Wirtschaft/Immo

Fünf Wohntrends der Zukunft: So wollen wir wohnen

„Die Wohnung war wie die vernachlässigte Tante. Jeder weiß, man muss endlich anrufen, aber man weiß auch, sie ist anspruchsvoll und man muss sich Mühe geben“, sagt Zukunftsforscherin Oona Horx Strathern. Doch das habe sich in den vergangenen Monaten grundlegend geändert.

Während der Ausgangbeschränkungen hatten die Menschen Zeit, sich mit ihren Wohnbedürfnissen auseinanderzusetzen und ihre Ansprüche und Anforderungen an die eigenen vier Wände zu hinterfragen. Experten lesen daraus fünf Wohntrends, die sich in den nächsten fünf Jahren entwickeln werden.

1. Flexible Grundrisse

Wenn die Wohnung nicht nur ein Ort der Entspannung ist, sondern auch Arbeit und Schule dort stattfinden, werden flexible und multifunktionale Grundrisse unerlässlich. Oona Horx Strathern: „Räume müssen wie eine Tafel Schokolade aufgeteilt werden können.“

Da Wohnungen in den vergangenen Jahren aus Kostengründen zudem immer kleiner geworden sind – und nun ihr maximales Minimum erreicht haben – ist die multifunktionale Verwendung von Räumen entscheidend.

Denn, so Hannes Speiser vom Immobilienentwickler Winegg: „Die Ansprüche sind individueller geworden. Dafür müssen wir Möglichkeiten schaffen.“ Flexible Wandsysteme beispielsweise machen Grundrissänderungen auch nach vielen Jahren möglich. Speiser: „Damit kann ein Zimmer jederzeit abgetrennt oder aufgemacht werden, auch die Zusammenlegung von zwei Wohnungen ist kein Problem.“

2. Grüne Sehnsucht

„Balkone oder eine geteilte Terrasse sollten ein Grundrecht sein“, sagt Oona Horx. Sie seien in den vergangenen Jahren vernachlässigt worden. „Die Corona-Krise hat gezeigt, dass Freiflächen kein Ort für Gerümpel sind, sondern ein Platz zwischen persönlichem und öffentlichem Raum. Sie bieten frische Luft und Kontakt zu Nachbarn.“

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Wohnpsychologe Deinsberger-Deinsweger wirft an dieser Stelle ein, dass „der Balkon ein Erholungsort ist, keine Bühne.“ Wer sich exponiert fühlt, kann nicht entspannen. Für eine ordentliche und entspannungsbringende Umsetzung seien vor allem Planer gefragt.

Markus Pendlmayr von einszueins Architektur ist einer davon. Er weiß: „Das Angebot an Freiflächen steigt in Wien stetig, dabei ist die Qualität der Umsetzung sehr wichtig. Denn Balkone über stark befahrenen Straßen oder ohne Sonnenschutz an Südlagen, werden nicht genutzt.“

Außerdem werden Grünflächen rund um das Haus für Wohnungssuchende wichtiger sein als ein zweites Badezimmer. Immerhin bringt ein Baum gefühlt bis zu sechs Grad Abkühlung. „Wer die Wahl hat, wohnt lieber in einer begrünten Wohnstraße, als dort, wo die Hitze dem Asphalt aufsitzt.“

3. Mehr Gemeinschaftsflächen

Im sozialen Wohnbau und im Luxussegment gehören Gemeinschaftsflächen außerhalb der Wohnung – wenn auch sehr unterschiedlich umgesetzt– schon lange zur Grundausstattung. „Dieser Trend kommt immer mehr im mittleren Preissegment an und wird weiter steigen“, sagt Martin Müller von JP Immobilien.

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Das habe auch Kostengründe: „Wer einen Gemeinschaftsraum nutzen kann, um Freunde zum Fußballschauen oder zum Spieleabend einzuladen, kann die Wohnung mit dem kleineren Wohnzimmer mieten oder kaufen.“

Gemeinschaftsräume sind auch ein wichtiger Aspekt für die „soziale Regulation“. Wohnpsychologe Deinsberger-Deinsweger: „Rückzugsorte und Begegnungsorte außerhalb der Wohnung bringen Ruhe in das gemeinsame Zusammenleben.“ Darauf werde in Zukunft mehr Wert gelegt.

4. Öko-Bau und vegan einrichten

Berechnungen von proHolz Austria zeigen: Ein Holzbau verursacht im Vergleich zu einem herkömmlichen Bau um bis zu 93 Prozent weniger -Emissionen. Architekt Pendlmayr: „Wir werden in Zukunft auch in Wien viel mehr Holzbauten sehen.

In Deutschland und Frankreichen setzt sich das bereits durch.“ Ökologische Baustoffe seien nicht zwingend teurer als Massivbau – und Beton werde es trotzdem geben, „jeder Baustoff wird seinen Platz finden“.

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Auch in der Inneneinrichtung steht eine Kehrtwende bevor. Das habe der Sturm auf die Baumärkte gezeigt. Horx Strathern: „Während wir jeden Tag auf dem Sofa gesessen sind, haben wir uns irgendwann gefragt, aus welchem Material der Bezug eigentlich ist.“ Teilweise sei die Luftqualität in der Wohnung schlechter als draußen, weil so viele Giftstoffe in den Produkten enthalten sind. Dessen werden sich die Menschen bewusst und investieren in gesunde und nachhaltige Möbel. Das komme auch bei großen Möbelketten an.

5. Das Home wird smarter

Der Hype der herkömmlichen Smart Homes ist vorbei, davon ist Oona Horx Strathern überzeugt: „Wir wollen kein überdigitalisiertes Zuhause. Durch die Corona-Krise ist das Interesse am Smart Home zurückgefallen – und das wird eine Weile so bleiben.“

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Allerdings werde smart im Sinne von besseren, nachhaltigen Energiesystemen immer wichtiger. Dem pflichtet auch Immobilienexperte Martin Müller zu: „Digitalisierung und Technik in Immobilien wird im Bereich des intelligenten Energiemanagements massiv steigen.“

Das betreffe das automatisierte Beschattungssystem genauso wie die Stromgewinnung aus Fotovoltaikanlagen und Fußbodenheizung mit Niedrigenergie. Somit wird die Technik im Wohnraum zwar nicht weniger, ihr Nutzen verschiebt sich aber in Richtung smarte Energiesysteme statt selbstbefüllender Kühlschränke.

Auch Organisationsstrukturen werden sich in den digitalen Bereich verlagern. Hannes Speiser: „Nicht nur der Haustürschlüssel, auch das Smartphone wird Teil des Wohnens.“ Der Informationsaustausch mit der Hausverwaltung und Serviceleistungen, wie eine digitale Zutrittskontrolle oder Paketempfangsboxen, werden zukünftig über eine App stattfinden.

Der Wohnkomfort wird sich somit in den kommenden Jahren endgültig digital manifestieren.

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