Aufstieg im Beruf: Wie Macht unseren Charakter verändert
Von Angelika Groß
Gestern noch Kollegin, heute Führungskraft. Auf einmal steht man im beruflichen Scheinwerferlicht. Mit der neuen Rolle kommt auch die Macht – und die Veränderung des Charakters? Der Wirtschaftspsychologe Josef Wegenberger berät zahlreiche nationale und internationale Unternehmen und Führungspersönlichkeiten. Er ist überzeugt: Macht setzt eine hohe Selbstreflexion voraus.
KURIER: Herr Wegenberger, angenommen eine Kollegin oder ein Kollege wird zum Abteilungsleiter befördert. Was bedeutet es, plötzlich beruflich Macht zu übernehmen?
Josef Wegenberger: Es geht weniger um das Phänomen „Macht“, als um die Übernahme einer neuen Funktion: Das ist sowohl für die neue Führungskraft, als auch für das Team und das Umfeld eine Herausforderung. Das Spielfeld aber auch der Verantwortungsbereich ändern sich. Das bedeutet, dass ich in der neuen Funktion „ankommen“ muss, mir selbst über die Rolle, Rahmenbedingungen und die veränderten Spielregeln im Klaren werden muss. Das setzt eine hohe Selbstreflexion und ein „Sich-selbst-bewusst-sein“ voraus. Kenne ich meine Stärken, Verbesserungspotenziale und Grenzen. Bin ich als Person gemeint, oder ist es meine Rolle und Funktion?
Sind Menschen nach einer Beförderung härter oder unnahbarer?
Menschen werden oder sind nicht zwangsläufig härter oder unnahbarer. Natürlich können negative Erlebnisse bei der Übernahme von neuen Positionen dazu führen, dass man sich einen Schutzmantel aufbaut, um Kränkungen nicht so stark an sich heranzulassen. Dadurch kann schon einmal der Eindruck im eigenen Umfeld entstehen, dass man sich verändert hat.
Macht Macht einsam?
Das kommt darauf an. Bekomme ich als Führungskraft noch die ungeschminkte Wahrheit zu hören oder nur mehr Wohlfühlberichte von meiner Umgebung serviert. Bekomme ich nur mehr zu hören, was ich hören will? Damit geht mir ein wichtiges Korrektiv verloren. Leben ist Lernen – Lernen ist Orientierung. Wir brauchen als Menschen diese Orientierung in Form von konstruktivem Feedback, offenen Gesprächen und Beratung von Personen, die mir ohne Eigennutz und Hintergedanken die Informationen übermitteln und mein Verhalten spiegeln. Eine Machtposition kann also durchaus einsam machen, besonders dann, wenn ich keine Offenheit zulasse.
Wie groß ist die Gefahr eines Machtmissbrauchs?
Missbrauch kann auf allen Ebenen und in allen Bereichen passieren und ist auch im Alltag zu beobachten. Je größer der Handlungsspielraum, desto größer sind auch die Auswirkungen und die Sichtbarkeit einer jeden Aktion und damit auch eines Missbrauchs.
Gibt es einen Unterschied, ob Männer oder Frauen eine Abteilung oder ein Unternehmen leiten?
Es ist wichtig, dass man Diversität im Unternehmen hat. Vielfalt ist wichtig. Jeder hat andere Blickwinkel, das hat einen großen Mehrwert für ein Team. Auch hier gilt wieder: Ich muss mir meiner Stärken bewusst sein und niemanden imitieren oder kopieren. Ich muss nicht besonders männlich wirken, um stark zu sein. Das sind alles Stereotypen. Wer bei seinen Stärken bleibt, ist authentisch – und somit auch erfolgreich.
Manche Führungskräfte wollen beides sein: Chef und Kollege bzw. Kollegin. Kann das funktionieren?
Ich denke, dass ein wertschätzender Umgang mit dem Team Teil des Erfolges ist. Ein Wir-Gefühl zu erzeugen, ist ein zentrales Element. Trotzdem braucht es eine Rollenklarheit: Man ist kein Freundeskreis, sondern ein Team, das beruflich etwas weiterbringen möchte. Wir können natürlich auch zusammen Spaß haben, dennoch haben wir unterschiedliche Rollen.
Was macht eine gute Führungskraft aus?
Eine Frage, mit der sich Bücher seit Jahrhunderten beschäftigen. Eine Grundvoraussetzung ist der Wille in eine Führung gehen zu wollen. Vorbildwirkung und Werteorientierung zählen ebenso zu den zentralen Erfolgsfaktoren, wie die kommunikativen Kompetenzen, ein Team zu entwickeln und Sinn und Spaß zu fördern. Jede Führungskraft muss ihren eigenen Führungsstil entwickeln. Dabei gilt es eine Einheit zu bilden, zwischen dem was ich bin, was ich sage und was ich tue. Authentische Führung oder frei nach Picasso: „Es gibt so viele Kopien auf dieser Welt und nur so wenige Originale.“