Carmen Kreuzer über das wahre Model-Leben
Paris und New York, Lagerfeld und Fendi, Mario Testino und Terry Richardson - diese Schlagworte hätte wohl jedes Model gerne auf seiner Sedcard stehen. Das österreichische Topmodel Carmen Kreuzer hat in den Neunzigern in der Oberliga des Business mitgespielt. Heuer wird Kreuzer 40 und hat ein paar Kilos mehr auf den Hüften - ist aber immer noch so charismatisch und einnehmend wie eh und je.
In der fünften Staffel von „Austria’s Next Topmodel“ gibt sie nun zum ersten Mal die strenge Jurorin – an der Seite von Rolf Scheider und Moderatorin Melanie Scheriau. Zu sehen ist die Show jeden Donnerstag (20:15) auf PULS4. Und jeden Donnerstag sitzt auch Kreuzer vor dem Fernseher und sieht sich selbst bei der Arbeit zu. Im Interview erzählt sie über hungernde Models, ihre Auszeit auf Bali, die Wichtigkeit des Dialekts und die vielen Zicken bei "Austria's Next Topmodel".
Viele der “Austria’s Next Topmodel”-Kandidatinnen träumen seit Jahren von der großen Modelkarriere. Hatten auch Sie diesen Kindheitstraum?Ehrlich gesagt: nein. Ich war als Teenager viel zu schüchtern - man glaubt es kaum - und habe ausgesehen wie ein kleiner Bub. Es war eine Freundin, die mich dazu überredet hat.
Sie sind auf vielen Haute Couture-Schauen gelaufen - dazu muss man extrem dünn sein. Hatten Sie Probleme, Ihr Gewicht zu halten? Für diese Schauen braucht man Konfektionsgröße 32, die habe ich von Natur aus gehabt. Ich habe nie gehungert, war nie magersüchtig. Ich konnte alles essen und war pumperlgesund. Ich wog bei 1,77 Meter Größe 48 Kilogramm und habe in meinem Leben noch nie eine Diät gemacht. Voriges Jahr habe ich etwas mehr gewogen und mich pudelwohl gefühlt. Nur gab es dann eben dumme Berichte. Früher fanden sie mich dürr, jetzt wieder zu dick. Ich habe wieder etwas abgenommen und meine Maße zurück – ohne Diät, ich gehe drei Mal pro Woche Laufen.
Das ist aber doch eher die Ausnahme im Model-Business, oder?Ja, das schon. Die anderen Models waren neidisch auf mich weil ich alles essen konnte. Die haben sich von stillem Wasser und Salat ernährt. Die essen vielleicht einmal in der Woche Fleisch und trinken nichts mit Kohlensäure, damit sich der Bauch nicht aufbläht. Kein Zucker, keine Kohlenhydrate, nichts. Das ist echt heftig.
Das Modebusiness gilt als ein extrem stressiges - vor allem wenn man gut gebucht ist. Ja, sicher. Ich war zeitweise derart übermüdet, das ich manchmal richtig abwesend war. Du lebst nur noch nach deinen Aufträgen. Heute bist du in New York, dann geht es nach London und übermorgen nach Ägypten zum nächsten Shooting. Zu dieser Zeit sind dann die dämlichen Gerüchte aufgekommen, dass ich auf Drogen sei oder arrogant bin. Dabei war ich schlicht und einfach nur hundemüde.
Wie hoch waren ihre Gagen zu dieser Zeit? Über Geld spricht man nicht, das hat man oder man hat es nicht. (grinst) Es war nicht wenig, ich kann heute noch davon leben. Man darf halt nicht größenwahnsinnig werden. Ich habe Mädchen kennenlernt, die sehr viel verdienten, aber ständig beim Shoppen die ganze Kohle hinausgeblasen haben. Als ihre Karrieren dann vorbei waren, war es auch mit dem Geld vorbei. Das habe ich klüger gemacht. Ich habe nie im Luxus gelebt. Ich will eine schöne Wohnung haben und essen und trinken können was ich will. Aber das war’s dann auch schon.
Wirklich erfüllend wirkt das Model-Dasein nicht. Von einem Job zum anderen tingeln und nur auf sein Äußeres reduziert werden. Du musst den Job lieben. Ich habe ihn geliebt. Es ist natürlich nicht so glamourös wie man vielleicht denkt, Partys gibt es keine wenn man gut gebucht ist. Aber ich habe das Reisen geliebt, die verschiedenen Leute und Kulturen. Du musst es mögen, dich zu präsentieren. Und du musst dich anpassen können. Aber was gibt es schon Schöneres als bewundert zu werden?
Burnout und Auszeit
Dennoch haben Sie sich vor einiger Zeit eine Auszeit gegönnt.Ja, anstrengend ist das Ganze natürlich schon auf Dauer. Vor etwa drei Jahren habe ich das alles nicht mehr gepackt, mir hat es einfach nicht mehr gepasst. Ich hatte ein leichtes Burnout. Ich bin komplett ausgestiegen - und das war super so.
Wie hat Ihr Ausstieg ausgesehen? Ich habe mich zurückgezogen und zwei Jahre in Bali gelebt. Ich deponierte mein ganzes Hab und Gut bei meinen Eltern und bin ab nach Bali. Dort regenerierte ich mich innerhalb eines Jahres. Das war eine tolle Zeit.
Was haben Sie die ganze Zeit über gemacht - nur ausgespannt? Nein, nicht nur. (lacht) Ich half in der Bungalow-Anlage meines damaligen Freundes und seiner Mutter etwas mit und mich konnte mich dabei wirklich gut erholen. Wegen eines Todesfalles musste ich nach zwei Jahren zurück nach Österreich und wollte dann eigentlich wieder nach Bali. In Wien lernte ich aber meinen heutigen Freund kennen und bin quasi picken geblieben (lacht).
Sitzen Sie jetzt jeden Donnerstag vor dem Fernseher wenn "Austria's Next Topmodel" läuft? Ja, sicher. Mit meinen Freundinnen. Ich bin immer ganz streng mit mir selbst und achte darauf, was ich besser hätte machen können - auch weil ich das alles ja zum ersten Mal mache. Ich denke mir dann "Ok, so stellst du dich das nächste Mal nicht mehr hin' oder 'Das hättest du anders formulieren können".
Sie pflegen in der Sendung ihren steirischen Dialekt. Hatten Sie Sprachtraining vor den Dreharbeiten? Ich habe absichtlich kein Sprachtraining gemacht. Der Dialekt ist ein Teil von mir, der macht mich aus. Ich will authentisch sein, das ist wichtig, wenn man den Mädchen Tipps gibt.
Sie wirken auch dadurch originaler als ihre Kollegin Melanie Scheriau, die offenbar versucht Heidi Klum zu imitieren. War das eine Vorgabe der Produzenten? Das weiß ich nicht. Jeder macht sein Ding, jeder konzentriert sich auf sich selbst. Ich weiß nicht wie sich Melanie präsentieren will. Da kann ich nichts dazu sagen. Rolf, Melanie und ich sind drei verschiedene Persönlichkeiten.
Wie ist die Zusammenarbeit mit Rolf Scheider und Melanie Scheriau?Die ist super und sehr lustig. Beim "Rolfilein" – wie ich immer zu ihm sage - liebe ich seine schrullige Art. Und Melanie kenne ich von früher - seit Beginn unserer Modelkarrieren. Wir haben uns dann aber aus den Augen verloren. Dass wir jetzt wieder zusammenarbeiten, finde ich super.
Ihre Kritik an den Mädchen fällt manchmal sehr streng aus. Sind Sie vielleicht manchmal zu streng? Nein, ich bin einfach nur ehrlich. Ich will den Mädchen ja nichts Böses und sie keineswegs runtermachen. Es geht mir nur um die professionelle Einstellung. Die Mädchen müssen auf den Job gut vorbereitet sein, damit sie im Modelbusiness überleben. Dort gilt es, perfekt gestylt und mit einer perfekten Körperpflege zu einem Casting zu erscheinen. Im richtigen Model-Alltag ist das ja noch viel schlimmer. Da kann es schon mal passieren, dass der Casting-Direktor einen Anfall bekommt und durch den Raum schreit: „You are too fat.“ („Du bist zu dick“).
Sie sind im Vorfeld durch die Bundesländer gereist und haben die Mädchen für die Show gecastet. Was waren Ihre Kriterien? Wichtig war vor allem das gewisse Etwas an einer Person. Jedes der 20 Mädchen sieht anders aus - jede Kandidatin hat ihre eigene Persönlichkeit. Schönheit alleine ist zu wenig. Manche Mädchen sind bildhübsch, aber nicht fotogen. Bei den Castings habe ich nach interessanten Typen gesucht, nach Mädchen, die etwas Spezielles haben. Bei denen vielleicht die Nase ein bisschen größer, die Zähne ein wenig verschoben oder die Ohren ein wenig abstehend sind.
Wie sieht das perfekte Paket aus? Als Model braucht man Willensstärke, Reiselust und Durchsetzungsvermögen. Man sollte auch vom Styling etwas verstehen und in keinem Mehlsack zum Casting gehen. Wichtig ist auch, mit Kritik umgehen zu können. Und da man manchmal länger keinen Job bekommt, sollte man auch Durchhaltevermögen mitbringen.
Es gibt wenig Beispiele dafür, dass Teilnehmerinnen an einer Casting-Show im internationalen Modelbusiness Erfolge feiern. Warum?Die Teilnahme an der Castingshow "Austria’s Next Topmodel" ist ein mögliches Sprungbrett in die Modelbranche. Danach sind die Kandidatinnen selbst für ihre Karriere verantwortlich. Was man auf alle Fälle benötigt, ist eine gute Agentur, die an einen glaubt und einen nach vorne pusht. Wenn man es in die besten Agenturen der Welt schafft, ist eine internationale Karriere möglich. Ich werde mich nach der Show auch selber dafür einsetzen, dass Mädchen mit Potenzial in ein, zwei Jahren durchstarten. Ich bin mir sicher, dass mindestens eine Kandidatin den Durchbruch schaffen wird.
Was hat Sie an der Show überrascht? Der Konkurrenzkampf hat mich echt überrascht - der war teilweise ganz extrem. Ich bin ja schon länger in der Branche tätig, aber so ein Gezanke habe ich noch nie erlebt. Ich kann diese Zickereien nicht verstehen, jede Kandidatin sollte sich in erster Linie auf sich selbst konzentrieren und nicht andere runter machen.