Wirtschaft/Immo

Bald mehr Balkone und weniger Stellplätze in Wien

Ursprünglich sollte die Novelle der Wiener Bauordnung bereits zum Jahreswechsel unter Dach und Fach sein. Nun werden noch kleinere Änderungen eingearbeitet. An der grundsätzlichen Ausrichtung werde sich aber nichts mehr ändern, versprach Wohnbaustadtrat Michael Ludwig vor Kurzem in einer Pressekonferenz.

Wien bekommt eine neue Bauordnung und mit ihr ein Bündel an Maßnahmen, das neue Rahmenbedingungen für die Immobilienwirtschaft bringt. Ein Teil der Neuerungen will dem Mangel an leistbaren Wohnungen entgegenwirken, ein anderer mehr Lebensqualität in die Stadt bringen. Auch auf Maßnahmen zur Sicherheit der Bewohner hat sich die Stadtregierung nach mehrmonatigen Verhandlungen geeinigt.

Experten rechnen damit, dass es noch einige Monate dauern wird, bis die Gesetzesnovelle beschlossen wird.

Doch bereits heute spielen die Neuerungen in der Praxis eine Rolle: „Unsere Auftraggeber drängen uns, die neue Bauordnung in den Planungen schon jetzt zu berücksichtigen“, sagt Architekt Walter Stelzhammer, Präsident der Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten für die Bundesländer Wien, Niederösterreich und das Burgenland.

Hier die wichtigsten Punkte im Überblick:

Widmung

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Die Schaffung erschwinglichen Wohnraums ist eines der Ziele der neue Bauordnung. Bisher ist der Bau günstiger Mietwohnungen durch die hohen Grundstückspreise erschwert worden. Künftig wird es möglich sein, die Widmung Bauland befristet zu vergeben. Damit will man verhindern, das Grundstücken gehortet werden, weil die Besitzer auf steigende Preise hoffen.

Geplant ist auch die neue Widmungskategorie „Förderbarer Wohnbau“. Grundstücke mit dieser Widmung dürfen nur mit Objekten bebaut werden, die der Qualität im geförderte Wohnbau entsprechen. „Das ist ein wichtiges Instrument, um den Bedarf an günstigen Wohnungen zu decken“, sagt Architekt Stelzhammer. Für Hans Jörg Ulreich, Bauträgersprecher in der Wirtschaftskammer, ist immer noch viel zu tun: „Die innerstädtischen Flächenwidmungspläne der Städte gehen immer noch – wie in den frühen 1980er-Jahren – vom Schrumpfen der Bevölkerung aus. Dadurch sind innerstädtische Nachverdichtung, etwa durch Dachausbauten und Aufstockungen, bis heute in ganz Österreich schwer umsetzbar.“

In den Bereich Widmung fällt auch der geplante „Städtebauliche Vertrag“. Bauwerber verpflichten sich per Vertrag, als Gegenleistung für die Umwidmung von Grund und Boden Leistungen für die Infrastruktur zu erbringen, zum Beispiel einen Kindergarten oder einen Park neben der Wohnanlage zu errichten.

Notkamine

Die Verpflichtung zur Errichtung von Notkaminen fällt. Das spart nicht nur Herstellungs- sondern auch Wartungskosten. Rauchfangkehrer werden in Zukunft etwas weniger zu tun haben. „Das erleichtert auch die Planung. Müssen keine Notkamine mehr eingeplant werden, sind bessere Grundrisse möglich“, sagt Stelzhammer.

Dachausbau

Erleichterungen gibt es auch im Bereich Dachausbau. Aufgrund der strengen Regelung betreffend Erdbebensicherheit sowie des zulässigen Höchstgewichts waren Dachausbauten zuletzt schwierig zu realisieren. Das soll sich mit der neuen Bauordnung ändern. Erfolgt die Wohnraumschaffung durch „Aufklappung“ des bestehenden Dachs um 45°, gilt dies als Änderung des Bauwerks und nicht mehr als Zubau. Durch das Ausnutzen der Raumhöhe werden besser nutzbare Wohnflächen ermöglicht.

Stellplätze

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Eine wichtige Änderung betrifft die sogenannte Stellplatzverordnung. Bis jetzt musste für jede neu gebaute Wohnung ein Parkplatz errichtet werden. Und zwar völlig unabhängig vom tatsächlichen Bedarf und von der Wohnungsgröße. „In viele Garagen, die bei Neubauten errichtet wurden, steht ein erheblicher Teil der Stellplätze auf Dauer leer“, sagt Klaus Wolfinger, Bauträgersprecher des Österreichischen Verbandes der Immobilientreuhänder (ÖVI). Die neue Bauordnung sieht vor, dass künftig pro 100 Nutzfläche ein Stellplatz zu errichten ist. Das senkt die Baukosten und bringt eine Kostenersparnis, die für Mieter spürbar werden soll. Für Wolfinger und Stelzhammer ist die neue Stellplatz-Regelung ein erster Schritt. Beide gehen davon aus, dass es in Zukunft eine weitere (freiwillige) Reduktion der Stellplätze geben wird.

Balkone

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Für mehr Lebensqualität in der Stadt wird die geplante Erleichterung beim (nachträglichen) Bau von Balkonen sorgen. Balkone dürfen künftig auch straßenseitig über Verkehrsflächen wie etwa Gehsteigen errichtet werden, sofern gewisse Sicherheitsbestimmungen eingehalten werden – und sie dürfen auch größer ausfallen als bisher. „Im Neubau wird dies verstärkt berücksichtigt werden und zu einem veränderten Stadtbild führen“, sagt Wolfinger. Auch der nachträgliche Anbau sei baulich möglich. Rechtlich ist im Eigentumshaus dafür die Zustimmung aller Eigentümer erforderlich.

Solar

Neue Dienstleistungsgebäude (Büros) sollen, so sieht es die neue Bauordnung vor, zur Erhöhung des Anteils an erneuerbarer Energie beitragen. Auf Fassaden- und Dachflächen sollen solare Energieträger angebracht werden, sie müssen künftig eine Mindestleistung von 1 Kilowatt-Peak (kWp) pro 100 Quadratmeter Bruttogeschoßfläche an solarer Energie erzeugen. Dieser „Wiener Solarstandard“ soll auf 0,3 kWp reduziert werden können, wenn das Gebäude besonders energieeffizient gestaltet wird.

Sicherheitsmaßnahmen

Der Eigentümer eines Bauwerks soll verpflichtet werden, dessen Bauzustand zu überwachen und regelmäßige Überprüfungen etwa durch einen Ziviltechniker zu veranlassen. Die Ergebnisse der Überprüfung sollen in einem Bauwerksbuch dokumentiert werden.

Außerdem muss bei Neubauten künftig ein baurechtlicher Geschäftsführer bestellt und der Behörde bekannt gegeben werden. Dieser ist für die Einhaltung der Bauvorschriften verantwortlich. „Mit dieser Regelung soll verhindert werden, dass Baufirmen nach Errichtung eines Projekts in Konkurs gehen und keine Rechtsperson mehr greifbar ist, die für etwaige Gewährleistungs- und Haftungsansprüche herangezogen werden kann“, erläutert Stelzhammer.

Abbruchreife

Verschärft werden die Rahmenbedingungen der „technischen Abbruchreife“. Hausbesitzer müssen künftig nachweisen, warum sie ein Haus abreißen wollen. Bisher wurde ein Abbruchauftrag erteilt, wenn im Zuge einer Sanierung zu mehr als 50 Prozent in die Bausubstanz eingegriffen werden musste. Dies zog auch einen Kündigungsgrund laut Mietrechtsgesetz für die Mieter des Hauses nach sich. Künftig muss die wirtschaftliche Undurchführbarkeit einer Renovierung nachgewiesen werden.

Erdgeschoßzone

Belebte Erdgeschoßzonen sind ein zentrales Ziel der Stadtentwicklung. Der Entwurf der Wiener Bauordnung sieht vor, dass im Bebauungsplan erstmals Mindestraumhöhen für das Erdgeschoß vorgesehen werden können.