"Was? Dschungelkönig? Ne!"
Von Georg Leyrer
Nachdem er widerspruchslos Straußen-Anus und Buschschwein-Sperma verschlungen und daraufhin den Titel des „Dschungelkönigs“ eingestreift hat, brachte Joey Heindle es auf den Punkt: „Kack die Wand an!“, sagte der am Samstagabend frisch gekürte Dschungelkönig 2013, und man hätte es wohl nicht besser formulieren können.
Das Finale hat in Deutschland einen Staffelrekord geschafft: insgesamt 8,76 Millionen Zuschauer waren dabei und bestätigten so das große Interesse, das „Ich bin ein Star – holt mich hier raus“ auch in der siebenten Auflage verzeichnete. In Österreich wollten sich 360.000 Zuseher das Finale nicht entgehen lassen.
„Was? Dschungelkönig? Ne!“, rief Heindle, und brachte damit die allgemeine Überraschung auf den Punkt: Eigentlich war Dragqueen Olivia Jones haushoher Favorit, konnte sich aber bei der Publikumswahl nicht durchsetzen. Doch Jones konnte dem zweiten Platz auch etwas abgewinnen: Nicht „Dschungelkönig“, sondern „Prinzessin“ zu sein sei „doch hervorragend“. Den besten Werbespruch für sich selbst hatte Jones jedenfalls gehabt: „Ihr habt die Möglichkeit, einen Dschungelkönig und eine Dschungelkönigin in einem zu bekommen“, warb sie bei den Anrufern um Stimmen.
So lief das Dschungelcamp 2013:
Dschungelkönig-Film
Jetzt plant der 19-jährige Joey einen Film mit Helmut Berger (der kurze Zeit auch Gast im RTL-Dschungel war) und eine Konzerttournee. Und der erstmals bei „Deutschland sucht den Superstar“ (DSDS) öffentlich in Erscheinung Getretene ließ nach dem Sieg einen alten Bekannten grüßen: „Bei DSDS war ich nur Fünfter. Und jetzt sage ich: ,Dieter Bohlen, ich bin Dschungelkönig!‘“
Heindle hatte sich mit seinen Sprüchen, die oft schmerzhafter waren als so manche Dschungelprüfung, rasch als eine der auffälligsten und für das Format passendsten Figuren unter den diesjährigen B- bis D-Promis im Camp profiliert. Er sprach bei den Prüfungen mit Tieren, lernte bei Jones einiges über Homosexualität (immerhin hatte er Jones zuvor für eine „große Frau, voll krass“ gehalten) und lieferte neben dem eingangs erwähnten ungewöhnlichen Zugang zu Wänden einige weitere zitierbare Sager ab.
Im Finale hatten neben Heindle auch noch Jones und die letztlich drittplatzierte Claudelle Deckert Ekelprüfungen zu absolvieren. Jones musste sich in einen Tunnel zwängen, dort Mehlwürmer, Kakerlaken und Spinnen über sich ergießen lassen.
Deckert wiederum musste in einem Container, der sich mit Wasser füllte, Sterne zwischen großen Aalen aufsammeln.
Neben dem Quotenerfolg hat RTL noch zumindest einen weiteren Grund, auch in Zukunft „Stars“ in den australischen Dschungel zu locken: Moderator Daniel Hartwich, der den verstorbenen Dirk Bach ersetzte, kam beim Publikum gut an. „Ich denke, du bist nächstes Jahr wieder dabei“, sagte ihm daher auch seine Kollegin Sonja Zietlow.
Schon am ersten Tag von „Ich bin ein Star, holt mich hier raus“ führte Helmut Berger das als gesichert geltende Wissen um die Wirkungskraft des Dschungelcamps ad absurdum.
Der sichtlich schwer an einer Überdosis Leben laborierende ehemalige Weltstar lag wie ein benebelter Buddha in der Gegend herum, tat nichts und warf ab und zu seinen schwatzenden Mithäftlingen Sätze wie „Na, da werden wir jetzt ein wenig gewöhnlich“ zwischen die Beine. Trotzdem war die Zuschauerzahl so hoch wie nie.
So viel zu der These, dass im Dschungelcamp vor allem unschöne Menüfolgen sowie nackte Geschlechtsmerkmale für die Quote sorgen. Helmut Berger war so nett, weder seine Brüste herzuzeigen noch Insekten zu essen. Aber seine Gravitation als Star wirkte. Nach zwei Tagen ließ sich Berger erwartungsgemäß aus „gesundheitlichen Gründen“ rausholen, trotzdem bleibt er das Gesicht dieser Staffel. Nach seinem Abgang hätte man eigentlich das Camp zusperren können.
Es gehört zum guten Ton, in gewählten Worten seine Abscheu vor dem Dschungelcamp zu äußern. Um bestmögliche Wirkung zu erzielen, verwende man dabei Begriffe wie „menschenverachtend“, „Ekel“, „Tiefpunkt“ sowie „Maden“. Gern genommen wird auch gönnerhafte Ironie: „XY musste in eine Wanne voller Kakerlaken steigen – gemein, vor allem für die Kakerlaken.“
Burgtheater
Fragt man Dschungelcamp-Kritiker, wie oft sie Dschungelcamp geschaut hätten, sagen sie meist: „Gar nicht – so etwas Abstoßendes sehe ich mir nicht an.“
(Ich nenne das den Burg-Effekt. Mein Großvater pflegte über die modernen Unsitten am Burgtheater zu klagen – die Schauspieler würden dort praktisch nur noch auf die Bühne urinieren. Fragte man ihn, woher er das wisse, ob er denn schon oft im Burgtheater gewesen sei, antwortete er: „Noch nie! Solche Schweinereien will ich nicht sehen!“)
Ernsthaft: Das Dschungelcamp ist harmlos. Erwachsene Menschen erklären sich freiwillig bereit, Känguru-Hoden zu essen – was kann daran verkehrt sein? Vielleicht würden sie sonst viel schlimmere Verhaltensoriginalitäten begehen. Abgesehen davon sind sie derartige Gerichte vermutlich aus ihren In-Lokalen gewohnt.
Ehemalige Kandidaten sagen übrigens in Interviews oft aus, sie hätten sich auf jede Dschungelprüfung gefreut – das Schlimmste dort sei nämlich die Langeweile, weil man so gut wie nichts zu tun habe.
Empörungspotenzial hatte die heurige Staffel nicht zu bieten, man merkte, wie schwer sich die Sendungsmacher beim Schneiden taten. Die Tatsache, dass ein Schlagersänger namens Klaus oder Kurt beim Unterhosenwechseln den Blick auf seine Fortpflanzungswerkzeuge freigab, wurde da schon zum sendungstragenden Element. Liebesaffären, Exhibitionismus, Zickenterror gab es kaum. Einzig die Aussage der Crossdresserin Olivia, sie sei dem Berliner Bürgermeister Wowereit intim nahe gekommen, sorgte für einen eher behäbigen Skandal.
Und das auch nur, weil Wowereit unklug genug war, öffentlich mit seinen Anwälten zu drohen.
Was blieb, war gute Comedy. Das ist einerseits den Moderatoren Sonja Zietlow und ihrem neuen Partner Daniel Hartwich bzw. deren Gag-Autoren zu verdanken. Und zweitens dem sich naiv gebenden Kandidaten Joey, dem wunderbare One-Liner passieren.
Etwa, als er den am Rücken verletzten Patrick Nuo fragte, ob dessen „Schließmuskel“ wieder heil sei. Oder der zum Eintopf hartnäckig Einlauf sagte. Einmal glaubte er, nachts eine Schlange gesehen zu haben, sagte, diese sei „drei Meter“ lang gewesen und deutete gleichzeitig mit den Händen die Distanz einer Armlänge an. Ungefähr so verhält es sich auch mit der Aufregung ums Dschungelcamp.
Das Dschungelcamp erreichte während der aktuellen Staffel sehr gute Zuseherzahlen – in Deutschland gelang RTL immer wieder der Tagessieg. In der vergangenen Woche sahen Abend für Abend bis zu knapp acht Millionen Deutsche zu, wie sich C- und D-Prominente im australischen Dschungel ausruhten und Maden aßen. Die sechste Staffel im Jänner 2012 hatte durchschnittlich 6,47 Millionen Zuschauer erreicht.
Auch in Österreich hat das „Dschungelcamp“, das längst vom Fernseh– zum Gesamtmedienereignis wurde, treue Fans: im Durchschnitt bis zu 300.000 verfolgten die Sendung auf RTL. Als am Freitagabend die Entscheidung für die drei Finalisten Olivia, Claudelle und Joey fiel, waren es 307.000 Zuseher.
Und die Auftaktsendung der Staffel am 11. Jänner – die erste Show ohne den gestorbenen Moderator Dirk Bach – hatte durchschnittlich 328.000 Zuschauer, in der Spitze waren es bis zu 433.000. In Deutschland waren es 7,77 Millionen, so viele wie nie zuvor bei einem „Dschungel“-Auftakt. Bachs Nachfolger Daniel Hartwich und Sonja Zietlow holten in Folge viel Lob für ihre Moderation ab.