Mehr als 400.000 Arbeitslose im Jänner
Von Anita Staudacher
Schneefall und eisige Temperaturen haben im Jänner viele Baustellen zum Erliegen gebracht und den Arbeitsmarkt regelrecht eingefroren. Erstmals seit dem Krisenwinter 2009/2010 kletterte die Zahl der Arbeitslosen in Österreich wieder über die 400.000er-Marke.
Die knapp 411.000 beim AMS registrierten Jobsuchenden entsprechen einer nationalen Registerarbeitslosenquote von 9,1 Prozent. Damit ist die Quote sogar höher als im Krisenwinter 2010 mit 8,7 Prozent und liegt nur knapp hinter den bisherigen Spitzenwerten von 1997 und 2006. Während sich die schwächelnde Industriekonjunktur vor allem in Oberösterreich und der Steiermark auswirkt (siehe Grafik), lässt vor allem die ungewöhnlich stark steigende Bauarbeitslosigkeit die Alarmglocken schrillen. Sie hat ebenfalls bereits wieder das Niveau der letzten Wirtschaftskrise erreicht, immerhin jeder fünfte Arbeitslose kommt vom Bau. Die schlechten Konjunkturaussichten für das Baugewerbe lassen einen weiteren Anstieg befürchten.
Verfestigung
Angesichts der flauen Wirtschaftslage in Europa werde sich die Lage auf dem heimischen Arbeitsmarkt „in den nächsten Monaten nicht grundlegend ändern“, rechnet Arbeitsminister Rudolf Hundstorfer mit einer Verfestigung. Dieser Trend zeigt sich bereits bei den Langzeitarbeitslosen (+31,7 Prozent) und Behinderten. Sie haben es besonders schwer, einen Job zu finden. Arbeiterkammer und Oppositionspolitiker fordern daher verstärkt Qualifizierungsmaßnahmen für jene, die schon länger keine Arbeit haben. Die Industriellenvereinigung will mit flexibleren Arbeitszeiten Jobs schaffen.
Statistik-Spielereien
Für Verwunderung sorgt die Tatsache, dass Österreich nach wie vor mit der niedrigsten EU-Arbeitslosenquote von nur 4,3 Prozent glänzt. Während die nationale, auf valide Daten des AMS basierende Arbeitslosenquote bereits höher ist als im Krisenwinter, ist die EU-Quote noch viel niedriger. Für Dezember 2009 wies das Europäische Statistikamt Eurostat für Österreich 4,7 Prozent aus, im Jänner 2010 waren es 5,3 Prozent. Wird da eine Statistik schöngefärbt?
Tatsächlich halten Arbeitsmarktexperten die EU-Quote für immer realitätsferner und unglaubwürdiger. Selbst AMS-Chef Johannes Kopf misst den EU-Zahlen nicht allzu viel Bedeutung bei und spricht lieber von einer „qualifizierten Schätzung“, die sehr oft revidiert werden muss. „Die Eurostat-Quote ist nicht so genau, da darf man nicht auf Zehntel schauen.“
Erhoben wird die EU-weit vergleichbare Arbeitslosenquote mittels vierteljähriger Haushaltsbefragung, die in Österreich die Statistik Austria durchführt. Einzelne Monatswerte werden dann hochgerechnet. Seit einem Jahr erfolgt diese Monatsschätzung nicht mehr von Eurostat, sondern von den Mitgliedsstaaten selbst. Da gäbe es natürlich einen gewissen politischen Spielraum, so ein Insider. Ein Spielraum, den aber auch andere EU-Länder – nach oben wie unten – nutzen dürften.
EU und Eurozone
Die Arbeitslosigkeit in der EU und in der Eurozone ist im Dezember des Vorjahres zwar nicht gestiegen, doch blieb sie mit 11,7 Prozent im Durchschnitt aller 27 Staaten und mit 10,7 Prozent in der Währungsunion auf einem Rekordhoch. Österreich wies mit 4,3 Prozent neuerlich die niedrigste Quote auf, gefolgt von Deutschland und Luxemburg (je 5,3 Prozent).
Die höchsten Raten gab es nach jüngsten Angaben von Eurostat vom Freitag in Griechenland, wobei hier keine Dezember-Werte vorlagen. Für die Hellenen wurde der Oktober-Wert von 26,8 Prozent genommen. Spanien lag knapp dahinter mit 26,1 Prozent im Dezember.
Die Jugendarbeitslosigkeit war im Dezember gegenüber dem November unverändert. In der Eurozone betrug sie 24,0 Prozent, in der EU-27 waren es 23,4 Prozent. Spitzenreiter ist Griechenland (auch hier die Oktober-Werte mit 57,6 Prozent) vor Spanien mit 55,6 Prozent. Die niedrigsten Werte wiesen Deutschland (8,0 Prozent) vor Österreich (8,5 Prozent) und den Niederlanden (10,0 Prozent) auf.
Die Arbeitslosigkeit bei Behinderten steigt derzeit fast doppelt so stark wie die allgemeine. Ende Jänner waren rund 45.000 behinderte bzw. gesundheitlich beeinträchtigte Personen beim AMS gemeldet, ein neues Rekordhoch. Daran ist aber nicht nur die schwierige Wirtschaftslage schuld, geht aus einer Studie des Instituts für Höhere Studien (IHS) hervor. Demnach gibt es bei der Arbeitsmarktintegration von Menschen mit Behinderung zunehmend Probleme. Insbesondere die wachsende Gruppe der physisch und psychisch Beeinträchtigten, die aber keinen Behindertenstatus haben (erst ab 50 Prozent Behinderung), wird unzureichend betreut und vermittelt, so die Studie. Sie fallen quasi durch das System.
„Standard-Maßnahmen des AMS greifen hier nicht, diese Zielgruppe erfordert spezielles Know-how“, erläutert Studienautorin Angela Wroblewski. Der bestehende Datenschutz, der die Weitergabe von gesundheitsbezogenen Daten an Dritte – etwa Schulungsinstitute – untersage, sei hier eher hinderlich. AMS-Chef Johannes Kopf kennt die Problematik und kündigt für 2013 gezieltere Maßnahmen für Behinderte an. So werden etwa mit dem Programm „Aufstieg“ niedrig qualifizierte Behinderte ohne Berufsschutz Job-fit gemacht. Dafür stehen 20 Millionen Euro zur Verfügung. Am 18. und 19. Februar widmet sich auch die internationale „Zero-Konferenz “ in Wien diesem Thema.