Eckart von Hirschhausen: „Humor wirkt wie ein Medikament“
Von Julia Pfligl
In Deutschland gilt er als „Arzt der Nation“: Jetzt gastierte der Mediziner, Autor und Kabarettist Eckart von Hirschhausen (51) in der Wiener Stadthalle und hielt eine Vorlesung an der MedUni. Mit dem KURIER sprach er über Mängel im Gesundheitssystem und das Thema seines neuen Kabaretts – Zeit.
KURIER: Die Lebenserwartung ist heute so hoch wie nie, dennoch glauben wir ständig, zu wenig Zeit zu haben. Warum? Von Hirschhausen: Dafür gibt es eine banale Erklärung: Unser Gehirn gibt Dingen, wenn sie das erste Mal passieren, mehr Aufmerksamkeit. Erinnern Sie sich noch an den ersten Kuss? Natürlich! Und an den 17.? Deswegen ist ein guter Trick, um diesem Gefühl entgegenzuwirken, aus der Routine auszubrechen und sich immer wieder Neues anzueignen. Ich habe gerade wieder angefangen, Gitarre zu spielen. Plötzlich fühle ich mich wieder wie am Lagerfeuer, freue mich aber gleichzeitig, dass ich danach nicht auf einer Luftmatratze schlafen muss. Das ist emotionales Anti-Aging.
Was ist mit äußerem Anti-Aging, das uns die Werbung einredet? Schmeißen Sie Ihre Anti-Aging-Cremes in die Tonne und seien Sie stolz auf Ihre Lachfalten! Kümmern Sie sich nicht so viel um sich selbst – gebraucht zu werden, hält jung! Das Dümmste, was passieren könnte, ist, dass das Anti-Aging-Zeugs funktioniert. Dein Körper wird jünger, dein Geist älter. Irgendwann hast du Alzheimer, kommst aber körperlich in die Pubertät. Ist das ein Lebenstraum?
Sie haben selbst Medizin studiert. Was müsste sich in der Ausbildung ändern? In Wien und in Graz habe ich vor überfüllten Hörsälen für die Medizinstudierenden eine Vorlesung gehalten: „Warum Worte Medizin sind.“ Mich macht es glücklich, zu sehen, wie viele engagierte junge Menschen die Ärzteschaft von morgen bilden. Die Ausbildung setzt immer noch zu wenig auf Kommunikation und Persönlichkeitsbildung und zu viel auf Wissen pauken, was in wenigen Jahren schon obsolet sein wird. Die Zukunft der Medizin ist teamorientiert und kommunikativ, um auf Augenhöhe mit dem Patienten eine Entscheidung zu finden. Das wünscht sich jeder, der einmal als Angehöriger oder Patient im Spital war.
Ihre Stiftung „Humor hilft helfen“ setzt sich für mehr Humor in der Medizin ein. Warum ist das im Spital so wichtig? Sprache und Humor wirken wie ein Medikament. Zuhören, die wichtigen Fragen stellen, Klarheit und Hoffnung vermitteln, das ist die Kunst. In der Ausbildung wird so getan, als ob das jeder könnte – Unsinn! Was den Humor angeht: Das geht los bei der Aufnahme. Immer wird man nach Stuhlgang gefragt, als sei das die wichtigste Funktion. Ich wünsche mir eine Spalte für die Stimmung: Wie oft haben Sie gestern gelacht? Einen Tag nicht gelacht ist bedrohlicher als ein Tag ohne Stuhlgang – das ist mentale Verstopfung. Es war eine Fehlentwicklung zu glauben, dass Ärzte professioneller sind, wenn sie keine Gefühle zeigen.
Kommt das Zwischenmenschliche im Spital abhanden? Das größte Klinikum in Europa heißt „ Charité“. Der Name kommt nicht von „Shareholder-Value“, sondern von „Caritas“ – Nächstenliebe. Daran wird aber gespart. Die Stimmung in den Krankenhäusern und Praxen macht mir ernsthaft Sorgen. Ich kann die Kollegen gut verstehen, die auf die Barrikaden gehen oder resignieren. Die Kürzungen am Personal sind desaströs, denn gerade Zeit, menschliche Zuwendung ist durch nichts zu ersetzen und darf nicht der Profitmaximierung unterliegen. Mit meiner Stiftung möchte ich nicht nur Clowns in Spitäler bringen, sondern auch diejenigen ansprechen, die viel länger als die Patienten unter den Bedingungen leiden: die Mitarbeiter. Aber das ist noch ein dickes Brett zu bohren.