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Thomas Gottschalk: Aus dem Leben eines Clowns

Wie seicht darf ein Witz sein? Wie oft darf man seinen weiblichen Showgästen die Hand aufs Knie legen, bevor einen die Political-Correctness-Polizei abführt? Und wie lange dauert es, bis einem bunt gescheckte Anzüge vom Sturm des Zeitgeistes zerfetzt werden?

Thomas Gottschalk kennt die Antwort. Er blickt dennoch sehr milde auf die Medienwelt, die ihn zum Star gemacht hat, und in der er irgendwann seinen sicheren Platz verlor. In seiner Autobiografie "Herbstblond" gesteht der Mann, der mit "Wetten, dass..?" zum wohl größten TV-Star des deutschsprachigen Raumes wurde, dass er im Alter immer schwerer Anschluss an die TV-Welt findet.

Bilder: Ein Leben vor der Kamera

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Im Swinging London

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Das Buch ist im lesefreundlichen Plauderton gehalten und schließt so manch historische Lücke. Was man etwa zur Einordnung des Mannes mit dem wilden Modegeschmack wissen sollte: Als junger Bub machte er einen Ausflug ins "Swinging London", wo er in der Modemeile Carnaby Street Zeuge einer Ehrung von "Bee Gee" Barry Gibb und Schauspieler Peter Wyngarde als "Best Dressed Men" wurde.

Spätestens damals dürfte er keine Angst mehr davor gehabt haben, mit allzu bunten Kreationen aufzufallen. Die Karriere des Entertainers verlief in vielen Windungen durch mehrere Sender: Von der ARD wechselte er zum ZDF, von dort zu RTL und wieder zurück. Auch bei Sat.1 dockte Gottschalk an.

Die wichtigste Rolle seines Lebens war jedoch die des Moderators der letzten großen Samstagabendshow, von der er selbst schreibt: "Ohne ,Wetten, dass..?‘, wäre ich heute nicht, was ich bin."

Seinen ersten Auftritt in der von Frank Elstner erfundenen und moderierten Show hatte er als Präsentator einer Außenwette, wo er mit rotzfrechem Witz auffiel und nach dem Abschied von Elstner ganz übernahm.

Gottschalk beschreibt in dem Buch seine Sicht über Aufstieg und Schwierigkeiten des Samstagabend-Tankers, der schließlich unter seinem Nachfolger Markus Lanz endgültig manövrierunfähig wurde.

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Der Moderator blickt der letzten Phase bei "Wetten, dass..?" recht unsentimental nach: Schon in den 1990ern habe sich mit dem Aufkommen der Castingshows ernst zu nehmende Konkurrenz angebahnt. Die Wetten seien durch immer waghalsigere Videos im MTV-"Jackass"-Stil und auf YouTube außerdem immer irrelevanter geworden. Auch die Stars seien heute weniger breitenwirksam als früher: "Der aktuelle Spiderman muss schnell eingeladen werden, bevor der nächste Batman den neuen Superman wieder von den Kinokassen verdrängt", ätzt er.

Der Tiefpunkt für Gottschalk ist bekannt: 2010 stürzte Wettkandidat Samuel Koch vor laufenden Kameras schwer; heute sitzt er im Rollstuhl. Gottschalk fasste einen Entschluss: "Die Tür zum Ausstieg hatte sich plötzlich geöffnet, auf die unglücklichste Art und Weise, die ich mir vorstellen konnte. Ich entschloss mich, sie zu durchschreiten."