Herbstlohnrunde: Höchste Forderung der Gewerkschaft seit 30 Jahren
Die heurige Herbstlohnrunde ist anders als jede andere davor. Und das in mehrfacher Hinsicht. Die hohe Inflation bringt die privaten Haushalte an die Grenzen ihrer Liquidität, Unternehmen wiederum können die hohen Energie- und Rohstoffkosten kaum noch schultern. Während viele Arbeitnehmer eine Lohn- und Gehaltserhöhung dringend nötig haben, wissen viele Unternehmen nicht, wie sich diese noch ausgehen soll.
Dementsprechend krachen die zwei diametral entgegengesetzten Forderungen der Verhandler frontal aufeinander: Die Gewerkschaft ist wie gewohnt nicht zimperlich und legt mit einer Forderung von einem Lohn- und Gehaltsplus in Höhe von 10,6 Prozent die Latte so hoch wie seit mehr als 30 Jahren nicht mehr.
1990 lag sie bei elf Prozent. Sogar 2019, als die Wirtschaft noch brummte, war der Abstand zwischen Inflation und Forderung mit knapp drei Prozentpunkten geringer als heuer. Das Signal: Die Gewerkschaft will liefern, sie will die Inflation abgelten und nicht nur ein bisschen, sondern einen ordentlichen Batzen zusätzlich oben draufgelegt bekommen.
Überrascht von der Höhe
Kein Wunder, dass den Arbeitgebern heuer wieder einmal der Mund offen blieb. Der sichtlich verärgerte Obmann des Fachverbands Metalltechnische Industrie und Sprecher der Arbeitgeberseite, Christian Knill, stellte sich nach der Verkündigung der Gewerkschaft vor die Presse und bezeichnete die Forderungen als „unvernünftig und überzogen“. Für ihn kam die Höhe überraschend. Er hatte im Vorfeld der Verhandlungen immer wieder gepredigt, dass es nicht allen Unternehmen gut gehe. Man müsse nun schauen, dass ein für beide Seiten gerechter Abschluss gefunden werde.
Knill pocht darauf, dass diverse Hilfen und Förderungen des Staates, die die Teuerung für Private erträglicher machen sollen, in den Verhandlungen berücksichtig werden und den Abschluss nach unten drücken müssten – was für die Gewerkschaft nicht in Frage kommt: „Wir verhandeln mit den Arbeitgebern, nicht mit der Regierung“, konterte der Chef der Gewerkschaft Pro-Ge Rainer Wimmer, der gemeinsam mit GPA-Chef Karl Dürtscher Chefverhandler auf Arbeitnehmerseite ist.
Die Unternehmen befänden sich in einer stärkeren Position, sie könnten Mehrkosten oft weitergeben, Arbeitnehmer nicht, argumentieren die Gewerkschafter. Die Unternehmen müssten Verantwortung übernehmen, erst ihre Mitarbeiter hätten die „ausgezeichneten“ Umsätze und Gewinne der vergangenen Monate möglich gemacht.
Große Bedeutung
Beide Seiten rechnen mit langen und harten Verhandlungen. Der Vorschlag von Ökonomen: Die Inflation abgelten und ein bis zwei Prozent zusätzliche Erhöhung. Betroffen von den Kollektivvertragsverhandlungen sind 200.000 Beschäftigte. Der Abschluss ist deshalb so bedeutend, weil er als richtungsweisend für die folgenden Abschlüsse in anderen Branchen gilt.