Frank Stronach: "Ich fühle mich begnadigt"
Von Guido Tartarotti
19.50 Uhr, Vorwort I: „Wo wir hinblicken, viel heiße Luft derzeit“ (Marcus Wadsak, ZIB-Wetter).
20.03 Uhr, Vorwort II: „Früher hat man geglaubt, die san olle komplett wahnsinnig“ (Ex-Skirennläufer Christian Mayer, Seitenblicke).
20.25 Uhr, Vorwort III: „Er ist ein kleiner Schlingel, und das wird er immer sein“ (Kandidatin Jolanda, Liebesg’schichten & Heiratssachen).
Die Kurz-Zusammenfassung vom Stronach-Gespräch finden Sie hier.
Exklusiv: Stronach-Sommergespräch schlug Allzeit-Seherrekord und hat Jörg Haider überholt
1.Akt
Er wird diese Formulierung noch oft aus der Tasche ziehen, immer dann, wenn ihm eine Frage unangenehm ist, also nahezu das ganze Gespräch über. Er erzählt von Studenten, die von ihm wissen wollten, wie er sein Unternehmen aufbauen konnte. Sein Erfolgsrezept: „Wenn ihr etwas verspricht, müsst ihr das halten, sonst verliert ihr euren Ruf.“ Und dann kommt, nach drei Minuten Sendezeit, sein Lieblingswort: „Die (die flüchtigen Abgeordneten; Anm.) gehen zu einer Partei, die keine Werte hat.“
21.06 Uhr. Stronach hält Vorträge, Hans Bürger versucht zu unterbrechen: „Ich möchte einen Film einspielen, um zu zeigen, was in den letzten Tagen passiert ist.“ Stronach reagiert mit dem Wechsel seiner Gesichtsfarbe auf Hochrot: „Ich habe gerade erzählt, was passiert ist! Die haben den Ehrenkox… kodex verletzt.“
Ein Beitrag über Kathrin Nachbaur und anderen Ex-Weggefährten läuft.
2. Akt
Jetzt ist er auf Betriebstemperatur und wechselt erstmals zum jovialen, kanadisch-steirischen Gutsherren-„Du“: „Pass auf, ich habe schon erwähnt, wie ich das sehe, wieso sprechen wir so lange darüber? Wir haben Feuer am Dach bei der Wirtschaft (…)!“
21.15 Uhr. Seit Tagen hatte Stronach das Gerücht verbreiten lassen, er plane eine „riesige Überraschung“ für die Sendung, er ließ angeblich sogar anfragen, ob das Studio auch wirklich viel Platz biete. Hans Bürger erinnert Stronach jetzt daran: „Sie haben angedeutet, es kommt eine Überraschung.“ Stronach: „Sie unterbrechen mich ja dauernd.“
Die folgende Frage ist daher irgendwie sehr logisch. Bürger: „Sind Sie gescheitert? Politisch?“ Stronach ist sichtlich entsetzt, so ein schmutziges Wort zu hören: „Ich bin noch nie gescheitert! Gescheitert ist eine negative Botschaft, und ich bin nur positiv!“
Es ist erst 21.14 Uhr, und alle Beteiligten – Interviewer, Gast, Zuhörer – zeigen bereits Ermüdungsspuren.
Jetzt kommt das, was Robert Hochner die „Rache des Journalisten am Politiker“ nannte: das Archiv. Ein Einspieler zeigt Stronachs Aussagen bei der Team-Gründung: Das Team Stronach werde in die Geschichte Österreichs, ach was, der Welt eingehen. Stronach gibt sich unbeeindruckt, wechselt aber wieder ins Du: „Nanana, pass auf einmal! Ein guter Gedanke, ist besser als Tausend Kanonen. (…) Wie kann ein ganz Kleiner aus der Steiermark nach Kanada gehen, der hungrig war, wie kann es passieren, dass so eine Person zwei Weltfirmen aufbauen kann.“ Und dann erfahren wir etwas Erstaunliches: „ Meine zweite Firma ist auch Nummer eins.“ Danach folgt eine Kaskade aus den Bausteinen „Werte“, „Nochamal“ und „Die Schulden steigen“.
Es folgt ein kurzer Film über Stronachs letzte Getreue. Der Steirer Josef Kaltenegger vergleicht Stronach mit Ronaldo und Messi und schafft diesen Dressurakt ohne Lachkrampf oder Anzeichen von Scham. Dafür attestiert ihm Stronach wenig später „Charakter“. Michael Krüger, drei-Wochen-Minister unter Schwarzblau, faselt etwas von „Stahlgewittern“.
3. Akt
Stronach: „Da wird immer nur Negatives gezeigt...“ Bürger: „Aber die haben doch Hymnen auf Sie gesungen!“ Stronach: „Sie unterbrechen mich dauernd…“ Bürger: „OK, dann darf ich eine Frage stellen?“ Stronach: „Nein, nein. Die Frage soll kurz sein, die Antworten sollen lang sein.“
Jetzt kommt Stronachs vielleicht gefährlichstes Kunststück: Er lobt seine eigenen Fähigkeiten als Fußball-Manager von Austria Wien. Hans Bürger: „Aber Sie haben doch Jogi Löw als Trainer rausgeschmissen – jetzt ist er Weltmeister! Haben Sie da den richtigen Griff gehabt?“
Stronach: „Er hat zu Österreich nicht gepasst, er hat immer gesagt, Burschen, ihr müsst Gras fressen, das geht in Österreich nicht.“ (Richtige Analyse – vielleicht hätte Löw lieber Stronachs Pferde trainieren sollen, die hätten sich weniger gewehrt).
Und jetzt kommt der lustigste Satz des Abends: „Ich hab gesagt, Jogi, gehst nach Deutschland und wirst vielleicht Weltmeister.“
(Eine Minute später sagt Stronach etwas fast noch Ungewöhnlicheres: „Und wir haben Fehler gemacht, ohne Zweifel.“)
Jetzt gibt Stronach noch einmal Gas. Erst kommt der übliche Vorwurf an den ORF-Mann Bürger („Sie haben ja eine sichere Stelle, wahrscheinlich pragmatisiert“), dann zieht er ein Buch hervor („wie das Telefonbuch, schaut auch gelb aus“) und beginnt, einen komplizierten Paragraphen über die Beschäftigung von Behinderten vorzulesen, als Beweis für Überregulierung. Bürger: „Geh seavas…“
21.30 Uhr. Jetzt wird er lyrisch, erzählt davon, wie er gerne im Wald „auf einem Baumstock“ sitzt und nachdenkt: „Ich fühle mich begnadigt (…) Ich bin gegnadigt, dass ich das für Österreich machen kann.“ Bürger: „Wer ist der wichtigste Mensch für Sie?“ Stronach: „Du, alle Menschen sind wichtig (…) Ich hab eine Enkeltochter, das ist die einzige Frau, die mir einen Befehl geben kann.“
4. Akt
Bürger kramt das alte Thema von der Todesstrafe für Berufskiller hervor. Stronach antwortet mit dem völlig rätselhaften Satz: „Wenn ein Berufskiller das Kind eines Richters erschießt, dann wäre die ganze Demokratie gefährdet.“ Was bedeutet das? Wir werden es niemals erfahren. Stronach wechselt ansatzlos zu den Themen Flüchtlingskrise und IS-Terror, fordert von der UNO und der NATO einzurichtende Schutzzonen für vom IS bedrohte Menschen. Seine Aufregung klingt ehrlich und verständlich:
„Was haben wir für eine Gesellschaft hier, wir sitzen da und schauen ruhig fern und sehen, wie Tausende Frauen und Kinder abgemetzelt werden? Wie kann das gehen? Wie kann das gehen? Haben wir aus der Geschichte nichts gelernt? Das ist eine Sache der Zivilisation, für zivilisierte Leute!“ Was also tun? „Durch Belehrung, durch Schulen kann man diese fanatischen Mörderbanden … dass man ein Umdenken machen kann.“ Also Nachsitzen für Terroristen?
21.45 Uhr. Jetzt kommt ein Highlight: seine Analyse der Griechenlandkrise. „Die Griechen haben Tausende Jahre lang so gelebt, was soll falsch sein, es bisschen mehr am Strand zu sein, an der Bar zu sein… und wie sie (die Banken; Anm.) gesehen haben, die Griechen ändern sich nicht, dann haben sie Angst gekriegt. (…) Wir machen jetzt einen Blödsinn, wir helfen den Banken, nicht den Griechen.“ (Daraus folgt: Nehmt den Banken das Geld und den Griechen den Sand und den Ouzo, und alles wird gut.)
Gleich darauf eine neue Variante eines alten Stronach-Hits: „Ich bin für einen Euro, aber jedes Land soll seinen eigenen haben.“
(Was jetzt kommt, fasst die Absurdität dieses Versuchs eines Interviews perfekt zusammen.)
Bürger: „Das habe ich schon damals nicht verstanden.“ Stronach: „Pass auf, setzen wir ins einmal zwei Stunden zusammen, dann verstehst es vielleicht.“ Bürger: „Ich habe Volkswirtschaft studiert, ganz blöd bin ich auch nicht.“ Stronach: „Pass auf, trinken wir ein Glasl Wein, bist ja aus der Steiermark…“ Bürger: „Nein, ich bin aus Oberösterreich.“
21.48 Uhr. Kammern-Pflichtbeiträge, Nationalrats-Verkleinerung, gegen Berufspolitiker… die üblichen Themen, die Luft ist raus.
5. Akt
Hans Bürger lädt Stronach ein zu einer „Wanderung“, soll heißen, von der Position in den Sitzmöbeln zurück zum Stehtisch. Stronach wirkt verwirrt, Bürger ein bisschen peinlich berührt.
21.52 Uhr. Bürger bittet Stronach zum Spiel „Satz vollenden“. Stronach (und erstmals an dem Abend möchte man ihm von Herzen beipflichten): „Bitte das ist wie im Kindergarten, schicken‘S mir das zu, ich beantworte das schriftlich.“
Er spielt dann doch mit, der einzige bemerkenswerte Satz, der dabei rauskommt: Frauen bedeuten mir … „Frauen sind Menschen wie wir.“
Es bleibt keine Zeit mehr, darüber nachzudenken, was diese Aussage eigentlich bedeutet, nur ein Schluss-Satz geht sich noch aus: „Das einzige, was ich bereue, ist, ich war manchmal ein bisschen persönlich, und das tut mir leid. Ich will nur das System ändern, wir fahren gegen die Wand.“
Hans Bürger: „Danke fürs Kommen.“
Stronach: „Sehr schön, sehr schön.“
Fazit: Frank Stronach ist, man muss es leider sagen, nicht nur kein überzeugender Politiker – sondern jetzt auch kein besonders guter Kabarettist mehr.
Ein Transkript der gesamten Sendung finden Sie am Politikblog neuwal.com.