"House of Cards": Das Publikum als Komplize
Von Karl Oberascher
Für die neue Art des Sehens soll sie stehen, die Politserie um den skrupellosen Kongressabgeordneten Francis Underwood. Das konnte man zuletzt in zahlreichen Kommentaren und Ankündigungen rund um die TV-Premiere der amerikanischen Erfolgsserie lesen. Das klingt natürlich vielversprechend - auch wenn damit weniger die Handlung, als vielmehr die Produktion gemeint war. Schlagwort: Internetstreamingdienst statt klassischem TV-Sender. Also Fernsehen wann, wie und wo als Konzept.
Mit diesen Vorschusslorbeeren, die mit der Ausstrahlung im klassischen TV zugleich verwelken mussten, startete "House of Cards" gestern in Österreich – zum festgesetzten (und späten) Sendetermin um 22.40 Uhr. Was bleibt also übrig von dieser revolutionären Sendung, die plötzlich nicht mehr als Synonym für ein neues Zeitalter des Fernsehens taugt?
Alles fest im Griff
Und was macht Francis Underwood? Er zeigt, dass er alles im Griff hat. Er ist der Mann fürs Grobe. Der Mann, der als Majority Whip der Demokraten dafür sorgt, dass die Kongressabgeordneten der eigenen Partei auf Linie bleiben. Für seine Verdienste soll er nun vom neu gewählten Präsidenten Garrett Walker mit dem Amt des Außenministers belohnt werden.
Urschmerz
Stattdessen wird Underwood gebeten im Kongress die Stellung zu halten. Ein Ausputzer der zweiten Reihe, dem der öffentliche Auftritt nicht zugetraut wird. Intrigant und kompromisslos war Underwood auch schon vorher – jetzt kommt gekränkter Stolz hinzu. Und das soll sich als außerordentlich gefährlich für seine Konkurrenten erweisen.
Francis sinnt also auf Rache und findet in der überehrgeizigen Journalistin Zoe Barns (Kate Mara), die sich anbietet, seine Hinweise ohne großes Nachfragen zu veröffentlichen, eine ebenso eiskalt kalkulierende Verbündete – und das perfektes Ventil für seine Machtspielchen.
Wo ist Francis' Unterhose?
"Es gibt zwei Arten von Schmerzen. Der Schmerz, der dich stark macht. Und nutzloser Schmerz. Die Art von Schmerz, die nur Leiden verursacht. Und ich habe keine Zeit für nutzlose Dinge“, erklärt uns ein machtbegeilter Francis Underwood unumwunden, während er den Nachbarshund von seinem Schmerz erlöst – aus Prinzip, nicht aus Mitleid.
Das ist kein bisschen sympathisch. Francis Underwood ist hart, zynisch und grenzenlos arrogant.
Walter White war die Entwicklung von der Feinripp-Unterhose zum skrupellosen Verbrecher praktisch in die Wiege gelegt. Und wohin soll sich Francis Underwood, der Macher, entwickeln? Schwierig. Eine Läuterung scheint jedenfalls ausgeschlossen.
Episches Theater
Und trotzdem schafft es Kevin Spacey, uns auf seine Seite zu holen - indem er das Publikum zu seinem Komplizen macht, anstatt sich zu erklären. Underwood durchbricht ständig die sogenannte Vierte Wand und spricht durch die Kamera direkt mit den Zusehern.
Willige Komplizen
Nein, Francis Underwood will uns keine Illusionen nehmen, er will uns zu seinen Verbündeten machen, weiht uns in seine Geheimnisse ein und lässt uns an seinen Plänen teilhaben. So wie Netflix sich mit den Sehern gegen die alteingesessenen TV-Sender verbündete, indem die Streaming-Plattform die neuen Sehgewohnheiten bediente.
Wir sind Verbündete in seinem intriganten Spiel, ob wir wollen oder nicht. Aber ganz ehrlich: Wir wollen.