Wirtschaft

Deutschland verdient mit Schulden Geld

Verrückte Zeiten: Mit Schulden lässt sich Geld verdienen. Jedenfalls gilt das für den deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble. Deutschland hat sich vergangene Woche erneut mehrere Milliarden Euro bei Investoren geborgt. Dafür muss der Staat keine Zinsen zahlen.

Im Gegenteil: Er lässt sich von seinen Gläubigern dafür bezahlen, dass er sich bei ihnen verschuldet. Knapp 4,1 Mrd. Euro hat sich der deutsche Staat am vergangenen Mittwoch für zwei Jahre geliehen. Die Rendite, also quasi der Anleihezins, lag bei minus 0,38 Prozent. Ein Rekord: Es ist die niedrigste jemals vom Bund erzielte Rendite bei dieser Laufzeit.

100-Milliarden-Euro-Rabatt

Schon seit Jahren profitiert der deutsche Fiskus von extrem niedrigen Zinsen. Laut Ökonomen des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) hat der Bund durch die Niedrigzinsen seit 2010 mittlerweile Einsparungen in Höhe von rund 100 Mrd. Euro erzielt.

Und ein Ende dieses Trends ist nicht in Sicht: Die angeschlagene Sicherheitslage in Europa und die europäische Geldpolitik übten weiteren Druck aus, meint Jan Bottermann, Analyst bei der National-Bank in Essen. „Vor diesem Hintergrund erwarten wir, dass die Renditen in Deutschland weiter fallen können.“

Aber warum machen die Investoren das eigentlich mit?

Das liegt vor allem an der Geldschwemme der Europäischen Zentralbank (EZB). Die Notenbank hält ihren Leitzins nahe Null, seit März kauft sie zudem monatlich Wertpapiere im Volumen von durchschnittlich 60 Mrd. Euro. Und EZB-Präsident Mario Draghi will die Geldschleusen noch weiter öffnen.

Neben einer Ausweitung der Anleihenkäufe steht eine weitere Absenkung des sogenannten Einlagensatzes zur Debatte. Das ist der Zinssatz, den Banken für überschüssiges Geld erhalten, das sie bei der EZB parken. Normalerweise. Denn derzeit liegt der Satz mit minus 0,2 Prozent im negativen Bereich. Die Banken müssen also eine Art Gebühr bezahlen.

Draghis Kalkül ist klar: Die Negativzinsen sollen die Banken dazu bringen, ihr überschüssiges Geld an Unternehmen zu verleihen. Offenbar wollen viele Investoren aber partout keine Risiken eingehen. Angesichts der Aussicht auf einen weiter sinkenden Einlagensatz wählen sie den deutschen Staat als sicheren Hafen und nehmen auch hier Verluste in Kauf. So fließt das billige Geld zum Teil direkt in Schäubles Staatskasse.

Schwankende Märkte

Aber Grund zur Sorglosigkeit gibt es nicht: Einige Ökonomen sehen Risiken angesichts der niedrigen Renditen, denn erst im Frühjahr hatte es einen Crash am Markt für Staatspapiere gegeben. Nachdem die Renditen extrem tief gesunken waren, legten sie schlagartig und ohne erkennbaren Grund zu. Seitdem schwanken die Kurse stark. „Die Anleger müssen sich dauerhaft auf Schwankungen einstellen“, sagt Guillaume Rigeade, Fondsmanager beim Vermögensverwalter Edmond de Rothschild. Ein erneuter Crash könne nicht ausgeschlossen werden.