Verdächtiger im Ticket-Skandal geflüchtet
Der Ticket-Skandal bei der Fußball-WM in Brasilien hat sich zugespitzt. Um seiner Festnahme zu entgegen, flüchtete Raymond Whelan, leitender Angestellter beim FIFA-Ticketing-Vertragspartner Match Services, durch die Hintertür seines Hotels, wie die Staatsanwaltschaft in Rio de Janeiro am Donnerstag bekannt gab.
Kameras des internen Überwachungs-Systems hatten den Vorfall registriert. Whelan sollte wie zehn weitere Verdächtige im Skandal um illegal verkaufte WM-Tickets in Untersuchungshaft genommen werden. Das hatte eine Richterin angeordnet. Doch als die Beamten im "Copacabana Palace" eintrafen, war der Brite weg. Die Fahndung nach ihm läuft seither auf Hochtouren.
Whelan war wie ein zweiter Verdächtiger nach einem ersten Verhör am Dienstag gegen Kaution freigelassen worden. Für die übrigen Verhafteten, unter ihnen der mutmaßliche Banden-Kopf Lamine Fofana, wäre die U-Haft am Donnerstag abgelaufen, wurde durch den Beschluss der Richterin aber verlängert. Lediglich Jose Massih, der bei den polizeilichen Ermittlungen als Kronzeuge wichtige Informationen beigesteuert hatte, darf die weitere Untersuchung auf freiem Fuß verfolgen.
Die "Operation Jules Rimet" hatte am 1. Juli mit der Verhaftung von Fofana und zehn weiteren Personen den Schwarzmarkthändler-Ring auffliegen lassen. Die Gruppe soll Ticket-Pakete für besondere Gäste für überhöhte Preise verkauft und dabei Millionen umgesetzt haben. Die Eintrittskarten stammen angeblich von Whelan, der im FIFA-Hotel Copacabana Palace in Rio de Janeiro Zugriff auf die Kontingente hatte.
Belastende Unterlagen
Von Whelans Arbeitgeber Match Services wurden indes Bedenken geäußert, ob bei den Ermittlungen in Rio alles mit rechten Dingen zugehe. Nicht nur, dass den brasilianischen Medien gerichtlich genehmigte Abhör-Protokolle zugespielt wurden, auf denen Whelan zu hören ist, wie er am Telefon mit dem inhaftierten Fofana über Ticket-Pakete und vierstellige Dollar-Summen spricht. Allein das sieht Match Services als illegal an.
Whelan wurde von seinen Chefs reingewaschen, dies war aber erwartet worden, ist doch Co-Firmen-Boss Enrique Byrom mit Whelans Schwester verheiratet. Die Kritik richtet sich vor allem gegen die Ermittler. "Der 18. Polizeibezirk von Rio macht Annahmen ohne eine saubere Untersuchung und mit einem minimalen Verständnis, wie das System zum Verkauf von Ticket- und Hospitality-Paketen wirklich funktioniert", hieß es in einer ausführlichen Mitteilung von Match Services.
Die harsche Attacke des mächtigen FIFA-Wirtschafts-Partners gegen die Sicherheitsbehörden im WM-Gastgeberland rief auch die brasilianische Regierung auf den Plan. Sportminister Aldo Rebelo wies die Anschuldigungen umgehend zurück und betonte die Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung in Brasilien. "Es wurde kein Beweis präsentiert, dass die Ermittlungen über oder unter der legalen Grenze waren. Die Gerichte haben die Aufgabe, die Dinge zu bewerten. Ich weiß nicht, warum diese Firma sagt, die Polizei habe illegal gehandelt", betonte Rebelo.
Die Geschichte dürfte auch nach dem Finale zwischen Deutschland und Argentinien am Sonntag nicht zu Ende sein, auch wenn die meisten Scheinwerfer dann abgeschaltet werden. Doch das Verfahren kann sich hinziehen. Und sollten sich die Vorwürfe gegen die Beschuldigten tatsächlich erhärten und bestätigen, dann drohen den Beteiligten Haftstrafen von bis zu vier Jahren. Keine schöne Aussicht, denn bei einer solchen Strafe könnte es für sie knapp werden mit Geschäften für die nächste Fußball-WM, die 2018 in Russland stattfindet.