Wirtschaft

Der linke "Anti-Held" im griechischen Drama

Griechenlands Internet-Gemeinde hat den ultimativen Slogan für ihren Star schon gefunden: "Come on Alexi for a Greece that’s sexy." In den Reihen der mittelalterlichen griechischen Politiker im blaugrauen Anzug mutet Alexis Tsipras – seit der Wahlnacht plötzlich einer der mächtigsten Parteiführer des Landes – wie ein schriller Farbfleck an.

Nicht nur weil der jugendlich wirkende 37-Jährige nie Krawatte trägt und gerne mit dem Motorrad durch Athens Verkehrsgewühl braust. Was der Chef der Radikallinken SYRIZA mit in die sich überschlagende politische Landschaft brachte, ist ein neuer Stil: Lässig, aber extrem, charmant und frech jongliert Tsipras jenseits aller gültigen Logik von Politik.

Griechenlands Sparprogramm stoppen und das Land trotzdem in der Euro-Zone halten? "Alles machbar", verspricht Tsipras . Nur wie? – Das hat der linke Senkrechtstarter der griechischen Politik noch nicht verraten.

Drohungen

Unbeeindruckt von allen Warnungen aus Berlin und Brüssel spricht Tsipras aus, was seine Wähler hören wollen: "Wenn unsere europäischen Partner die Zahlungen einstellen, sind wir gezwungen, unsere Schuldenbegleichungen bei unseren Gläubigern einzustellen." Das "Diktat" der EU beenden, nennt das Tsipras. "Erpressung" nennt man es hingegen in Berlin.

Mit derart markigen Parolen schart der studierte Zivilingenieur immer mehr Anhänger um sich. Bis zu den Wahlen am 17. Juni wird Tsipras seine Wähler laut Umfragen auf mindestens 23 Prozent steigern können. Ein Rekordergebnis für seine SYRIZA, die bis Anfang Mai gerade einmal 4 Prozent der Wähler vertrat.

Tsipras Geheimnis: Eine engagierte Wahlkampagne und das untrügliche Gespür dafür, die über Krise und wirtschaftlichem Abstieg verhärmten Griechen einzusammeln. "Wutfänger" wurde Tsipras denn auch von einem griechischen Journalisten tituliert.

Für seine Gegner ist der ehemalige Kommunist Tsipras nicht anderes als ein rücksichtsloser Populist und charmanter Blender mit krausen Ideen, die Hellas nur noch weiter ins Chaos stürzen würden: Die Verstaatlichung der Banken verlangt er ebenso wie den Ausbau des (schwer defizitären) öffentlichen Sektors, den Stopp der Privatisierungen und den Austritt aus der NATO.

Auftrieb

Drei Jahre an der Spitze von SYRIZA ging Tsipras mit diesen Themen recht erfolglos hausieren. Erst die Krise bescherte ihm den Auftrieb und wohl auch sein cool-lässiges Auftreten, das Griechenlands Kommunisten – die bisher das extrem linke Lager dominierten – wie vertrocknete Aliens aussehen ließ.

Dass sich Tsipras mit seinem Frontalkurs in Europa derzeit wenig Freunde macht, scheint den Vater eines Sohnes wenig zu stören. Sich gegen die Mächtigen zu stemmen, gehört zum Lebensprinzip des ehemaligen Schülervertreters.

Zu lokaler Berühmtheit gelangte Tsipras bereits als Student, als er das Recht auf Schwänzen einforderte. Seine Protestkarriere, damals noch in den Reihen der Jung-Kommunisten, führte er an der Uni weiter, wo er es Mitte der 90er-Jahre zum Repräsentanten der griechischen Studentenschaft schaffte.

Schon damals an seiner Seite: Jugendliebe P­eristera vulgo Betty Baziana. Die smarte Computertechnikerin und Mutter seiner demnächst zwei Kinder (sie ist im siebenten Monat schwanger) gilt als ebenso überzeugte radikale Linke wie Tsipras selbst. Bei Protestmärschen sind die beiden hin und wieder Seite an Seite anzutreffen.

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