eine Industriestadt machte – und zugleich ein Kleinod an Kulturgeschichte.
Der Bau des Stadttheaters, der Margaretenkirche, der symmetrisch angelegten Villenstraßen waren alle von Arthur Krupp, dem Inhaber der einstigen Berndorfer Metallwarenfabrik finanziert, erzählt Schulwart Harald Schalk. Er führt Touristen durch die Stilklassen der Berndorfer Schulen – auch ein Erbe Krupps.
Die im ägyptischen, griechischen oder maurischen Stil bemalten Klassenzimmer sollten den Arbeiterkindern – zu Spitzenzeiten arbeiteten fast 4.000 Berndorfer in den Krupp-Werken – weltliche Bildung vermitteln. „Krupp dachte aber auch: gescheite Kinder sind gescheite Arbeiter, das war ein schlauer Fuchs.“
Vom Besteckspezialisten zum Weltmarktführer
Am Ende der Tour hat man gelernt: Die größten Bau-Projekte Berndorfs sind schon eine Weile her. Verbessert wurden lediglich Zugverbindungen nach Wiener Neustadt und Wien, damit die Menschen weiterhin im Grünen wohnen bleiben, meint der Hauswart. Und so erzählt Schalk lieber von der Vergangenheit: mit der Gründung der Berndorfer Metallwarenfabrik 1843 erlangte Berndorf im Nu große Bekanntheit und man beanspruchte für sich, Weltmarkführer in der damals sehr ausgeprägten Tafelkultur zu sein.
Womit? Mit den auf Hochglanz polierten Besteck-Serien, versehen mit dem Bären-Emblem, dem Markenzeichen Berndorfs. Aber auch Krisen musste Berndorf überstehen, vor allem 1988, als der mittlerweile verstaatlichten Berndorfer Metallwarengesellschaft die Schließung drohte. Die Rettung: Mit einem Management-Buy-out unter Norbert Zimmermann wurde die Berndorf AG privatisiert und saniert.
Von den einstigen Protesten der Arbeiter zeugen noch Plakate mit Aufschriften wie „700 Arbeitsplätze sind gefährdet“, die heute im Erdgeschoß der Berndorf AG hinter einem Schlagzeug lehnen. „Der Proberaum unserer Hausband“, erzählt der Vorstandsvorsitzende Peter Pichler. Er sei der Saxofonist.
Drei Standorte in Berndorf, über 60 Unternehmen weltweit
Einen Teil der jüngeren Geschichte Berndorfs findet man in seinem Büro im ersten Stock. Dort an der Decke hängt ein kunstvoll verschlungenes Band aus glänzendem Stahl. „Unsere Stahlbänder sind ein gutes Beispiel, um eine Verbindung zwischen Vergangenheit und Zukunft herzustellen“, so Pichler. Das Wissen, Oberflächen, damals Besteck, zur Perfektion zu Polieren, wurde unter den Fachkräften weitergereicht.
„In der Bearbeitung von Stahl sind wir heute Weltmarkführer und mit Abstand die einzigen, die solch glatte Oberflächen produzieren“, behauptet der Manager und klopft auf den Bildschirm seines Smartphones. „Zum Beispiel Acryl-Glas. Die hauchdünnen Folien in unserem Handy werden auf unseren Bändern getrocknet, auf einer perfekt glatten Fläche.“
Man exportiere nach Korea, Taiwan, Australien oder Neuseeland, mehr als 90 Prozent der Umsätze erzielt der Konzern im Ausland. 500 Menschen beschäftigt der Standort mit den Firmen Berndorf Band, Berndorf Bäder Bau und Berndorf Freileitungen. Einige Familien bereits in dritter Generation. Schulen für die Stadt wie zu Krupps Zeiten würde die Firma aber nicht mehr spenden. Auch hier ist die Berndorf AG moderner: über eine Stiftung würde man Bildungsprojekte wie Teach for Austria unterstützen, sagt Pichler.
Über Berndorf
Berndorf: Die Stadt hat etwa 9.300 Einwohner. Aufgrund der geschichtlichen Entwicklung im 19. Jahrhundert wird sie auch als Krupp-Stadt bezeichnet. Die Bevölkerungsentwicklung war lange mit der Entwicklung der Berndorfer Metallwarenfabrik verbunden. Historischer Höchststand: 12.788 Einwohner im Jahr 1869.
Stadt- und Gemeinderäte: 16 SPÖ, 7 ÖVP, 3 FPÖ und 3 UBV (Unabhängige Bauernvertretung).
Größte Arbeitgeber: Die Berndorf AG mit rund 500 Mitarbeitern (weltweiter Jahresumsatz: etwa 600 Millionen Euro) und die Schaeffler Austria GmbH mit rund 400 Beschäftigten.