Auszeit für "Krone"-Kommentator könnte kurz sein
Die Auszeit von Steiermark-Krone-Chefredakteur Christoph Biró könnte relativ kurz ausfallen. Nach einem Bericht der Kleinen Zeitung soll Biró schon im November wieder in die Redaktion zurückkehren. Ob es danach personelle Konsequenzen gibt, ist offen. Biró hatte nach einem umstrittenen Kommentar über Flüchtlinge "aus eigenen Stücken" und "für einige Zeit" seinen Rückzug angekündigt.
Nach APA-Informationen soll diese Entscheidung aber nicht ganz freiwillig gefallen, sondern auch auf Drängen von Krone-Herausgeber und -Chefredakteur Christoph Dichand und seinem neuen geschäftsführenden Chefredakteur Klaus Herrmann zustande gekommen sein. Für Medienexperten und Branchenkenner ist die Causa Biró - der Steiermark-Chefredakteur schrieb von angeblichen sexuellen Übergriffen und Sachbeschädigungen durch Flüchtlinge und sprach danach von überzeichneten Zuständen und einem Fehler - ein besonders markantes Beispiel für den Schlingerkurs der Kronen Zeitung seit dem Tod ihres legendären Gründers und Herausgebers Hans Dichand.
Galt damals "die Vielfalt der Meinungen ihres Herausgebers und der Redakteure" als offizielle "Krone"-Blattlinie, wobei die Meinungen Dichands stets oberste Maxime waren und von der Redaktion empathisch antizipiert und an die Leser weitergetragen wurden, herrscht heute oft chaotische Vielfalt, und der Tanker Krone treibt inhaltlich-schlingernd vor sich hin. "Da macht jeder, was er will", fasste es ein Krone-Mitarbeiter gegenüber der APA zusammen.
"Die 'Krone' driftet seit einiger Zeit zwischen der alten Garde, die einen strikten Kampagnenkurs fährt und auf altbekannte Ressentiments setzt, um so den vermeintlichen Anforderungen der Leserschaft zu gefallen, und einer jüngeren Generation von 'Krone'-Journalisten, die der Ansicht ist, man kann verknappten und zugespitzten Boulevardjournalismus auch ordentlich und ohne Ressentiments machen." Dementsprechend sehe die Zeitung "jeden Tag ein bisschen anders aus", so Hausjell.
Ähnlich sieht dies profil-Herausgeber Christian Rainer, der in der Vergangenheit selbst als möglicher "Krone"-Chefredakteur im Gespräch war. "Die 'Krone' hat keine klar erkennbare Linie mehr. Das gilt auch in der Frage der Flüchtlinge. Und nicht nur die Redaktion ist in sich gespalten, sondern offenbar auch einzelne Personen", meinte Rainer im Hinblick auf das Fehlereingeständnis Birós. "So falsch der Kommentar Birós war, so groß ist meine Hochachtung vor der Entscheidung, sich für einige Zeit aus dem Spiel zu nehmen."
Boulevard-Kenner Wolfgang Ainetter, er war Heute-Chefredakteur und arbeitete für die deutsche Bild-Zeitung, ortet die "Krone" ebenfalls auf Schlingerkurs. "Friedrich Dragon war der letzte große Blattmacher. Seit er gehen musste, konnte niemand die Lücke füllen, die er hinterlassen hat." Deshalb lese man auf Seite 2 der "Krone" mitunter gänzlich Anderes als auf Seite 4. "Dichand hatte das Gespür, Dragon war der Blattmacher", so Ainetter.
"Man muss dankbar sein, dass es keine klare Linie gibt"
Eine Entwicklung, die nach Meinung Rainers aber auch positive Seiten hat: "Man muss dankbar sein, dass es keine klare Linie gibt. Die wäre sonst nämlich wesentlich härter." Darauf weist auch Medienwissenschafter Hausjell hin. Bei der Flüchtlingswelle rund um den Balkan-Krieg Anfang der 1990er-Jahre gab es in der "Krone" ein "einhelliges negatives Bild über Flüchtlinge", erinnert der Medienforscher. Als in Deutschland erste Flüchtlingsheime brannten, bezeichnete "Krone"-Publizist Humbert Fink Rassenhass als quasi-bürgerliche Tugend und Richard "Staberl" Nimmerrichter oder Michael Jeannée lieferten ein ständiges Grundrauschen zum Anti-Ausländerkurs des Blattes.
"Heute berichtet die 'Krone' viel differenzierter in der Flüchtlingsfrage. Wenn die 'Krone' jetzt aber wieder stärker in diese Lade greift, dann besteht die Gefahr, dass diese alte Stereotypisierung bei den Lesern wieder abgerufen wird", sagte Hausjell. Birós Kommentar habe diesem alten Stil der "Kronen Zeitung" entsprochen. "Dieser alte Stil war zwar mit Erfolg verbunden, aber man merkt jetzt auch in der 'Krone', dass dieser Erfolg nicht mehr so gesichert ist. Das hat weniger mit der Leserschaft, als mit der Wettbewerbssituation, den Gratiszeitungen und den neuen digitalen Angeboten zu tun. Es ist jedenfalls das erste Mal, dass in der 'Krone' jemand für so eine Berichterstattung Konsequenzen ziehen musste." Für den Kommunikationswissenschafter liegt das auch daran, dass die Redaktion seit dem Tod Hans Dichands "innerlich demokratischer geworden" ist.