Die schöne Agnes in Sievering: Bauen in der Schutzzone
In prominenter Lage in der Sieveringer Straße in Wien-Döbling sorgte ein teilweiser Abriss zunächst für Aufregung. Denn das ehemalige „Restaurant zur Agnes“ liegt in einer Schutzzone, die den Abriss erhaltenswerter Altbauten eigentlich verhindern soll. Möglich wurde der Abriss aufgrund der Einsturzgefahr. „Wir hatten die Abbruchbefugnis für 49 Prozent des Gebäudes, der Rest ist einfach zerbröselt“, schildert der Wiener Bauträger Hans Jörg Ulreich, seit 2017 im Besitz des Areals. Seither tüftelte Ulreich mit Architekten an der optimalen Neugestaltung. Da auch Nachbargrundstücke verkauft wurden, standen in Summe drei Liegenschaften zur Verfügung. Die „Agnes“ wurde am Plan rekonstruiert.
„Ich habe mich verpflichtet, die ’Schöne Agnes’ originalgetreu wieder aufzubauen“, erzählt Hans Jörg Ulreich. „Die niedrige Bauhöhe und das typische Sieveringer Straßenbild sollten unbedingt erhalten bleiben.“ Das gleiche gilt für die in der Heurigengegend üblichen Kastenfenster. Bezirksvorsteher Daniel Resch hat den Prozess penibel verfolgt, denn: „Sievering ist in diesem Fall besonders sensibel. Bei diesem Projekt hat das aber sehr gut funktioniert.“ Resch bezieht sich damit auf die Schutzzone, diese ist im Flächenwidmungs- und Bebauungsplan ausgewiesen. In Schutzzonen ist die Erhaltung des charakteristischen Stadtbildes zu gewährleisten, das betrifft in erster Linie die historischen Fassaden.
Das in Summe sehr große Grundstück wurde mit dem dreigeschoßigen Neubau locker bebaut. Insgesamt sind 2.000 Quadratmeter an neuer Wohnfläche entstanden, Miet- und Eigentumswohnungen mit 37 bis 133 Quadratmetern Wohnfläche. Was von außen dem Altbau ähnelt, ist in Wahrheit ein Neubau mit Erdwärmesonden, PV-Anlage am Dach, BUS-System, Tiefgarage, Begrünung und neuen, modernen Grundrissen. Dem Bauherrn war es aber wichtig, das Erscheinungsbild samt Ortsbildcharakter zu erhalten.
Verdichtung müsse nicht negativ behaftet sein, sondern kann auch zu Verbesserungen führen, ist Sophie Ronaghi Bolldorf, Kammer- und Sektionsvorstand der Kammer der Ziviltechniker, überzeugt: „Es kann zu einem Zugewinn an Fläche führen, wodurch ein Gebiet mit Leben gefüllt wird. Das kann auch ein Qualitätsgewinn sein.“ Der beauftragte Architekt, der für die gesamte architektonische Anlage verantwortlich zeichnet, ist Georg Mitterecker von HMA Architektur ZT.
Hans Jörg Ulreich stellt aber auch klar, dass das Projekt heute aufgrund der neuen Bauordnungsnovelle nicht mehr so umgesetzt hätte werden können. So seien gläserne Gaupen in den Wohnungen nicht mehr erlaubt. Ulreich kritisiert: „Jetzt stellt man das Stadtbild über alles – aber nicht jedes Gebäude ist erhaltenswert. An manchen Orten ist ein Neubau die bessere Lösung.“