Wirtschaft

Ehemalige Arbeitslose schufen 30.000 Jobs

Die beiden ehemaligen XXXLutz-Verkäufer sind sich sicher: "Es gibt nichts, was nicht verkaufbar ist." Thomas Dölzl und Walter Schwendtbauer kündigten bei ihrem Arbeitgeber, besuchten das AMS-Gründerprogramm und handeln seit nunmehr sieben Jahren mit gebrauchten Möbeln. Ihre "Möbelbörse" (zur Möbelbörse-Website) hat inzwischen zwei Filialen in Wien und beschäftigt sechs Mitarbeiter.

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"Übersiedelungen, Hochzeiten, Scheidungen: Es gibt so viele Anlässe, bei denen sich Menschen von ihren Möbeln trennen, die andere vielleicht gerade suchen", erzählt Dölzl über seine Beweggründe, sich in einer Marktnische selbstständig zu machen. Die Möbelbörse holt die Möbeln nicht nur ab und zahlt je nach Wert auch einen Preis dafür, sondern bietet den Käufern der Secondhand-Ware auch Beratung sowie ein Liefer- & Montageservice an.

Mit der Idee allein war es nicht getan. "Du musst erst jemanden davon überzeugen können." Die Hausbank lehnte eine Finanzierung – benötigt wurde ein Kredit von 35.000 Euro – ab, erst eine zweite Bank war mit dem Businessplan einverstanden. Das nötige kaufmännische Rüstzeug holten sich die Jungunternehmer beim AMS-Gründungsprogramm. "Ich hatte zuvor ja keine Ahnung von Rechnungswesen oder Zeitmanagement", berichtet Schwendtbauer.

Gut vorbereitet

Eine gute Vorbereitung auf die Selbstständigkeit erhöht die späteren Erfolgsaussichten. Die Überlebensquote der "AMS-Gründer" ist mit 64 Prozent nach fünf Jahren überdurchschnittlich hoch und europaweit ein Spitzenwert.

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"Unser Erfolg liegt auch im restriktiven Zugang. Voraussetzung ist nicht nur eine bloße Gründungs-Absicht, sondern eine konkrete Projektidee, die Experten überzeugen muss", erläutert AMS-Vorstand Johannes Kopf. Ziel des Programms sei es schließlich auch, dass die Unternehmen lange leben und irgendwann Personal einstellen.

Jedes Vierte von ihnen tut dies auch. In den vergangenen acht Jahren haben die von ehemaligen Arbeitslosen gegründeten Betriebe rund 30.000 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen, der eigene Job nicht mitgerechnet. 16.000 davon sind Standardarbeitsplätze, der Rest geringfügige Beschäftigung, freie Dienstverträge oder Lehrstellen. Die meisten Jobs schufen Betriebe in den Bereichen Gastronomie, Bau, Erziehung sowie Industrie. Im Vorjahr gab es 5100 Neugründungen von ehemaligen Arbeitslosen, das waren 14 Prozent aller Unternehmensgründungen.

Yoga & Software

Auch Katharina Rainer-Trawöger und ihr Mann Andreas wurden von Arbeitslosen zu Arbeitgebern. Die Ethnologin und der Architekt gründeten vor fünf Jahren ein Yogastudio in Wien-Alsergrund und spezialisierten sich auf Schwangeren-Yoga und Yoga mit Baby. Ihr Institut "Freiraum" (zur Freiraum-Website) beschäftigt 25 Mitarbeiter und hat mehr als 900 Stammkunden. "Ohne Gründerprogramm hätten wir uns nicht getraut, selbstständig zu werden", sagen die beiden heute. Was auffällt: Schon jeder vierte Gründer ist älter als 45 Jahre, auch deshalb, weil die Arbeitsmarktchancen mit dem Alter drastisch sinken. Das musste auch der Germanist und Buchhändler Harald Knill feststellen, der als über 50-Jähriger bei einem Verlag abgebaut wurde und zum AMS kam. Er entdeckte eine Nische und machte sich mit einer Verlagssoftware, die die komplette Verlagsverwaltung abwickelt, selbstständig. Für ihn war es wichtig, "sich intensiv mit der Idee auseinandersetzen zu können". Eine zu rasche, unüberlegte Gründung sei "das Samenkorn des Scheiterns".

AMS-Gründerprogramm Arbeitslose mit Gründungsabsicht und konkreter Projektidee können sich für das Programm bewerben. Geboten werden Beratung, (Weiter-)Qualifizierung und Nachbetreuung. Die Dauer beträgt sechs bis max. neun Monate, in dieser Zeit wird das Arbeitslosengeld gezahlt.

Kosten/Nutzen Das AMS gab im Vorjahr 18,6 Mio. Euro für das Programm aus, das sind bei 5100 Gründungen 3647 Euro pro Start-up. 85 Prozent aller Teilnehmer gründeten, 60 Prozent davon Männer.